Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729.wissen kan, ob es genug gefressen hat, biß ihm das Futter an die Kähle gestie- Man siehet solches sonderlich an denen eigensinnigen Grillen, und wun- Ehe ich mich noch von dem Vorurtheil der Auferziehung wende, so muß ich dens,
wiſſen kan, ob es genug gefreſſen hat, biß ihm das Futter an die Kaͤhle geſtie- Man ſiehet ſolches ſonderlich an denen eigenſinnigen Grillen, und wun- Ehe ich mich noch von dem Vorurtheil der Auferziehung wende, ſo muß ich dens,
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0226" n="182"/> wiſſen kan, ob es genug gefreſſen hat, biß ihm das Futter an die Kaͤhle geſtie-<lb/> gen, ja ſo zu reden beym Ruͤſſel wieder hervor raget. Was aber die Kraͤffte<lb/> unſers Leibes <hi rendition="#aq">conſervi</hi>ret, oder daß ich ſo reden mag, in ſeinem baulichen We-<lb/> ſen erhaͤlt, und die edlen Gaben unſers Verſtandes entweder <hi rendition="#aq">excoli</hi>ret, oder<lb/> in einen gebeſſerten Zuſtand ſetzet, daſſelbe, gehoͤret alles zu der geſchickten Art<lb/> einer vernuͤnfftigen Auferziehung, weil wir dadurch die gemeinen Vorurtheile<lb/> vermeiden, auf unſere eigene Erkaͤnntniß gefuͤhret, und die Art, uns ſelbſt<lb/> alle Tage zu beſſern, gar leichte lernen koͤnnen. Dahero halte ich dieſes, nach<lb/> meinem wenigen Erachten, vor eine allgemeine Regel: <hi rendition="#aq">Quod</hi>, <hi rendition="#aq">qualis ſit mo-<lb/> dus educandi, talis quoque ſit modus vivendi;</hi> das iſt: <hi rendition="#fr">Wie einer erzogen<lb/> worden iſt, ſo pfleget er auch hernachmahls beſtaͤndig zu leben.</hi></p><lb/> <p>Man ſiehet ſolches ſonderlich an denen eigenſinnigen Grillen, und wun-<lb/> derlichen Koͤpffen, welche eine eintzige Fliege an der Wand beleidigen, und eine<lb/> eintzige <hi rendition="#aq">Mine</hi> das gantze <hi rendition="#aq">Concept</hi> wider aller Leute Vermuthen verruͤcken kan.<lb/> Fraget man, woher doch ſolches komme, und was wohl die eigentliche Urſa-<lb/> che einer ſolchen wunderlichen <hi rendition="#aq">Conduite</hi> ſeyn mag? ſo iſt die <hi rendition="#aq">Raiſon</hi> gar leich-<lb/> te zu geben, weil der Vater, oder der <hi rendition="#aq">Præceptor,</hi> oder der <hi rendition="#aq">Rector,</hi> eben ein<lb/> ſolcher wunderlicher Heiliger, als wie jetzo der Sohn geweſen iſt; wovon dann<lb/> der Sohn, oder der <hi rendition="#aq">Diſcipul,</hi> ein ſolches eigenſinniges Weſen wider ſein Ver-<lb/> mercken nach und nach gelernet, und ſich halsſtarrig zu leben angewoͤhnet hat.<lb/> Dieweil uns aber, in der Auferziehung, entweder ein gutes oder boͤſes Exempel<lb/> zur Nachfolge, wie ich zuvor gemeldet, gegeben wird, ſo kan es unmoͤglich anders<lb/> kommen, als das verderbte Eltern und verderbte <hi rendition="#aq">Præceptores,</hi> ihre Untergebene<lb/> noch mehr verderben muͤſſen; zumalen, da ein jeglicher Sohn und Schuͤler von<lb/> ſeinem Vater und <hi rendition="#aq">Præceptor</hi> das falſche <hi rendition="#aq">Concept</hi> heget, daß alles, was ſie<lb/> thaͤten, dieſelben nothwendig <hi rendition="#aq">in praxi imiti</hi>ren muͤſten.