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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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III. Die Neuzeit.
weggelassen. Gänzlich freilich erlag er auch in Paris noch keines-
wegs, aber viele Stutzer trugen ihn nicht aus dem eigenen Haar,
sondern befestigten einen falschen von langer und dünner Gestalt
oben an den Rockkragen. Die Sitte findet sich auch in Deutsch-
land, und so trug ihn zuletzt noch der Offizier. Mit der Revo-
lution wächst auch der Stock des Stutzers: aus dem leichten
Rohr wird ein dicker Knotenstock, der oft keulenartiges Ansehen
gewinnt und in jenen gefahrvollen Zeiten gewiß als kräftiges
und nothwendiges Schutzmittel gute Dienste zu leisten hatte.
Die ganze Erscheinung des revolutionären Stutzerthums macht
keine Ansprüche auf Eleganz, wie sie noch in hohem Maße mit
dem Zopfe verbunden war; sie affectirt eine simple Rusticität
und hat etwas von dem, was der deutsche Student mit dem
Ausdruck "knotig" zu bezeichnen pflegt; selbst die Damen kleide-
ten sich a la paysanne.

Doch war der eigentliche Charakter des Costüms bis zum
Terrorismus hin noch nicht umgeschaffen. Da aber, als man
mit dem Königthum fertig war, drängte sich der Gedanke auf,
man müsse die ganze bisherige Bekleidungsweise als "roya-
listisch" ablegen und eine neue "republikanische" einführen, für
welche man natürlich die griechisch-römische Tracht zum
Muster nahm. Ohnehin war ja in jener Zeit der Classicismus
in Blüthe, und antike Formen begannen die Baukunst, die
Plastik, die Malerei und alle Gegenstände des Kunstgewerbes zu
beherrschen. Vor allem sollten die Hosen abgeschafft werden, ein
Vorschlag, der freilich keine weiteren Folgen hatte, als daß dem
Extrem und Auswurf der Revolution der Name "Sansculottis-
mus" blieb; den Hosen sollten Schuhe und Strümpfe folgen,
an ihre Stelle die Sandalen treten und Kleid und Frack durch
Tunica und Toga ersetzt werden.

Der berühmte Maler David, der bekanntlich in der Kunst
ein ebenso starrer und kalter Classicist war wie in der Politik ein
starrer Republikaner und getreuer Anhänger Robespierre's, der-
selbe war es, welcher unter der Schreckensherrschaft des letzteren
sich die Umwandlung des Costüms im classischen Sinne angelegen

III. Die Neuzeit.
weggelaſſen. Gänzlich freilich erlag er auch in Paris noch keines-
wegs, aber viele Stutzer trugen ihn nicht aus dem eigenen Haar,
ſondern befeſtigten einen falſchen von langer und dünner Geſtalt
oben an den Rockkragen. Die Sitte findet ſich auch in Deutſch-
land, und ſo trug ihn zuletzt noch der Offizier. Mit der Revo-
lution wächſt auch der Stock des Stutzers: aus dem leichten
Rohr wird ein dicker Knotenſtock, der oft keulenartiges Anſehen
gewinnt und in jenen gefahrvollen Zeiten gewiß als kräftiges
und nothwendiges Schutzmittel gute Dienſte zu leiſten hatte.
Die ganze Erſcheinung des revolutionären Stutzerthums macht
keine Anſprüche auf Eleganz, wie ſie noch in hohem Maße mit
dem Zopfe verbunden war; ſie affectirt eine ſimple Ruſticität
und hat etwas von dem, was der deutſche Student mit dem
Ausdruck „knotig“ zu bezeichnen pflegt; ſelbſt die Damen kleide-
ten ſich à la paysanne.

