Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729.

Bild:
<< vorherige Seite

Student gantz zornig zu dem Schiffmann: Warlich! ich wolte dich ersto-
chen haben, daferne du mich ersäuffet hättest
.

Ein Schul-Regent hatte ein kranckes Töchterlein, so erst zwölff Tage alt
war. Als nun eben selbige Woche das Evangelium einfiel von des Schul-
Obersten zwölff-jährigen Töchterlein; ließ dieser seine Buben in denen Preci-
bus,
vor sein Töchterlein, ad imitationem also beten: Wollest dich auch lieber
HErr! erbarmen über unsers Schul-Obersten kranckes zwölff-jähriges
Töchterlein; einen Tag vor ein Jahr gerechnet
.

Ein anderer Schul-Regent war auf einer Rolle über Feld gefahren. Da
man nun das Fuhrlohn foderte, und es dem Herrn zu viel dauchte, sagte, er zu
dem Roller, Er solte ihn nicht so hart halten, er wäre der und der, wel-
cher so viel Bucher geschrieben, ob er ihn nicht kenne
? Aber der Roller ant-
wortet ihm: Ihr mögt seyn wer ihr wollet, ich kan niemand vergebens
fuhren
.

In einem Collegio war ein Pennal, der wolte auch gerne gesehen seyn,
daß er gute Verse machen könte. Derohalben stellete er seiner Mit-Schüler
einen, der einen ziemlichen Poeten abgab an, daß er ihm solte, die Oration, so
ihnen aufgegeben ward, gantz carminice machen worgegen er ihm seinen
Becher Wein über Tischelassen wolte. Dieser machte es ihm, und schriebe es
ab. Unten aber hienge er die Worte an: Pro hoc mihi debetur cyathus, hier-
vor gebuhret mir ein Becher Wein
. Jener gute Schlucker hatte dieses
nicht wahrgenommen, mochte es auch nicht wieder abschreiben, fondern über-
gab das Carmen, und ward deshalb, als der Possen dadurch an den Tag kam,
weidlich ausgelachet.

Einem alten Pedanten gefiel das Ciceronianische Latein so wohl, daß er
sagte: Wie, daß mich doch GOtt in dem groben Teutschland, und nicht
unter denen Lateinern hat lassen geboren werden? damit ich die Ehre
hätte, daß diese schöne Sprache auch meine Mutter-Sprache wäre
.

Ein anderer sagte, die gantze Divinitas steckte in dem Plauto, und wol-
te die Ubiquitaet daraus widerlegen. Von dem sagte ein gelehrter Mann, es
nehme ihn Wunder, daß der Kerl nicht auch eine
plautinische Postill über
alle Sonntags
Evangelia schriebe.

Wie-

Student gantz zornig zu dem Schiffmann: Warlich! ich wolte dich erſto-
chen haben, daferne du mich erſaͤuffet haͤtteſt
.

Ein Schul-Regent hatte ein kranckes Toͤchterlein, ſo erſt zwoͤlff Tage alt
war. Als nun eben ſelbige Woche das Evangelium einfiel von des Schul-
Oberſten zwoͤlff-jaͤhrigen Toͤchterlein; ließ dieſer ſeine Buben in denen Preci-
bus,
vor ſein Toͤchterlein, ad imitationem alſo beten: Wolleſt dich auch lieber
HErr! erbarmen uͤber unſers Schul-Oberſten kranckes zwoͤlff-jaͤhriges
Toͤchterlein; einen Tag vor ein Jahr gerechnet
.

Ein anderer Schul-Regent war auf einer Rolle uͤber Feld gefahren. Da
man nun das Fuhrlohn foderte, und es dem Herrn zu viel dauchte, ſagte, er zu
dem Roller, Er ſolte ihn nicht ſo hart halten, er waͤre der und der, wel-
cher ſo viel Bůcher geſchrieben, ob er ihn nicht kenne
? Aber der Roller ant-
wortet ihm: Ihr moͤgt ſeyn wer ihr wollet, ich kan niemand vergebens
fůhren
.

In einem Collegio war ein Pennal, der wolte auch gerne geſehen ſeyn,
daß er gute Verſe machen koͤnte. Derohalben ſtellete er ſeiner Mit-Schuͤler
einen, der einen ziemlichen Poëten abgab an, daß er ihm ſolte, die Oration, ſo
ihnen aufgegeben ward, gantz carminice machen worgegen er ihm ſeinen
Becher Wein uͤber Tiſchelaſſen wolte. Dieſer machte es ihm, und ſchriebe es
ab. Unten aber hienge er die Worte an: Pro hoc mihi debetur cyathus, hier-
vor gebůhret mir ein Becher Wein
. Jener gute Schlucker hatte dieſes
nicht wahrgenommen, mochte es auch nicht wieder abſchreiben, fondern uͤber-
gab das Carmen, und ward deshalb, als der Poſſen dadurch an den Tag kam,
weidlich ausgelachet.

