Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729.gen. Mir gefällt deswegen wohl, was der allgemeine Nachrichter derer Ge- Nach der Auferziehung folget der Umgang sowohl mit gelehrten als unge- Fecht-
gen. Mir gefaͤllt deswegen wohl, was der allgemeine Nachrichter derer Ge- Nach der Auferziehung folget der Umgang ſowohl mit gelehrten als unge- Fecht-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0228" n="184"/> gen. Mir gefaͤllt deswegen wohl, was der allgemeine Nachrichter derer Ge-<lb/> lehrten, <hi rendition="#aq">Scioppius,</hi> von dieſer verkehrten Art derer Leute gar artig in ſeinem<lb/> Regenten-Spiegel urtheilet. Er ſpricht nehmlich: <hi rendition="#fr">Wolte ich mich zu dem<lb/> Bauer auf das Land begeben, ſo finde ich da nichts als lauter Floͤhe<lb/> und Laͤuſe. Wolteich mich aber zu denen Gelehrten machen, ſo treffe<lb/> ich unter ihnen eine greuliche Menge Narren und</hi> <hi rendition="#aq">Pedan</hi><hi rendition="#fr">ten an.</hi> <hi rendition="#aq">Igitur<lb/> quorſum? ad Deum, quia ibi fons & origo omnis boni deprehenditur</hi>.</p><lb/> <p>Nach der Auferziehung folget der Umgang ſowohl mit gelehrten als unge-<lb/> lehrten Leuten. Heut zu Tage nennet man es insgemein eine <hi rendition="#aq">Conduite,</hi> welche um<lb/> ſo viel eher <hi rendition="#aq">obſervi</hi>ret werden muß, jemehr bekannt iſt, daß dieſelbe eine auſſeror-<lb/> dentliche Gelegenheit derer ſchaͤndlichſten und verderblichſten Vorurtheile ſeyn<lb/> koͤnne, auch vielmal in der That geweſen iſt. Denn indem wir uns bemuͤhen, de-<lb/> nen Sitten anderer Leute, welche uns in die Augen leuchten, nachzuaͤffen, ſo fol-<lb/> get, ſo viel daraus, daß wann wir mit Ehrgeitzigen, Geldgeitzigen, Verliebten,<lb/> Eigenſinnigen und Stoͤckiſchen umgehen, wir ſelber vielmals wider unſer <hi rendition="#aq">Na-<lb/> turel</hi> ehrgeitzig, verliebt, geldgeitzig, eigenſinnig und ſtoͤckiſch werden muͤſſen.<lb/> Sind aber die Leute mit welchen wir zu <hi rendition="#aq">converſi</hi>ren gewohnet ſind andaͤchtig,<lb/> bedaͤchtig, freygebig, beſcheiden, hoͤflich und artig, ſo bemuͤhen wir uns eben-<lb/> falls, im gemeinen Leben, andaͤchtig, bedaͤchtig, freygebig, beſcheiden, hoͤflich, und<lb/> artig, und von groſſem Nachdencken zu werden. Es haben dannenhero<lb/> die heutigen <hi rendition="#aq">Politici</hi> nicht unrecht, wann ſie den gantzen Menſchen aus ſeiner<lb/> Auffuͤhrung beurtheilen wollen, weil doch ein jeglicher in der <hi rendition="#aq">Conduite</hi> zeigen<lb/> muß, was er in der That verſtehe und gelernet habe. Fuͤhret fich nun einer<lb/> in ſeinem Leben ſaͤuiſch, unflaͤtiſch, oder wie ein <hi rendition="#aq">Magiſter Suum</hi> und anderer<lb/> Stuͤcktoͤffel auf, ſo muͤſſen ihn auch alle geſcheite Leute vor einen unflaͤtigen,<lb/> ſaͤuiſchen und haͤßlichen Menſchen halten, wann er gleich darwider mit Haͤn-<lb/> den und Fuͤſſen ſtrampeln, ja ſich gar daruͤber die Krauße entzwey reiſſen wolte.<lb/> Dahero halte ich das <hi rendition="#aq">Judicium</hi> jenes ſcharffſinnigen <hi rendition="#aq">Philoſophi</hi> vor richtig, wann<lb/> er ſpricht: H<hi rendition="#fr">alb ſtudirt, und eine gute</hi> <hi rendition="#aq">Conduite,</hi> <hi rendition="#fr">hilfft durch die gantze<lb/> Welt.