Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729.

Bild:
<< vorherige Seite

Ein junger Magister besuchte seinen Vetter, grüssete aber keinen Men-
schen, als er in das Gemach trat. Indessen lieff des Vetters Hund zu ihm,
und wedelte den ungehobelten Gesellen mit dem Schwantze an. Daher nahm
der Vetter Anlaß ihm eine Reprimende zu geben, und sprach: er solte sich schä-
men, daß der Hund besser gezogen seye als er. Denn der Hund grüsse-
te ihn mit seinem Schwantz, er hingegen träte herein, wie ein anderer
Bauer, ohne jemanden zu grüssen
. Da antwortete der junge Magister gantz
beschämt: Ich habe ja aber auch keinen Schwantz wie der Hund.

Ein Professor Medicinae unterrichtete einen Studenten, der sich diesem Stu-
dio
ebenfalls widmete. Unter andern sagte diesem der Professor, wann er zu
einem Krancken käme, müsse er sich allezeit umsehen, ob er etwas erblicke in dem
Gemach, darauf er fussen und stehen könte. Als zum Exempel wann er et-
wa Birn- oder Apffel-Schäler, Pflaumen-Kern und dergleichen zu Gesichte be-
käme. Hanns-Latz behielte es wohl, und wolte es ihm hernach, da er anfieng
seine Kunst zu practiciren, zu Nutzen machen. Als er nun einstmals einen
Krancken besuchte, sahe er nichts in der Cammer als einen Esels-Sattel un-
ter dem Bette, vermeynte er hätte es wohl getroffen, und sagte zu dem Kran-
cken, es nähme ihn nicht Wunder, daß er sich so übel befände, angesehen
des grossen
Excesses, den er begangen, indem er einen Esel gegessen
hätte
.

Zu Leipzig auf der Universitaet erlangte einer eine extraordinaire Ver-
gönstigung Publice zu lesen, und schlug deswegen ein solch närrisch Programma
an, daß Doct. Joachimus Camerarius, als er es lase, sagte: Ich verstehe
nicht was er will
. Als solches dem Nasen weisen Herrn gesaget wurde, freue-
te er sich darüber und sprach: Da müsset ihr ja sehen, daß ich ein gelehr-
ter Mann bin, weil auch dieser hochgelehrte
Doctor meinen hohen Sty-
lum nicht begreiffen kan.

Ein alter Pedant, der viele Bücher geschrieben hatte, kam in das Hollän-
dische Lager, und sahe, bey der Artillerie, die grossen Stücke, gantze und hal-
be Carthaunen, wie auch die darzugehörigen Kugeln, weshalb er sprach: Dar-
zu gehöret gewiß recht groß Pulver
.

Zwey Pfältzische Studenten giengen, zu Heydelberg, um die Herbst-Zeit,
mit einander in einen Wein-Garten. Als nun der eine einen gantzen Trau-

ben
H 2

Ein junger Magiſter beſuchte ſeinen Vetter, gruͤſſete aber keinen Men-
ſchen, als er in das Gemach trat. Indeſſen lieff des Vetters Hund zu ihm,
und wedelte den ungehobelten Geſellen mit dem Schwantze an. Daher nahm
der Vetter Anlaß ihm eine Reprimende zu geben, und ſprach: er ſolte ſich ſchaͤ-
men, daß der Hund beſſer gezogen ſeye als er. Denn der Hund gruͤſſe-
te ihn mit ſeinem Schwantz, er hingegen traͤte herein, wie ein anderer
Bauer, ohne jemanden zu gruͤſſen
. Da antwortete der junge Magiſter gantz
beſchaͤmt: Ich habe ja aber auch keinen Schwantz wie der Hund.

Ein Profeſſor Medicinæ unterrichtete einen Studenten, der ſich dieſem Stu-
dio
ebenfalls widmete. Unter andern ſagte dieſem der Profeſſor, wann er zu
einem Krancken kaͤme, muͤſſe er ſich allezeit umſehen, ob er etwas erblicke in dem
Gemach, darauf er fuſſen und ſtehen koͤnte. Als zum Exempel wann er et-
wa Birn- oder Apffel-Schaͤler, Pflaumen-Kern und dergleichen zu Geſichte be-
kaͤme. Hanns-Latz behielte es wohl, und wolte es ihm hernach, da er anfieng
ſeine Kunſt zu practiciren, zu Nutzen machen. Als er nun einſtmals einen
Krancken beſuchte, ſahe er nichts in der Cammer als einen Eſels-Sattel un-
ter dem Bette, vermeynte er haͤtte es wohl getroffen, und ſagte zu dem Kran-
cken, es naͤhme ihn nicht Wunder, daß er ſich ſo uͤbel befaͤnde, angeſehen
des groſſen
Exceſſes, den er begangen, indem er einen Eſel gegeſſen
haͤtte
.