Einem alten Pedanten gefiel das Ciceronianiſche Latein ſo wohl, daß er
ſagte: Wie, daß mich doch GOtt in dem groben Teutſchland, und nicht
unter denen Lateinern hat laſſen geboren werden? damit ich die Ehre
haͤtte, daß dieſe ſchoͤne Sprache auch meine Mutter-Sprache waͤre
.

Ein anderer ſagte, die gantze Divinitas ſteckte in dem Plauto, und wol-
te die Ubiquitæt daraus widerlegen. Von dem ſagte ein gelehrter Mann, es
nehme ihn Wunder, daß der Kerl nicht auch eine
plautiniſche Poſtill uͤber
alle Sonntags
Evangelia ſchriebe.

Wie-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0106" n="62"/>
Student gantz zornig zu dem Schiffmann: <hi rendition="#fr">Warlich! ich wolte dich er&#x017F;to-<lb/>
chen haben, daferne du mich er&#x017F;a&#x0364;uffet ha&#x0364;tte&#x017F;t</hi>.</p><lb/>
          <p>Ein Schul-Regent hatte ein kranckes To&#x0364;chterlein, &#x017F;o er&#x017F;t zwo&#x0364;lff Tage alt<lb/>
war. Als nun eben &#x017F;elbige Woche das Evangelium einfiel von des Schul-<lb/>
Ober&#x017F;ten zwo&#x0364;lff-ja&#x0364;hrigen To&#x0364;chterlein; ließ die&#x017F;er &#x017F;eine Buben in denen <hi rendition="#aq">Preci-<lb/>
bus,</hi> vor &#x017F;ein To&#x0364;chterlein, <hi rendition="#aq">ad imitationem</hi> al&#x017F;o beten: <hi rendition="#fr">Wolle&#x017F;t dich auch lieber<lb/>
HErr! erbarmen u&#x0364;ber un&#x017F;ers Schul-Ober&#x017F;ten kranckes zwo&#x0364;lff-ja&#x0364;hriges<lb/>
To&#x0364;chterlein; einen Tag vor ein Jahr gerechnet</hi>.</p><lb/>
          <p>Ein anderer Schul-Regent war auf einer Rolle u&#x0364;ber Feld gefahren. Da<lb/>
man nun das Fuhrlohn foderte, und es dem Herrn zu viel dauchte, &#x017F;agte, er zu<lb/>
dem Roller, <hi rendition="#fr">Er &#x017F;olte ihn nicht &#x017F;o hart halten, er wa&#x0364;re der und der, wel-<lb/>
cher &#x017F;o viel B&#x016F;cher ge&#x017F;chrieben, ob er ihn nicht kenne</hi>? Aber der Roller ant-<lb/>
wortet ihm: <hi rendition="#fr">Ihr mo&#x0364;gt &#x017F;eyn wer ihr wollet, ich kan niemand vergebens<lb/>
f&#x016F;hren</hi>.</p><lb/>
          <p>In einem <hi rendition="#aq">Collegio</hi> war ein <hi rendition="#aq">Pennal,</hi> der wolte auch gerne ge&#x017F;ehen &#x017F;eyn,<lb/>
daß er gute Ver&#x017F;e machen ko&#x0364;nte. Derohalben &#x017F;tellete er &#x017F;einer Mit-Schu&#x0364;ler<lb/>
einen, der einen ziemlichen <hi rendition="#aq">Poë</hi>ten abgab an, daß er ihm &#x017F;olte, die <hi rendition="#aq">Oration,</hi> &#x017F;o<lb/>
ihnen aufgegeben ward, gantz <hi rendition="#aq">carminice</hi> machen worgegen er ihm &#x017F;einen<lb/>
Becher Wein u&#x0364;ber Ti&#x017F;chela&#x017F;&#x017F;en wolte. Die&#x017F;er machte es ihm, und &#x017F;chriebe es<lb/>
ab. Unten aber hienge er die Worte an: <hi rendition="#aq">Pro hoc mihi debetur cyathus,</hi> <hi rendition="#fr">hier-<lb/>
vor geb&#x016F;hret mir ein Becher Wein</hi>. Jener gute Schlucker hatte die&#x017F;es<lb/>
nicht wahrgenommen, mochte es auch nicht wieder ab&#x017F;chreiben, fondern u&#x0364;ber-<lb/>
gab das <hi rendition="#aq">Carmen,</hi> und ward deshalb, als der Po&#x017F;&#x017F;en dadurch an den Tag kam,<lb/>
weidlich ausgelachet.</p><lb/>
          <p>Einem alten <hi rendition="#aq">Pedan</hi>ten gefiel das <hi rendition="#aq">Ciceroniani</hi>&#x017F;che Latein &#x017F;o wohl, daß er<lb/>
