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Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729.

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ihrem bösen Leben fortfahren wollen, als wie sie vor 10. und 20. Jahren ange-
fangen haben. Wann man z. E. fragt: Wie kommt es doch, daß dieser
und jener Studente, dieser und jener Kauff- und Handwercksmann,
den gantzen Tag nichts thut, als daß er die Steine auf der Gassen
zehlet, die Leute in
Fenstern besiehet und richtet, sich auf denen Dörf-
fern vom Morgen biß in die Nacht, oder auch wohl acht und vier-
zehen Tage hinter einander, ohne nach
Hause zu kommen, im Luder
herum weltzet, mit dem
Frauenzimmer in Gärten conversiret, mit ih-
nen ein
Lombergen spielet, alsdann ein Köppgen Caffee oben drauf setzet,
und wann alles dieses geendiget, zwar sehr vertraute, aber zu gleicher
Zeit recht tolle und liederliche
Discurse führet? so wird man gleich von
denen meisten Leuten die Antwort bekommen; Ach der liederliche Vogel ist
vor 6. und [7]. Jahren nicht anders gewesen, wird auch ein Bruder Sauff-
aus und
Huren-Teuffel bleiben, so lange er es praestiren kan. Ja, fah-
ren die Leute ferner fort, er wird das liederliche Leben nicht eher lassen,
biß er das bißgen Guth seiner Eltern wird völlig durch die Gurgel ge-
jaget haben. Alsdann wird er, wie es alle andere Schelme zu ma-
chen pflegen, zur Stadt und zum Lande hinaus lauffen, und zu guter
letzt noch einmal Juchhe! schreyen.

Die Moralisten nun nennen mit Recht eine solche pravam consuetudinem
alterum diabolum,
weil dadurch die leichtfertigen Menschen in ihrem Vorur-
theil der Hartnäckigkeit verstärcket, und endlich fast auf keinerley Art und
Weise gebessert werden können. Denn weil ein solches Vorurtheil der bösen
Gewohnheit habitum peccandi induciret, detestandam vivendi licentiam
mit sich führet, so ist auch nachgehends bey einem solchem elenden, und biß in
den äussersten Grad verdorbenen Menschen, wie die Teutschen sonst im Sprich-
wort zu reden pflegen, Hopffen und Maltz verlohren. Hieher gehöret
absonderlich die unverantwortlichen Expressiones derer Philosophorum Ari-
stotelicorum,
wann sie aus einer vorgefasten Meynung der Hartnäckigkeit,
und alter bösen Gewohnheit sagen, sie könten doch nicht von der Mey-
nung ihres
Groß Vaters des Aristotelis lassen, wann gleich andere toll
und thöricht darüber werden solten.

Es ist dannenhero das gemeine Sprichwort gar richtig, wann man sa-
get; Consuetudo est altera natura, oder, wie der Poet singet: Naturam expel-

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ihrem boͤſen Leben fortfahren wollen, als wie ſie vor 10. und 20. Jahren ange-
fangen haben. Wann man z. E. fragt: Wie kommt es doch, daß dieſer
und jener Studente, dieſer und jener Kauff- und Handwercksmann,
den gantzen Tag nichts thut, als daß er die Steine auf der Gaſſen
zehlet, die Leute in
Fenſtern beſiehet und richtet, ſich auf denen Doͤrf-
fern vom Morgen biß in die Nacht, oder auch wohl acht und vier-
zehen Tage hinter einander, ohne nach
Hauſe zu kommen, im Luder
herum weltzet, mit dem
Frauenzimmer in Gaͤrten converſiret, mit ih-
nen ein
Lombergen ſpielet, alsdann ein Koͤppgen Caffée oben drauf ſetzet,
und wann alles dieſes geendiget, zwar ſehr vertraute, aber zu gleicher
Zeit recht tolle und liederliche
Diſcurſe fuͤhret? ſo wird man gleich von
denen meiſten Leuten die Antwort bekommen; Ach der liederliche Vogel iſt
vor 6. und [7]. Jahren nicht anders geweſen, wird auch ein Bruder Sauff-
aus und
Huren-Teuffel bleiben, ſo lange er es præſtiren kan. Ja, fah-
ren die Leute ferner fort, er wird das liederliche Leben nicht eher laſſen,
biß er das bißgen Guth ſeiner Eltern wird voͤllig durch die Gurgel ge-
jaget haben. Alsdann wird er, wie es alle andere Schelme zu ma-
chen pflegen, zur Stadt und zum Lande hinaus lauffen, und zu guter
letzt noch einmal Juchhe! ſchreyen.