</hi> Denn wann einer gleich gelehrter als <hi rendition="#aq">Socrates,</hi> von <hi rendition="#aq">Statur</hi> groͤſſer<lb/> als Goliath waͤre, mehrere Gedancken in ſeinen krummen Beinen als <hi rendition="#aq">Archi-<lb/> medes</hi> in ſeinem Kopff fuͤhrte, weit erſchrecklichere <hi rendition="#aq">Metaphyſi</hi>ſche <hi rendition="#aq">Diſtinctio-<lb/> nes, pro & contra Diviſiones</hi> in ſeinem Gehirne, als etwa die alten Spittel-<lb/> Muͤttergen Floͤhe in ihren Lumpichten Peltzen hegte, ein weit graͤmiſchers und<lb/> tyranniſchers Geſichte als der bucklichte <hi rendition="#aq">Ariſtoteles,</hi> und der breitſchultrichte<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Fecht-</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [184/0228]
gen. Mir gefaͤllt deswegen wohl, was der allgemeine Nachrichter derer Ge-
lehrten, Scioppius, von dieſer verkehrten Art derer Leute gar artig in ſeinem
Regenten-Spiegel urtheilet. Er ſpricht nehmlich: Wolte ich mich zu dem
Bauer auf das Land begeben, ſo finde ich da nichts als lauter Floͤhe
und Laͤuſe. Wolteich mich aber zu denen Gelehrten machen, ſo treffe
ich unter ihnen eine greuliche Menge Narren und Pedanten an. Igitur
quorſum? ad Deum, quia ibi fons & origo omnis boni deprehenditur.
Nach der Auferziehung folget der Umgang ſowohl mit gelehrten als unge-
lehrten Leuten. Heut zu Tage nennet man es insgemein eine Conduite, welche um
ſo viel eher obſerviret werden muß, jemehr bekannt iſt, daß dieſelbe eine auſſeror-
dentliche Gelegenheit derer ſchaͤndlichſten und verderblichſten Vorurtheile ſeyn
koͤnne, auch vielmal in der That geweſen iſt. Denn indem wir uns bemuͤhen, de-
nen Sitten anderer Leute, welche uns in die Augen leuchten, nachzuaͤffen, ſo fol-
get, ſo viel daraus, daß wann wir mit Ehrgeitzigen, Geldgeitzigen, Verliebten,
Eigenſinnigen und Stoͤckiſchen umgehen, wir ſelber vielmals wider unſer Na-
turel ehrgeitzig, verliebt, geldgeitzig, eigenſinnig und ſtoͤckiſch werden muͤſſen.
Sind aber die Leute mit welchen wir zu converſiren gewohnet ſind andaͤchtig,
bedaͤchtig, freygebig, beſcheiden, hoͤflich und artig, ſo bemuͤhen wir uns eben-
falls, im gemeinen Leben, andaͤchtig, bedaͤchtig, freygebig, beſcheiden, hoͤflich, und
artig, und von groſſem Nachdencken zu werden. Es haben dannenhero
die heutigen Politici nicht unrecht, wann ſie den gantzen Menſchen aus ſeiner
Auffuͤhrung beurtheilen wollen, weil doch ein jeglicher in der Conduite zeigen
muß, was er in der That verſtehe und gelernet habe. Fuͤhret fich nun einer
in ſeinem Leben ſaͤuiſch, unflaͤtiſch, oder wie ein Magiſter Suum und anderer
Stuͤcktoͤffel auf, ſo muͤſſen ihn auch alle geſcheite Leute vor einen unflaͤtigen,
ſaͤuiſchen und haͤßlichen Menſchen halten, wann er gleich darwider mit Haͤn-
den und Fuͤſſen ſtrampeln, ja ſich gar daruͤber die Krauße entzwey reiſſen wolte.
Dahero halte ich das Judicium jenes ſcharffſinnigen Philoſophi vor richtig, wann
er ſpricht: Halb ſtudirt, und eine gute Conduite, hilfft durch die gantze
Welt. Denn wann einer gleich gelehrter als Socrates, von Statur groͤſſer
als Goliath waͤre, mehrere Gedancken in ſeinen krummen Beinen als Archi-
medes in ſeinem Kopff fuͤhrte, weit erſchrecklichere Metaphyſiſche Diſtinctio-
nes, pro & contra Diviſiones in ſeinem Gehirne, als etwa die alten Spittel-
Muͤttergen Floͤhe in ihren Lumpichten Peltzen hegte, ein weit graͤmiſchers und
tyranniſchers Geſichte als der bucklichte Ariſtoteles, und der breitſchultrichte
Fecht-
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