Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.III. Die Neuzeit. So beschreibt sie ein Franzose beim Sturm auf Rom: "DasBarett sitze wegen seiner Größe nur schlecht auf dem Kopf, schlott- rig weit seien die Hosen, ebenso die Schuhe und noch weiter die Harnische, und an der ganzen Kleidung von Kopf zu Fuß sei wegen der Uebertreibung nichts, was die Augen erfreuen könne." Aber es gab Zeiten, in denen sie auch einen andern Anblick Es war nur natürlich, daß, sobald ein solches Volk im Ge- III. Die Neuzeit. So beſchreibt ſie ein Franzoſe beim Sturm auf Rom: „DasBarett ſitze wegen ſeiner Größe nur ſchlecht auf dem Kopf, ſchlott- rig weit ſeien die Hoſen, ebenſo die Schuhe und noch weiter die Harniſche, und an der ganzen Kleidung von Kopf zu Fuß ſei wegen der Uebertreibung nichts, was die Augen erfreuen könne.“ Aber es gab Zeiten, in denen ſie auch einen andern Anblick Es war nur natürlich, daß, ſobald ein ſolches Volk im Ge- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0052" n="40"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">III.</hi> Die Neuzeit.</fw><lb/> So beſchreibt ſie ein Franzoſe beim Sturm auf Rom: „Das<lb/> Barett ſitze wegen ſeiner Größe nur ſchlecht auf dem Kopf, ſchlott-<lb/> rig weit ſeien die Hoſen, ebenſo die Schuhe und noch weiter die<lb/> Harniſche, und an der ganzen Kleidung von Kopf zu Fuß ſei<lb/> wegen der Uebertreibung nichts, was die Augen erfreuen könne.“</p><lb/> <p>Aber es gab Zeiten, in denen ſie auch einen andern Anblick<lb/> gewährten. In langen Feldzügen, zumal wenn ihnen das Glück<lb/> nicht immer hold geweſen war, dann hielt das lappenhafte Zeug<lb/> nicht lange zuſammen. Mit zerfetzter Kleidung, die der Blößen<lb/> genug gab, abgeriſſen an den Schuhen, mochten ſie den Italie-<lb/> nern wohl Grund zu allerlei Spott geben. So wagte es der<lb/> Venetianer Feldherr Bartolomeo d’Alviano an Georg Fronds-<lb/> berg das Anerbieten zu machen: wenn ſeine nackten Landsknechte<lb/> die Waffen niederlegen wollten, ſo würde er ſie mit weißen Stä-<lb/> ben aus dem Lande ziehen laſſen. Aber der Vater der Lands-<lb/> knechte kannte ſeine Kinder und erwiderte: er habe nackte Kna-<lb/> ben, wenn aber jeder einen Pokal Wein im Buſen habe, ſo ſeien<lb/> ſie ihm lieber denn die Venediger, die Harniſch antragen bis auf<lb/> die Füße. Schlimm erging es dem Befehlshaber Roms Renzo<lb/> da Ceri, der zu den Seinen äußerte, als Bourbon mit den Lands-<lb/> knechten und Spaniern zu dem grauſenvollen Sturm heranrückte:<lb/> er wolle die Stadt wohl erhalten vor den ſchwarzen Köpfen und<lb/> den deutſchen Weinſäufern; es wären elende Leute, denen Hun-<lb/> ger und Tod im Magen ſtäke, die nackt und bloß, weder Schuhe<lb/> noch Kleider und roſtige Degen hätten, mit denen man nicht<lb/> einen Salat möchte abſchneiden.</p><lb/> <p>Es war nur natürlich, daß, ſobald ein ſolches Volk im Ge-<lb/> biet der Trachten und der Mode ſich an die Spitze der Bewegung<lb/> ſtellte, die Entwicklung ſich raſch überſtürzen mußte, zumal da<lb/> die Haupteigenſchaft der Kleidung dieſer Zeit ohnehin ſchon ein<lb/> Erzeugniß des Freiheitsdranges war. Indem nun das nackte<lb/> Bein des Landsknechts ſich wieder bedeckte und die Jacke durch<lb/> Wiederherſtellung der arg verſchnittenen Aermel und des fehlen-<lb/> den Bruſtſtückes ſich ergänzte, begann gleichzeitig die Zerſchlitzung<lb/> den ganzen Körper zu überwuchern. Was man damit zu erzielen<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [40/0052]
III. Die Neuzeit.
So beſchreibt ſie ein Franzoſe beim Sturm auf Rom: „Das
Barett ſitze wegen ſeiner Größe nur ſchlecht auf dem Kopf, ſchlott-
rig weit ſeien die Hoſen, ebenſo die Schuhe und noch weiter die
Harniſche, und an der ganzen Kleidung von Kopf zu Fuß ſei
wegen der Uebertreibung nichts, was die Augen erfreuen könne.“
Aber es gab Zeiten, in denen ſie auch einen andern Anblick
gewährten. In langen Feldzügen, zumal wenn ihnen das Glück
nicht immer hold geweſen war, dann hielt das lappenhafte Zeug
nicht lange zuſammen. Mit zerfetzter Kleidung, die der Blößen
genug gab, abgeriſſen an den Schuhen, mochten ſie den Italie-
nern wohl Grund zu allerlei Spott geben. So wagte es der
Venetianer Feldherr Bartolomeo d’Alviano an Georg Fronds-
berg das Anerbieten zu machen: wenn ſeine nackten Landsknechte
die Waffen niederlegen wollten, ſo würde er ſie mit weißen Stä-
ben aus dem Lande ziehen laſſen. Aber der Vater der Lands-
knechte kannte ſeine Kinder und erwiderte: er habe nackte Kna-
ben, wenn aber jeder einen Pokal Wein im Buſen habe, ſo ſeien
ſie ihm lieber denn die Venediger, die Harniſch antragen bis auf
die Füße. Schlimm erging es dem Befehlshaber Roms Renzo
da Ceri, der zu den Seinen äußerte, als Bourbon mit den Lands-
knechten und Spaniern zu dem grauſenvollen Sturm heranrückte:
er wolle die Stadt wohl erhalten vor den ſchwarzen Köpfen und
den deutſchen Weinſäufern; es wären elende Leute, denen Hun-
ger und Tod im Magen ſtäke, die nackt und bloß, weder Schuhe
noch Kleider und roſtige Degen hätten, mit denen man nicht
einen Salat möchte abſchneiden.
Es war nur natürlich, daß, ſobald ein ſolches Volk im Ge-
biet der Trachten und der Mode ſich an die Spitze der Bewegung
ſtellte, die Entwicklung ſich raſch überſtürzen mußte, zumal da
die Haupteigenſchaft der Kleidung dieſer Zeit ohnehin ſchon ein
Erzeugniß des Freiheitsdranges war. Indem nun das nackte
Bein des Landsknechts ſich wieder bedeckte und die Jacke durch
Wiederherſtellung der arg verſchnittenen Aermel und des fehlen-
den Bruſtſtückes ſich ergänzte, begann gleichzeitig die Zerſchlitzung
den ganzen Körper zu überwuchern. Was man damit zu erzielen
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