Zu Leipzig auf der Univerſitæt erlangte einer eine extraordinaire Ver-
goͤnſtigung Publicè zu leſen, und ſchlug deswegen ein ſolch naͤrriſch Programma
an, daß Doct. Joachimus Camerarius, als er es laſe, ſagte: Ich verſtehe
nicht was er will
. Als ſolches dem Naſen weiſen Herrn geſaget wurde, freue-
te er ſich daruͤber und ſprach: Da muͤſſet ihr ja ſehen, daß ich ein gelehr-
ter Mann bin, weil auch dieſer hochgelehrte
Doctor meinen hohen Sty-
lum nicht begreiffen kan.

Ein alter Pedant, der viele Buͤcher geſchrieben hatte, kam in das Hollaͤn-
diſche Lager, und ſahe, bey der Artillerie, die groſſen Stuͤcke, gantze und hal-
be Carthaunen, wie auch die darzugehoͤrigen Kugeln, weshalb er ſprach: Dar-
zu gehoͤret gewiß recht groß Pulver
.

Zwey Pfaͤltziſche Studenten giengen, zu Heydelberg, um die Herbſt-Zeit,
mit einander in einen Wein-Garten. Als nun der eine einen gantzen Trau-

ben
H 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0103" n="59"/>
          <p>Ein junger <hi rendition="#aq">Magi&#x017F;ter</hi> be&#x017F;uchte &#x017F;einen Vetter, gru&#x0364;&#x017F;&#x017F;ete aber keinen Men-<lb/>
&#x017F;chen, als er in das Gemach trat. Inde&#x017F;&#x017F;en lieff des Vetters Hund zu ihm,<lb/>
und wedelte den ungehobelten Ge&#x017F;ellen mit dem Schwantze an. Daher nahm<lb/>
der Vetter Anlaß ihm eine <hi rendition="#aq">Reprimende</hi> zu geben, und &#x017F;prach: <hi rendition="#fr">er &#x017F;olte &#x017F;ich &#x017F;cha&#x0364;-<lb/>
men, daß der Hund be&#x017F;&#x017F;er gezogen &#x017F;eye als er. Denn der Hund gru&#x0364;&#x017F;&#x017F;e-<lb/>
te ihn mit &#x017F;einem Schwantz, er hingegen tra&#x0364;te herein, wie ein anderer<lb/>
Bauer, ohne jemanden zu gru&#x0364;&#x017F;&#x017F;en</hi>. Da antwortete der junge <hi rendition="#aq">Magi&#x017F;ter</hi> gantz<lb/>
be&#x017F;cha&#x0364;mt: <hi rendition="#fr">Ich habe ja aber auch keinen Schwantz wie der Hund</hi>.</p><lb/>
          <p>Ein <hi rendition="#aq">Profe&#x017F;&#x017F;or Medicinæ</hi> unterrichtete einen Studenten, der &#x017F;ich die&#x017F;em <hi rendition="#aq">Stu-<lb/>
dio</hi> ebenfalls widmete. Unter andern &#x017F;agte die&#x017F;em der <hi rendition="#aq">Profe&#x017F;&#x017F;or,</hi> wann er zu<lb/>
einem Krancken ka&#x0364;me, mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e er &#x017F;ich allezeit um&#x017F;ehen, ob er etwas erblicke in dem<lb/>
Gemach, darauf er fu&#x017F;&#x017F;en und &#x017F;tehen ko&#x0364;nte. Als zum Exempel wann er et-<lb/>
wa Birn- oder Apffel-Scha&#x0364;ler, Pflaumen-Kern und dergleichen zu Ge&#x017F;ichte be-<lb/>
ka&#x0364;me. Hanns-Latz behielte es wohl, und wolte es ihm hernach, da er anfieng<lb/>
&#x017F;eine Kun&#x017F;t zu <hi rendition="#aq">practici</hi>ren, zu Nutzen machen. Als er nun ein&#x017F;tmals einen<lb/>
Krancken be&#x017F;uchte, &#x017F;ahe er nichts in der Cammer als einen E&#x017F;els-Sattel un-<lb/>
ter dem Bette, vermeynte er ha&#x0364;tte es wohl getroffen, und &#x017F;agte zu dem Kran-<lb/>
cken, <hi rendition="#fr">es na&#x0364;hme ihn nicht Wunder, daß er &#x017F;ich &#x017F;o u&#x0364;bel befa&#x0364;nde, ange&#x017F;ehen<lb/>
des gro&#x017F;&#x017F;en</hi> <hi rendition="#aq">Exce&#x017F;&#x017F;es,</hi> <hi rendition="#fr">den er begangen, indem er einen E&#x017F;el gege&#x017F;&#x017F;en<lb/>
ha&#x0364;tte</hi>.</p><lb/>
          <p>Zu Leipzig auf der <hi rendition="#aq">Univer&#x017F;itæt</hi> erlangte einer eine <hi rendition="#aq">extraordinai</hi>re Ver-<lb/>
go&#x0364;n&#x017F;tigung <hi rendition="#aq">Publicè</hi> zu le&#x017F;en, und &#x017F;chlug deswegen ein &#x017F;olch na&#x0364;rri&#x017F;ch <hi rendition="#aq">Programma</hi><lb/>
an, daß <hi rendition="#aq">Doct. Joachimus Camerarius,</hi> als er es la&#x017F;e, &#x017F;agte: <hi rendition="#fr">Ich ver&#x017F;tehe<lb/>