Doch war der eigentliche Charakter des Coſtüms bis zum
Terrorismus hin noch nicht umgeſchaffen. Da aber, als man
mit dem Königthum fertig war, drängte ſich der Gedanke auf,
man müſſe die ganze bisherige Bekleidungsweiſe als „roya-
liſtiſch“ ablegen und eine neue „republikaniſche“ einführen, für
welche man natürlich die griechiſch-römiſche Tracht zum
Muſter nahm. Ohnehin war ja in jener Zeit der Claſſicismus
in Blüthe, und antike Formen begannen die Baukunſt, die
Plaſtik, die Malerei und alle Gegenſtände des Kunſtgewerbes zu
beherrſchen. Vor allem ſollten die Hoſen abgeſchafft werden, ein
Vorſchlag, der freilich keine weiteren Folgen hatte, als daß dem
Extrem und Auswurf der Revolution der Name „Sansculottis-
mus“ blieb; den Hoſen ſollten Schuhe und Strümpfe folgen,
an ihre Stelle die Sandalen treten und Kleid und Frack durch
Tunica und Toga erſetzt werden.

Der berühmte Maler David, der bekanntlich in der Kunſt
ein ebenſo ſtarrer und kalter Claſſiciſt war wie in der Politik ein
ſtarrer Republikaner und getreuer Anhänger Robespierre’s, der-
ſelbe war es, welcher unter der Schreckensherrſchaft des letzteren
ſich die Umwandlung des Coſtüms im claſſiſchen Sinne angelegen

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[308/0320] III. Die Neuzeit. weggelaſſen. Gänzlich freilich erlag er auch in Paris noch keines- wegs, aber viele Stutzer trugen ihn nicht aus dem eigenen Haar, ſondern befeſtigten einen falſchen von langer und dünner Geſtalt oben an den Rockkragen. Die Sitte findet ſich auch in Deutſch- land, und ſo trug ihn zuletzt noch der Offizier. Mit der Revo- lution wächſt auch der Stock des Stutzers: aus dem leichten Rohr wird ein dicker Knotenſtock, der oft keulenartiges Anſehen gewinnt und in jenen gefahrvollen Zeiten gewiß als kräftiges und nothwendiges Schutzmittel gute Dienſte zu leiſten hatte. Die ganze Erſcheinung des revolutionären Stutzerthums macht keine Anſprüche auf Eleganz, wie ſie noch in hohem Maße mit dem Zopfe verbunden war; ſie affectirt eine ſimple Ruſticität und hat etwas von dem, was der deutſche Student mit dem Ausdruck „knotig“ zu bezeichnen pflegt; ſelbſt die Damen kleide- ten ſich à la paysanne. Doch war der eigentliche Charakter des Coſtüms bis zum Terrorismus hin noch nicht umgeſchaffen. Da aber, als man mit dem Königthum fertig war, drängte ſich der Gedanke auf, man müſſe die ganze bisherige Bekleidungsweiſe als „roya- liſtiſch“ ablegen und eine neue „republikaniſche“ einführen, für welche man natürlich die griechiſch-römiſche Tracht zum Muſter nahm. Ohnehin war ja in jener Zeit der Claſſicismus in Blüthe, und antike Formen begannen die Baukunſt, die Plaſtik, die Malerei und alle Gegenſtände des Kunſtgewerbes zu beherrſchen. Vor allem ſollten die Hoſen abgeſchafft werden, ein Vorſchlag, der freilich keine weiteren Folgen hatte, als daß dem Extrem und Auswurf der Revolution der Name „Sansculottis- mus“ blieb; den Hoſen ſollten Schuhe und Strümpfe folgen, an ihre Stelle die Sandalen treten und Kleid und Frack durch Tunica und Toga erſetzt werden. Der berühmte Maler David, der bekanntlich in der Kunſt ein ebenſo ſtarrer und kalter Claſſiciſt war wie in der Politik ein ſtarrer Republikaner und getreuer Anhänger Robespierre’s, der- ſelbe war es, welcher unter der Schreckensherrſchaft des letzteren ſich die Umwandlung des Coſtüms im claſſiſchen Sinne angelegen

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/320>, abgerufen am 28.11.2024.