&#x017F;agte: <hi rendition="#fr">Wie, daß mich doch GOtt in dem groben Teut&#x017F;chland, und nicht<lb/>
unter denen Lateinern hat la&#x017F;&#x017F;en geboren werden? damit ich die Ehre<lb/>
ha&#x0364;tte, daß die&#x017F;e &#x017F;cho&#x0364;ne Sprache auch meine Mutter-Sprache wa&#x0364;re</hi>.</p><lb/>
          <p>Ein anderer &#x017F;agte, <hi rendition="#fr">die gantze</hi> <hi rendition="#aq">Divinitas</hi> <hi rendition="#fr">&#x017F;teckte in dem</hi> <hi rendition="#aq">Plauto,</hi> und wol-<lb/>
te die <hi rendition="#aq">Ubiquitæt</hi> daraus widerlegen. Von dem &#x017F;agte ein gelehrter Mann, <hi rendition="#fr">es<lb/>
nehme ihn Wunder, daß der Kerl nicht auch eine</hi> <hi rendition="#aq">plautini</hi><hi rendition="#fr">&#x017F;che Po&#x017F;till u&#x0364;ber<lb/>
alle Sonntags</hi> <hi rendition="#aq">Evangelia</hi> <hi rendition="#fr">&#x017F;chriebe</hi>.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Wie-</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[62/0106] Student gantz zornig zu dem Schiffmann: Warlich! ich wolte dich erſto- chen haben, daferne du mich erſaͤuffet haͤtteſt. Ein Schul-Regent hatte ein kranckes Toͤchterlein, ſo erſt zwoͤlff Tage alt war. Als nun eben ſelbige Woche das Evangelium einfiel von des Schul- Oberſten zwoͤlff-jaͤhrigen Toͤchterlein; ließ dieſer ſeine Buben in denen Preci- bus, vor ſein Toͤchterlein, ad imitationem alſo beten: Wolleſt dich auch lieber HErr! erbarmen uͤber unſers Schul-Oberſten kranckes zwoͤlff-jaͤhriges Toͤchterlein; einen Tag vor ein Jahr gerechnet. Ein anderer Schul-Regent war auf einer Rolle uͤber Feld gefahren. Da man nun das Fuhrlohn foderte, und es dem Herrn zu viel dauchte, ſagte, er zu dem Roller, Er ſolte ihn nicht ſo hart halten, er waͤre der und der, wel- cher ſo viel Bůcher geſchrieben, ob er ihn nicht kenne? Aber der Roller ant- wortet ihm: Ihr moͤgt ſeyn wer ihr wollet, ich kan niemand vergebens fůhren. In einem Collegio war ein Pennal, der wolte auch gerne geſehen ſeyn, daß er gute Verſe machen koͤnte. Derohalben ſtellete er ſeiner Mit-Schuͤler einen, der einen ziemlichen Poëten abgab an, daß er ihm ſolte, die Oration, ſo ihnen aufgegeben ward, gantz carminice machen worgegen er ihm ſeinen Becher Wein uͤber Tiſchelaſſen wolte. Dieſer machte es ihm, und ſchriebe es ab. Unten aber hienge er die Worte an: Pro hoc mihi debetur cyathus, hier- vor gebůhret mir ein Becher Wein. Jener gute Schlucker hatte dieſes nicht wahrgenommen, mochte es auch nicht wieder abſchreiben, fondern uͤber- gab das Carmen, und ward deshalb, als der Poſſen dadurch an den Tag kam, weidlich ausgelachet. Einem alten Pedanten gefiel das Ciceronianiſche Latein ſo wohl, daß er ſagte: Wie, daß mich doch GOtt in dem groben Teutſchland, und nicht unter denen Lateinern hat laſſen geboren werden? damit ich die Ehre haͤtte, daß dieſe ſchoͤne Sprache auch meine Mutter-Sprache waͤre. Ein anderer ſagte, die gantze Divinitas ſteckte in dem Plauto, und wol- te die Ubiquitæt daraus widerlegen. Von dem ſagte ein gelehrter Mann, es nehme ihn Wunder, daß der Kerl nicht auch eine plautiniſche Poſtill uͤber alle Sonntags Evangelia ſchriebe. Wie-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/106
Zitationshilfe: Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/106>, abgerufen am 04.12.2024.