dente, wie jener Hund, welchem man den Schwantz wider Vermuthen abge- hacket, gantz betrübt nach Hause gegangen.
Auch wird zu einer rechtschaffenen und vertrauten Aufführung vornemlich Communicatio rerum & verborum erfordert, d. i. es muß ein guter Freund dem andern in zweiffelhafften Sachen aufrichtig rathen, in schweren Dingen realiter helffen, in widerwärtigen Sachen aber nachdrücklich und nach Vermö- gen trösten, weil der Zweck einer aufrichtigen Conversation dahin gehen solle, daß man nicht allein eine wahre Freundschafft auf ein Jahr und etliche Wo- chen einzugehen suche, sondern auch dieselbe so lange als man lebet auf die mög- lichste Art und Weise zu erhalten trachte. Dahero ist dieses eine rechte Schma- rotzer-Conduite, wann etliche Sauff-Brüder in der Conversation gegen einan- der sagen: Ich bin des Herrn sein schuldigster, sein gantz ergebenster, und (o Judicium) sein unterthänigster Diener. Der Herr gebe mir nur Gelegenheit an die Hand, womit ich ihm dienen könne. Allein wann die Noth an Mann gehet, und die Ochsen, so zu reden am Berge stehen, so ist weder der ergebenste, weder der schuldigste, noch der unterthänigste Diener zu Hause. Da heist es wohl recht nach dem bekannten Vers: Donec eris felix, multos numerabis amicos; tempora si fuerint nubila, solus eris.; das ist: So lan- ge als du glücklich bist, wirst du viele gute Freunde zehlen können; dich aber gantz allein befinden, daferne betrübte Zeiten einfallen. Ich ha- be diese Materie von der Conduite allhier mit Fleiß etwas weitläufftig und nachdrücklich anführen wollen, weil nicht allein die meisten und gemeinsten Fehler in der Conversation begangen, sondern auch die liederlichsten und leichtfertigsten Vögel und Sau-Mägen in dem gemeinen Umgang meistentheils als Compagnons, erzehlet werden, von welchen man nichts als Zotten und Possen, lustige Räncke und leichtfertige Tücken, nicht aber etwas gescheutes und nützliches erlernen kan.
Noch eine Ursache, welche endlich bey dem Menschen viele wunderliche und unnütze Principia erwecket, auch die einmal eingesogenen Meynungen in ihrem Esse gleichsam conserviret, ist die alte und böse Gewohnheit, daß die einmahl von vielen Vorurtheilen bezauberten Menschen sich nicht bessern, ob sie gleich die gröste Raison hätten, sich in der Zeit viel klüger und gescheuter aufzuführen. Es ist aber das Vorurtheil der bösen Gewohnheit nichts an- ders, als ein eingewurtzelter Fehler des verkehrten Willens, da die Leute in
ihrem
dente, wie jener Hund, welchem man den Schwantz wider Vermuthen abge- hacket, gantz betruͤbt nach Hauſe gegangen.
Auch wird zu einer rechtſchaffenen und vertrauten Auffuͤhrung vornemlich Communicatio rerum & verborum erfordert, d. i. es muß ein guter Freund dem andern in zweiffelhafften Sachen aufrichtig rathen, in ſchweren Dingen realiter helffen, in widerwaͤrtigen Sachen aber nachdruͤcklich und nach Vermoͤ- gen troͤſten, weil der Zweck einer aufrichtigen Converſation dahin gehen ſolle, daß man nicht allein eine wahre Freundſchafft auf ein Jahr und etliche Wo- chen einzugehen ſuche, ſondern auch dieſelbe ſo lange als man lebet auf die moͤg- lichſte Art und Weiſe zu erhalten trachte. Dahero iſt dieſes eine rechte Schma- rotzer-Conduite, wann etliche Sauff-Bruͤder in der Converſation gegen einan- der ſagen: Ich bin des Herrn ſein ſchuldigſter, ſein gantz ergebenſter, und (ô Judicium) ſein unterthaͤnigſter Diener. Der Herr gebe mir nur Gelegenheit an die Hand, womit ich ihm dienen koͤnne. Allein wann die Noth an Mann gehet, und die Ochſen, ſo zu reden am Berge ſtehen, ſo iſt weder der ergebenſte, weder der ſchuldigſte, noch der unterthaͤnigſte Diener zu Hauſe. Da heiſt es wohl recht nach dem bekannten Vers: Donec eris felix, multos numerabis amicos; tempora ſi fuerint nubila, ſolus eris.; das iſt: So lan- ge als du gluͤcklich biſt, wirſt du viele gute Freunde zehlen koͤnnen; dich aber gantz allein befinden, daferne betruͤbte Zeiten einfallen. Ich ha- be dieſe Materie von der Conduite allhier mit Fleiß etwas weitlaͤufftig und nachdruͤcklich anfuͤhren wollen, weil nicht allein die meiſten und gemeinſten Fehler in der Converſation begangen, ſondern auch die liederlichſten und leichtfertigſten Voͤgel und Sau-Maͤgen in dem gemeinen Umgang meiſtentheils als Compagnons, erzehlet werden, von welchen man nichts als Zotten und Poſſen, luſtige Raͤncke und leichtfertige Tuͤcken, nicht aber etwas geſcheutes und nuͤtzliches erlernen kan.