</p><lb/> <p>Ehe ich mich noch von dem Vorurtheil der Auferziehung wende, ſo muß ich<lb/> noch einige handgreiffliche Irrthuͤmer anmercken, welche die Eltern insgemein<lb/> in der Auferziehung mit ihren Kindern zu begehen pflegen. Hieher gehoͤret<lb/> vornemlich der grobe Schnuͤtzer etlicher Eltern, da ſie vorgeben, daß ihre Kin-<lb/> der von Natur, und zwar im Mutterleibe, zu einem gewiſſen <hi rendition="#aq">Studio</hi> vom<lb/> Himmel gleichſam <hi rendition="#aq">prædeſtini</hi>ret worden waͤren. Sie ſchlieſſen gemeiniglich,<lb/> wann der Vater und Groß-Vater ein <hi rendition="#aq">Paſtor paganus. Diaconus, Superinten-<lb/> dens, Advocatus</hi> oder <hi rendition="#aq">Medicus</hi> geweſen iſt, ſo haͤtte es auch ſeine unſtreitige<lb/> Richtigkeit, daß der Sohn ebenfalls ein <hi rendition="#aq">Paſtor paganus, Diaconus, Superinten-</hi><lb/> <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">dens,</hi></fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [182/0226]
wiſſen kan, ob es genug gefreſſen hat, biß ihm das Futter an die Kaͤhle geſtie-
gen, ja ſo zu reden beym Ruͤſſel wieder hervor raget. Was aber die Kraͤffte
unſers Leibes conſerviret, oder daß ich ſo reden mag, in ſeinem baulichen We-
ſen erhaͤlt, und die edlen Gaben unſers Verſtandes entweder excoliret, oder
in einen gebeſſerten Zuſtand ſetzet, daſſelbe, gehoͤret alles zu der geſchickten Art
einer vernuͤnfftigen Auferziehung, weil wir dadurch die gemeinen Vorurtheile
vermeiden, auf unſere eigene Erkaͤnntniß gefuͤhret, und die Art, uns ſelbſt
alle Tage zu beſſern, gar leichte lernen koͤnnen. Dahero halte ich dieſes, nach
meinem wenigen Erachten, vor eine allgemeine Regel: Quod, qualis ſit mo-
dus educandi, talis quoque ſit modus vivendi; das iſt: Wie einer erzogen
worden iſt, ſo pfleget er auch hernachmahls beſtaͤndig zu leben.
Man ſiehet ſolches ſonderlich an denen eigenſinnigen Grillen, und wun-
derlichen Koͤpffen, welche eine eintzige Fliege an der Wand beleidigen, und eine
eintzige Mine das gantze Concept wider aller Leute Vermuthen verruͤcken kan.
Fraget man, woher doch ſolches komme, und was wohl die eigentliche Urſa-
che einer ſolchen wunderlichen Conduite ſeyn mag? ſo iſt die Raiſon gar leich-
te zu geben, weil der Vater, oder der Præceptor, oder der Rector, eben ein
ſolcher wunderlicher Heiliger, als wie jetzo der Sohn geweſen iſt; wovon dann
der Sohn, oder der Diſcipul, ein ſolches eigenſinniges Weſen wider ſein Ver-
mercken nach und nach gelernet, und ſich halsſtarrig zu leben angewoͤhnet hat.
Dieweil uns aber, in der Auferziehung, entweder ein gutes oder boͤſes Exempel
zur Nachfolge, wie ich zuvor gemeldet, gegeben wird, ſo kan es unmoͤglich anders
kommen, als das verderbte Eltern und verderbte Præceptores, ihre Untergebene
noch mehr verderben muͤſſen; zumalen, da ein jeglicher Sohn und Schuͤler von
ſeinem Vater und Præceptor das falſche Concept heget, daß alles, was ſie
thaͤten, dieſelben nothwendig in praxi imitiren muͤſten.
Ehe ich mich noch von dem Vorurtheil der Auferziehung wende, ſo muß ich
noch einige handgreiffliche Irrthuͤmer anmercken, welche die Eltern insgemein
in der Auferziehung mit ihren Kindern zu begehen pflegen. Hieher gehoͤret
vornemlich der grobe Schnuͤtzer etlicher Eltern, da ſie vorgeben, daß ihre Kin-
der von Natur, und zwar im Mutterleibe, zu einem gewiſſen Studio vom
Himmel gleichſam prædeſtiniret worden waͤren. Sie ſchlieſſen gemeiniglich,
wann der Vater und Groß-Vater ein Paſtor paganus. Diaconus, Superinten-
dens, Advocatus oder Medicus geweſen iſt, ſo haͤtte es auch ſeine unſtreitige
Richtigkeit, daß der Sohn ebenfalls ein Paſtor paganus, Diaconus, Superinten-
dens,
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