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Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729.

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wannenhero er sprach: Ich habe nie ein Thier gesehen, daß einem Men-
schen ähnlicher siehet als die Schwaben.

Ein abgeschmackter Pedant war bey einem zu Gaste, wolte sich gar höflich
stellen, und sagte zu dem, der ihn tractirte; Ich wolte dem Herrn gerne
etwas Gutes vorlegen; aber es ist nichts Gutes da.

Wieder ein Pedant, als ihm der Schneider ein Wammes gemachet,
und er ihn nicht bezahlen kunte, bate der Pedant, es solte ihm der Schneider das
Macher-Lohn borgen. Hierüber verlangte der Schneider eine Handschrifft,
weswegen sich der Pedant setzete und schriebe: Ich, Jobst Schütze bekenne
daß das Wamms meine ist, welches mir Meister Ehrhart gemachet.
Was das Macher-Lohn anbelanget, hat es seine gute Wege, und
wird sich wohl schicken.

Ein Philosophus war einstmals bey einem Fürsten an die Tafel geladen.
Als er sich einfande, wetzte er unter dem Gebet sein Messer auf denen Schuh-
Sohlen. Der Fürst fragte, wo er das gelernet hätte? und der Philosophus
antwortete, sein Messer schnitte nichts, also hätte er es nothwendig müs-
sen wetzen,
schnitte auch alsobald damit seine Nägel ab, und sagte zu dem Für-
sten: Siehe da! gnädigster Herr: wie es jetzo sowohl schneidet. Da ihn
aber der Fürst einen unhöflichen Grobian darauf schalte, auch sprach, ob er
nicht wisse und sähe, daß seine Fürstliche Tafel bereits zur Gnüge mit
Messern und Gabeln versehen seye?
versetzte der Philosophus: Gnädigster
Herr! Ich habe mich auf die
Philosophie und nicht auf Dero Hof-Possen
geleget.
Hierauf sagte der Fürst: Qui proficit in literis & deficit in mori-
bus, plus de ficit quam proficit,
Wer zunimmt im Studieren, und ab-
nimmt an guten Sitten, der lernet mehr hinter als vor sich.

Als ein Pastor einstmals im Sommer discuriren hörete, von einem Saal,
der eine feine durchgehende Lufft hatte, von wegen zweyer Thüren, die gegen
einander stunden, wolt er auch Philosophiren, wie die andern, und sagte, es
wäre kein Wunder, daß es im Winter so kalt wäre. Denn ein jeder be-
flisse sich die Wärme in seinem Hause zu behalten, vor der Kälte aber
verriegele man Thür und Thor, dergestalt, daß sie müsse auf der Gasse
bleiben.

Ein
L 3

wannenhero er ſprach: Ich habe nie ein Thier geſehen, daß einem Men-
ſchen aͤhnlicher ſiehet als die Schwaben.

Ein abgeſchmackter Pedant war bey einem zu Gaſte, wolte ſich gar hoͤflich
ſtellen, und ſagte zu dem, der ihn tractirte; Ich wolte dem Herrn gerne
etwas Gutes vorlegen; aber es iſt nichts Gutes da.

Wieder ein Pedant, als ihm der Schneider ein Wammes gemachet,
und er ihn nicht bezahlen kunte, bate der Pedant, es ſolte ihm der Schneider das
Macher-Lohn borgen. Hieruͤber verlangte der Schneider eine Handſchrifft,
weswegen ſich der Pedant ſetzete und ſchriebe: Ich, Jobſt Schuͤtze bekenne
daß das Wamms meine iſt, welches mir Meiſter Ehrhart gemachet.
Was das Macher-Lohn anbelanget, hat es ſeine gute Wege, und
wird ſich wohl ſchicken.

Ein Philoſophus war einſtmals bey einem Fuͤrſten an die Tafel geladen.
Als er ſich einfande, wetzte er unter dem Gebet ſein Meſſer auf denen Schuh-
Sohlen. Der Fuͤrſt fragte, wo er das gelernet haͤtte? und der Philoſophus
antwortete, ſein Meſſer ſchnitte nichts, alſo haͤtte er es nothwendig muͤſ-
ſen wetzen,
ſchnitte auch alſobald damit ſeine Naͤgel ab, und ſagte zu dem Fuͤr-
ſten: Siehe da! gnaͤdigſter Herr: wie es jetzo ſowohl ſchneidet. Da ihn
aber der Fuͤrſt einen unhoͤflichen Grobian darauf ſchalte, auch ſprach, ob er
nicht wiſſe und ſaͤhe, daß ſeine Fuͤrſtliche Tafel bereits zur Gnuͤge mit
Meſſern und Gabeln verſehen ſeye?
verſetzte der Philoſophus: Gnaͤdigſter
Herr! Ich habe mich auf die
Philoſophie und nicht auf Dero Hof-Poſſen
geleget.
Hierauf ſagte der Fuͤrſt: Qui proficit in literis & deficit in mori-
bus, plus de ficit quam proficit,
Wer zunimmt im Studieren, und ab-
nimmt an guten Sitten, der lernet mehr hinter als vor ſich.

Als ein Paſtor einſtmals im Sommer diſcuriren hoͤrete, von einem Saal,
der eine feine durchgehende Lufft hatte, von wegen zweyer Thuͤren, die gegen
einander ſtunden, wolt er auch Philoſophiren, wie die andern, und ſagte, es
waͤre kein Wunder, daß es im Winter ſo kalt waͤre. Denn ein jeder be-
fliſſe ſich die Waͤrme in ſeinem Hauſe zu behalten, vor der Kaͤlte aber
verriegele man Thuͤr und Thor, dergeſtalt, daß ſie muͤſſe auf der Gaſſe
bleiben.

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Zitationshilfe: Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/129>, abgerufen am 04.12.2024.