schweren Regiments-Last beladen lassen könten, daß sie auch ihrem Hochmuth und Ehrgeitz Maaß und Ziel zu setzen wüsten, und nicht mehr aufgeladen haben wolten, als sie sehen, daß ihre Schultern er- tragen können. Aber es wird aus gerechtem Gerichte GOttes denen Menschen die unersättliche Gierigkeit von Natur angebohren, daß sie sich die gantze Zeit ihres Lebens ängstigen und bemühen, und in- dem sie alles zu sich raffen und an sich ziehen wollen, endlich mit ihrem Schaden gewahr werden, daß sie alle Mühe und Arbeit verlohren, und umsonst sich bemühet haben. Daher nun kommet es, daß in de- nen 1600. Jahren, währender welcher Zeit ich in der Landschafft Arcadiaein Schäffer gewesen bin, meine Heerde niemalen sich über 600. erstrecket, und weil mir dieselbe alle Jahre richtig und gewiß, eben so viele Thaler eingetragen, bin ich jederzeit vor den allerglückseligsten Schäfer dieses Landes gehalten worden. Um dieser Ursachen willen habe ich niemahln viel von denen Hirten gehalten, so aus blossem Geitz viele Heerden Schaafe haben wollen, und auf einen Tag da- mit reich zu werden vermeynen, dieweil das Auge des rechten Herrn welches die Schaafe fett machet, nicht auf alle Achtung geben kan, da- her er sich öffters genöthiget siehet, solche liederlichen und unachtsamen Miedlingen zu vertrauen, oder wohl gar anderen zu verleyhen, welche dann die Schaafe über ihr Vermögen zu pressen, ja das Marck aus de- nen Beinen zu saugen pflegen, und sich wenig bekümmern, wann sie nur ihren N[u]tzen und Gewinn haben, es gehe denen Schaafen wie es wolle. Es haben aber unter uns Hirten sich auch des grossenAlexanders gleich enbefunden, welcher sich nicht gescheuet von dem Allmächtigen GOtt zu begehren, mehr Welten zu erschaffen, damit er seinen Ehr- geitz durch deren Eroberung sattigen könne. Sonderlich aber ist in die- ser LandschafftArcadiaeiner, NamensMenalcas,mein ewiger Todt- feind gewesen, welcher jederzeit dahin getrachtet, wie er eine grössere quantitaetSchaafe, als ich, zu wege bringen möge. Er ließ sich dero- halben an 600. die er hatte, nicht begnügen, sondern, damit er über al- le andere Schäfer herrschen möchte, entlehnte er das Geld, verkauffte darzu den grösten Theil seiner Güther, und nachdem er eine ansehnli- che Summa zusammen gebracht, ließ er aus Spanien, Engeland und Franckreich, an welchen Orten er wuste, daß die beste Wolle ist, mit schweren Unkosten drey Heerden Schaafe kommen, jede von 500.
Stü-
ſchweren Regiments-Laſt beladen laſſen koͤnten, daß ſie auch ihrem Hochmuth und Ehrgeitz Maaß und Ziel zu ſetzen wuͤſten, und nicht mehr aufgeladen haben wolten, als ſie ſehen, daß ihre Schultern er- tragen koͤnnen. Aber es wird aus gerechtem Gerichte GOttes denen Menſchen die unerſaͤttliche Gierigkeit von Natur angebohren, daß ſie ſich die gantze Zeit ihres Lebens aͤngſtigen und bemuͤhen, und in- dem ſie alles zu ſich raffen und an ſich ziehen wollen, endlich mit ihrem Schaden gewahr werden, daß ſie alle Muͤhe und Arbeit verlohren, und umſonſt ſich bemuͤhet haben. Daher nun kommet es, daß in de- nen 1600. Jahren, waͤhrender welcher Zeit ich in der Landſchafft Arcadiaein Schaͤffer geweſen bin, meine Heerde niemalen ſich uͤber 600. erſtrecket, und weil mir dieſelbe alle Jahre richtig und gewiß, eben ſo viele Thaler eingetragen, bin ich jederzeit vor den allergluͤckſeligſten Schaͤfer dieſes Landes gehalten worden. Um dieſer Urſachen willen habe ich niemahln viel von denen Hirten gehalten, ſo aus bloſſem Geitz viele Heerden Schaafe haben wollen, und auf einen Tag da- mit reich zu werden vermeynen, dieweil das Auge des rechten Herrn welches die Schaafe fett machet, nicht auf alle Achtung geben kan, da- her er ſich oͤffters genoͤthiget ſiehet, ſolche liederlichen und unachtſamen