Noch eine Urſache, welche endlich bey dem Menſchen viele wunderliche und unnuͤtze Principia erwecket, auch die einmal eingeſogenen Meynungen in ihrem Eſſe gleichſam conſerviret, iſt die alte und boͤſe Gewohnheit, daß die einmahl von vielen Vorurtheilen bezauberten Menſchen ſich nicht beſſern, ob ſie gleich die groͤſte Raiſon haͤtten, ſich in der Zeit viel kluͤger und geſcheuter aufzufuͤhren. Es iſt aber das Vorurtheil der boͤſen Gewohnheit nichts an- ders, als ein eingewurtzelter Fehler des verkehrten Willens, da die Leute in
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[186/0230]
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Auch wird zu einer rechtſchaffenen und vertrauten Auffuͤhrung vornemlich
Communicatio rerum & verborum erfordert, d. i. es muß ein guter Freund
dem andern in zweiffelhafften Sachen aufrichtig rathen, in ſchweren Dingen
realiter helffen, in widerwaͤrtigen Sachen aber nachdruͤcklich und nach Vermoͤ-
gen troͤſten, weil der Zweck einer aufrichtigen Converſation dahin gehen ſolle,
daß man nicht allein eine wahre Freundſchafft auf ein Jahr und etliche Wo-
chen einzugehen ſuche, ſondern auch dieſelbe ſo lange als man lebet auf die moͤg-
lichſte Art und Weiſe zu erhalten trachte. Dahero iſt dieſes eine rechte Schma-
rotzer-Conduite, wann etliche Sauff-Bruͤder in der Converſation gegen einan-
der ſagen: Ich bin des Herrn ſein ſchuldigſter, ſein gantz ergebenſter,
und (ô Judicium) ſein unterthaͤnigſter Diener. Der Herr gebe mir nur
Gelegenheit an die Hand, womit ich ihm dienen koͤnne. Allein wann die
Noth an Mann gehet, und die Ochſen, ſo zu reden am Berge ſtehen, ſo iſt weder
der ergebenſte, weder der ſchuldigſte, noch der unterthaͤnigſte Diener zu Hauſe.
Da heiſt es wohl recht nach dem bekannten Vers: Donec eris felix, multos
numerabis amicos; tempora ſi fuerint nubila, ſolus eris.; das iſt: So lan-
ge als du gluͤcklich biſt, wirſt du viele gute Freunde zehlen koͤnnen; dich
aber gantz allein befinden, daferne betruͤbte Zeiten einfallen. Ich ha-
be dieſe Materie von der Conduite allhier mit Fleiß etwas weitlaͤufftig und
nachdruͤcklich anfuͤhren wollen, weil nicht allein die meiſten und gemeinſten
Fehler in der Converſation begangen, ſondern auch die liederlichſten und
leichtfertigſten Voͤgel und Sau-Maͤgen in dem gemeinen Umgang meiſtentheils
als Compagnons, erzehlet werden, von welchen man nichts als Zotten und
Poſſen, luſtige Raͤncke und leichtfertige Tuͤcken, nicht aber etwas geſcheutes
und nuͤtzliches erlernen kan.
Noch eine Urſache, welche endlich bey dem Menſchen viele wunderliche
und unnuͤtze Principia erwecket, auch die einmal eingeſogenen Meynungen in
ihrem Eſſe gleichſam conſerviret, iſt die alte und boͤſe Gewohnheit, daß die
einmahl von vielen Vorurtheilen bezauberten Menſchen ſich nicht beſſern, ob
ſie gleich die groͤſte Raiſon haͤtten, ſich in der Zeit viel kluͤger und geſcheuter
aufzufuͤhren. Es iſt aber das Vorurtheil der boͤſen Gewohnheit nichts an-
ders, als ein eingewurtzelter Fehler des verkehrten Willens, da die Leute in
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Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/230>, abgerufen am 17.07.2024.
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