Die Moraliſten nun nennen mit Recht eine ſolche pravam conſuetudinem
alterum diabolum,
weil dadurch die leichtfertigen Menſchen in ihrem Vorur-
theil der Hartnaͤckigkeit verſtaͤrcket, und endlich faſt auf keinerley Art und
Weiſe gebeſſert werden koͤnnen. Denn weil ein ſolches Vorurtheil der boͤſen
Gewohnheit habitum peccandi induciret, deteſtandam vivendi licentiam
mit ſich fuͤhret, ſo iſt auch nachgehends bey einem ſolchem elenden, und biß in
den aͤuſſerſten Grad verdorbenen Menſchen, wie die Teutſchen ſonſt im Sprich-
wort zu reden pflegen, Hopffen und Maltz verlohren. Hieher gehoͤret
abſonderlich die unverantwortlichen Expreſſiones derer Philoſophorum Ari-
ſtotelicorum,
wann ſie aus einer vorgefaſten Meynung der Hartnaͤckigkeit,
und alter boͤſen Gewohnheit ſagen, ſie koͤnten doch nicht von der Mey-
nung ihres
Groß Vaters des Ariſtotelis laſſen, wann gleich andere toll
und thoͤricht daruͤber werden ſolten.

Es iſt dannenhero das gemeine Sprichwort gar richtig, wann man ſa-
get; Conſuetudo eſt altera natura, oder, wie der Poët ſinget: Naturam expel-

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[187/0231] ihrem boͤſen Leben fortfahren wollen, als wie ſie vor 10. und 20. Jahren ange- fangen haben. Wann man z. E. fragt: Wie kommt es doch, daß dieſer und jener Studente, dieſer und jener Kauff- und Handwercksmann, den gantzen Tag nichts thut, als daß er die Steine auf der Gaſſen zehlet, die Leute in Fenſtern beſiehet und richtet, ſich auf denen Doͤrf- fern vom Morgen biß in die Nacht, oder auch wohl acht und vier- zehen Tage hinter einander, ohne nach Hauſe zu kommen, im Luder herum weltzet, mit dem Frauenzimmer in Gaͤrten converſiret, mit ih- nen ein Lombergen ſpielet, alsdann ein Koͤppgen Caffée oben drauf ſetzet, und wann alles dieſes geendiget, zwar ſehr vertraute, aber zu gleicher Zeit recht tolle und liederliche Diſcurſe fuͤhret? ſo wird man gleich von denen meiſten Leuten die Antwort bekommen; Ach der liederliche Vogel iſt vor 6. und 7. Jahren nicht anders geweſen, wird auch ein Bruder Sauff- aus und Huren-Teuffel bleiben, ſo lange er es præſtiren kan. Ja, fah- ren die Leute ferner fort, er wird das liederliche Leben nicht eher laſſen, biß er das bißgen Guth ſeiner Eltern wird voͤllig durch die Gurgel ge- jaget haben. Alsdann wird er, wie es alle andere Schelme zu ma- chen pflegen, zur Stadt und zum Lande hinaus lauffen, und zu guter letzt noch einmal Juchhe! ſchreyen. Die Moraliſten nun nennen mit Recht eine ſolche pravam conſuetudinem alterum diabolum, weil dadurch die leichtfertigen Menſchen in ihrem Vorur- theil der Hartnaͤckigkeit verſtaͤrcket, und endlich faſt auf keinerley Art und Weiſe gebeſſert werden koͤnnen. Denn weil ein ſolches Vorurtheil der boͤſen Gewohnheit habitum peccandi induciret, deteſtandam vivendi licentiam mit ſich fuͤhret, ſo iſt auch nachgehends bey einem ſolchem elenden, und biß in den aͤuſſerſten Grad verdorbenen Menſchen, wie die Teutſchen ſonſt im Sprich- wort zu reden pflegen, Hopffen und Maltz verlohren. Hieher gehoͤret abſonderlich die unverantwortlichen Expreſſiones derer Philoſophorum Ari- ſtotelicorum, wann ſie aus einer vorgefaſten Meynung der Hartnaͤckigkeit, und alter boͤſen Gewohnheit ſagen, ſie koͤnten doch nicht von der Mey- nung ihres Groß Vaters des Ariſtotelis laſſen, wann gleich andere toll und thoͤricht daruͤber werden ſolten. Es iſt dannenhero das gemeine Sprichwort gar richtig, wann man ſa- get; Conſuetudo eſt altera natura, oder, wie der Poët ſinget: Naturam expel- las A a 2

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Zitationshilfe: Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/231>, abgerufen am 22.11.2024.