Miedlingen zu vertrauen, oder wohl gar anderen zu verleyhen, welche dann die Schaafe uͤber ihr Vermoͤgen zu preſſen, ja das Marck aus de- nen Beinen zu ſaugen pflegen, und ſich wenig bekuͤmmern, wann ſie nur ihren N[u]tzen und Gewinn haben, es gehe denen Schaafen wie es wolle. Es haben aber unter uns Hirten ſich auch des groſſenAlexanders gleich enbefunden, welcher ſich nicht geſcheuet von dem Allmaͤchtigen GOtt zu begehren, mehr Welten zu erſchaffen, damit er ſeinen Ehr- geitz durch deren Eroberung ſattigen koͤnne. Sonderlich aber iſt in die- ſer LandſchafftArcadiaeiner, NamensMenalcas,mein ewiger Todt- feind geweſen, welcher jederzeit dahin getrachtet, wie er eine groͤſſere quantitætSchaafe, als ich, zu wege bringen moͤge. Er ließ ſich dero- halben an 600. die er hatte, nicht begnuͤgen, ſondern, damit er uͤber al- le andere Schaͤfer herrſchen moͤchte, entlehnte er das Geld, verkauffte darzu den groͤſten Theil ſeiner Guͤther, und nachdem er eine anſehnli- che Summa zuſammen gebracht, ließ er aus Spanien, Engeland und Franckreich, an welchen Orten er wuſte, daß die beſte Wolle iſt, mit ſchweren Unkoſten drey Heerden Schaafe kommen, jede von 500.
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mehr aufgeladen haben wolten, als ſie ſehen, daß ihre Schultern er-
tragen koͤnnen. Aber es wird aus gerechtem Gerichte GOttes denen
Menſchen die unerſaͤttliche Gierigkeit von Natur angebohren, daß
ſie ſich die gantze Zeit ihres Lebens aͤngſtigen und bemuͤhen, und in-
dem ſie alles zu ſich raffen und an ſich ziehen wollen, endlich mit ihrem
Schaden gewahr werden, daß ſie alle Muͤhe und Arbeit verlohren,
und umſonſt ſich bemuͤhet haben. Daher nun kommet es, daß in de-
nen 1600. Jahren, waͤhrender welcher Zeit ich in der Landſchafft
Arcadia ein Schaͤffer geweſen bin, meine Heerde niemalen ſich uͤber 600.
erſtrecket, und weil mir dieſelbe alle Jahre richtig und gewiß, eben ſo
viele Thaler eingetragen, bin ich jederzeit vor den allergluͤckſeligſten
Schaͤfer dieſes Landes gehalten worden. Um dieſer Urſachen willen
habe ich niemahln viel von denen Hirten gehalten, ſo aus bloſſem
Geitz viele Heerden Schaafe haben wollen, und auf einen Tag da-
mit reich zu werden vermeynen, dieweil das Auge des rechten Herrn
welches die Schaafe fett machet, nicht auf alle Achtung geben kan, da-
her er ſich oͤffters genoͤthiget ſiehet, ſolche liederlichen und unachtſamen
Miedlingen zu vertrauen, oder wohl gar anderen zu verleyhen, welche
dann die Schaafe uͤber ihr Vermoͤgen zu preſſen, ja das Marck aus de-
nen Beinen zu ſaugen pflegen, und ſich wenig bekuͤmmern, wann ſie
nur ihren Nutzen und Gewinn haben, es gehe denen Schaafen wie es
wolle. Es haben aber unter uns Hirten ſich auch des groſſen Alexanders
gleich enbefunden, welcher ſich nicht geſcheuet von dem Allmaͤchtigen
GOtt zu begehren, mehr Welten zu erſchaffen, damit er ſeinen Ehr-
geitz durch deren Eroberung ſattigen koͤnne. Sonderlich aber iſt in die-
ſer Landſchafft Arcadia einer, Namens Menalcas, mein ewiger Todt-
feind geweſen, welcher jederzeit dahin getrachtet, wie er eine groͤſſere
quantitæt Schaafe, als ich, zu wege bringen moͤge. Er ließ ſich dero-
halben an 600. die er hatte, nicht begnuͤgen, ſondern, damit er uͤber al-
le andere Schaͤfer herrſchen moͤchte, entlehnte er das Geld, verkauffte
darzu den groͤſten Theil ſeiner Guͤther, und nachdem er eine anſehnli-
che Summa zuſammen gebracht, ließ er aus Spanien, Engeland und
Franckreich, an welchen Orten er wuſte, daß die beſte Wolle iſt, mit
ſchweren Unkoſten drey Heerden Schaafe kommen, jede von 500.
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Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/190>, abgerufen am 16.02.2025.
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