nicht was er will</hi>. Als &#x017F;olches dem Na&#x017F;en wei&#x017F;en Herrn ge&#x017F;aget wurde, freue-<lb/>
te er &#x017F;ich daru&#x0364;ber und &#x017F;prach: <hi rendition="#fr">Da mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;et ihr ja &#x017F;ehen, daß ich ein gelehr-<lb/>
ter Mann bin, weil auch die&#x017F;er hochgelehrte</hi> <hi rendition="#aq">Doctor</hi> <hi rendition="#fr">meinen hohen</hi> <hi rendition="#aq">Sty-</hi><lb/><hi rendition="#fr">lum nicht begreiffen kan</hi>.</p><lb/>
          <p>Ein alter <hi rendition="#aq">Pedant,</hi> der viele Bu&#x0364;cher ge&#x017F;chrieben hatte, kam in das Holla&#x0364;n-<lb/>
di&#x017F;che Lager, und &#x017F;ahe, bey der <hi rendition="#aq">Artillerie,</hi> die gro&#x017F;&#x017F;en Stu&#x0364;cke, gantze und hal-<lb/>
be Carthaunen, wie auch die darzugeho&#x0364;rigen Kugeln, weshalb er &#x017F;prach: <hi rendition="#fr">Dar-<lb/>
zu geho&#x0364;ret gewiß recht groß Pulver</hi>.</p><lb/>
          <p>Zwey Pfa&#x0364;ltzi&#x017F;che Studenten giengen, zu Heydelberg, um die Herb&#x017F;t-Zeit,<lb/>
mit einander in einen Wein-Garten. Als nun der eine einen gantzen Trau-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">H 2</fw><fw place="bottom" type="catch">ben</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[59/0103] Ein junger Magiſter beſuchte ſeinen Vetter, gruͤſſete aber keinen Men- ſchen, als er in das Gemach trat. Indeſſen lieff des Vetters Hund zu ihm, und wedelte den ungehobelten Geſellen mit dem Schwantze an. Daher nahm der Vetter Anlaß ihm eine Reprimende zu geben, und ſprach: er ſolte ſich ſchaͤ- men, daß der Hund beſſer gezogen ſeye als er. Denn der Hund gruͤſſe- te ihn mit ſeinem Schwantz, er hingegen traͤte herein, wie ein anderer Bauer, ohne jemanden zu gruͤſſen. Da antwortete der junge Magiſter gantz beſchaͤmt: Ich habe ja aber auch keinen Schwantz wie der Hund. Ein Profeſſor Medicinæ unterrichtete einen Studenten, der ſich dieſem Stu- dio ebenfalls widmete. Unter andern ſagte dieſem der Profeſſor, wann er zu einem Krancken kaͤme, muͤſſe er ſich allezeit umſehen, ob er etwas erblicke in dem Gemach, darauf er fuſſen und ſtehen koͤnte. Als zum Exempel wann er et- wa Birn- oder Apffel-Schaͤler, Pflaumen-Kern und dergleichen zu Geſichte be- kaͤme. Hanns-Latz behielte es wohl, und wolte es ihm hernach, da er anfieng ſeine Kunſt zu practiciren, zu Nutzen machen. Als er nun einſtmals einen Krancken beſuchte, ſahe er nichts in der Cammer als einen Eſels-Sattel un- ter dem Bette, vermeynte er haͤtte es wohl getroffen, und ſagte zu dem Kran- cken, es naͤhme ihn nicht Wunder, daß er ſich ſo uͤbel befaͤnde, angeſehen des groſſen Exceſſes, den er begangen, indem er einen Eſel gegeſſen haͤtte. Zu Leipzig auf der Univerſitæt erlangte einer eine extraordinaire Ver- goͤnſtigung Publicè zu leſen, und ſchlug deswegen ein ſolch naͤrriſch Programma an, daß Doct. Joachimus Camerarius, als er es laſe, ſagte: Ich verſtehe nicht was er will. Als ſolches dem Naſen weiſen Herrn geſaget wurde, freue- te er ſich daruͤber und ſprach: Da muͤſſet ihr ja ſehen, daß ich ein gelehr- ter Mann bin, weil auch dieſer hochgelehrte Doctor meinen hohen Sty- lum nicht begreiffen kan. Ein alter Pedant, der viele Buͤcher geſchrieben hatte, kam in das Hollaͤn- diſche Lager, und ſahe, bey der Artillerie, die groſſen Stuͤcke, gantze und hal- be Carthaunen, wie auch die darzugehoͤrigen Kugeln, weshalb er ſprach: Dar- zu gehoͤret gewiß recht groß Pulver. Zwey Pfaͤltziſche Studenten giengen, zu Heydelberg, um die Herbſt-Zeit, mit einander in einen Wein-Garten. Als nun der eine einen gantzen Trau- ben H 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/103
Zitationshilfe: Fassmann, David: Der Gelehrte Narr. Freiburg, 1729, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fassmann_narr_1729/103>, abgerufen am 12.12.2024.