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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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5. Die Periode des Zopfes und die Revolution.
die silbernen. Ebenso war es nur ein Einfall, wenn einige junge
Leute (1792) die gesammte Männerwelt mit der rothen phry-
gischen Mütze und einem s. g. phrygischen Costüm, das aus
einem blauen spanischen Mantel und weißen Beinkleidern und
Strümpfen in einem Stück bestehen sollte, zu beschenken gedach-
ten. Noch konnte Petion, der Maire, den Unsinn dadurch zu-
rückweisen, daß er sagte, man müsse die Sache der Freiheit nicht
durch solche Affenspiele lächerlich machen. Bald schien in der
That die Modeschöpfung von Paris erloschen zu sein, denn schon
1792 klagt der Correspondent, daß etwas Neues nicht mehr er-
scheine und die Pariserin nur noch im Neglige sich trüge, und im
Beginn des nächsten Jahres unter der Lähmung des Terro-
rismus hören seine Briefe für das Journal des Luxus vol-
lends auf.

Dennoch aber können wir nicht umhin, wenn wir die Pa-
riser Toiletten dieser Jahre näher mustern, bereits den Einfluß
der gewaltigen Bewegung anzuerkennen. Man glaubt es selbst
den Damenköpfen anzusehen, daß sie mit andern Dingen be-
beschäftigt sind, und wenn sie auch gleich groteske Gebäude von
Haar, Hauben und Hüten aufführen, so ist es doch, als ob es
mit weniger Liebe und Sorgfalt, mit größerer Nachlässigkeit ge-
schähe. Auch die Schärpen, die sie jetzt fliegend um den Leib
binden, der Nationalgarde gleich, lassen ihre Theilnahme an den
Tagesereignissen ahnen. Mehr noch können wir diese Wahr-
nehmung an den Männern machen. Je mehr die Revolution
ganz Paris und Frankreich in ihren Strudel hineinzieht und die
Royalisten durch die Flucht sich ihr entziehen, umsomehr geht
die neue einfache Fracktracht von dem schöngeistigen und littera-
rischen Gebiet auf das politische über und wird zum Partei-
zeichen. Was es nur in Paris von Stutzern gab, trägt den un-
verzierten Frack und den runden Hut, aber noch größtentheils
Schnallenschuhe und die gestreiften Strümpfe. Vor allem sieht
man dem Kopf den revolutionären Charakter an: der Puder
wird bald als royalistisch verfolgt, die Frisur rauher und wilder,
die Haare wüst nach hinten gekämmt und häufig schon der Zopf

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5. Die Periode des Zopfes und die Revolution.
die ſilbernen. Ebenſo war es nur ein Einfall, wenn einige junge
Leute (1792) die geſammte Männerwelt mit der rothen phry-
giſchen Mütze und einem ſ. g. phrygiſchen Coſtüm, das aus
einem blauen ſpaniſchen Mantel und weißen Beinkleidern und
Strümpfen in einem Stück beſtehen ſollte, zu beſchenken gedach-
ten. Noch konnte Petion, der Maire, den Unſinn dadurch zu-
rückweiſen, daß er ſagte, man müſſe die Sache der Freiheit nicht
durch ſolche Affenſpiele lächerlich machen. Bald ſchien in der
That die Modeſchöpfung von Paris erloſchen zu ſein, denn ſchon
1792 klagt der Correſpondent, daß etwas Neues nicht mehr er-
ſcheine und die Pariſerin nur noch im Negligé ſich trüge, und im
Beginn des nächſten Jahres unter der Lähmung des Terro-
rismus hören ſeine Briefe für das Journal des Luxus vol-
lends auf.

Dennoch aber können wir nicht umhin, wenn wir die Pa-
riſer Toiletten dieſer Jahre näher muſtern, bereits den Einfluß
der gewaltigen Bewegung anzuerkennen. Man glaubt es ſelbſt
den Damenköpfen anzuſehen, daß ſie mit andern Dingen be-
beſchäftigt ſind, und wenn ſie auch gleich groteske Gebäude von
Haar, Hauben und Hüten aufführen, ſo iſt es doch, als ob es
mit weniger Liebe und Sorgfalt, mit größerer Nachläſſigkeit ge-
ſchähe. Auch die Schärpen, die ſie jetzt fliegend um den Leib
binden, der Nationalgarde gleich, laſſen ihre Theilnahme an den
Tagesereigniſſen ahnen. Mehr noch können wir dieſe Wahr-
nehmung an den Männern machen. Je mehr die Revolution
ganz Paris und Frankreich in ihren Strudel hineinzieht und die
Royaliſten durch die Flucht ſich ihr entziehen, umſomehr geht
die neue einfache Fracktracht von dem ſchöngeiſtigen und littera-
riſchen Gebiet auf das politiſche über und wird zum Partei-
zeichen. Was es nur in Paris von Stutzern gab, trägt den un-
verzierten Frack und den runden Hut, aber noch größtentheils
Schnallenſchuhe und die geſtreiften Strümpfe. Vor allem ſieht
man dem Kopf den revolutionären Charakter an: der Puder
wird bald als royaliſtiſch verfolgt, die Friſur rauher und wilder,
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[307/0319] 5. Die Periode des Zopfes und die Revolution. die ſilbernen. Ebenſo war es nur ein Einfall, wenn einige junge Leute (1792) die geſammte Männerwelt mit der rothen phry- giſchen Mütze und einem ſ. g. phrygiſchen Coſtüm, das aus einem blauen ſpaniſchen Mantel und weißen Beinkleidern und Strümpfen in einem Stück beſtehen ſollte, zu beſchenken gedach- ten. Noch konnte Petion, der Maire, den Unſinn dadurch zu- rückweiſen, daß er ſagte, man müſſe die Sache der Freiheit nicht durch ſolche Affenſpiele lächerlich machen. Bald ſchien in der That die Modeſchöpfung von Paris erloſchen zu ſein, denn ſchon 1792 klagt der Correſpondent, daß etwas Neues nicht mehr er- ſcheine und die Pariſerin nur noch im Negligé ſich trüge, und im Beginn des nächſten Jahres unter der Lähmung des Terro- rismus hören ſeine Briefe für das Journal des Luxus vol- lends auf. Dennoch aber können wir nicht umhin, wenn wir die Pa- riſer Toiletten dieſer Jahre näher muſtern, bereits den Einfluß der gewaltigen Bewegung anzuerkennen. Man glaubt es ſelbſt den Damenköpfen anzuſehen, daß ſie mit andern Dingen be- beſchäftigt ſind, und wenn ſie auch gleich groteske Gebäude von Haar, Hauben und Hüten aufführen, ſo iſt es doch, als ob es mit weniger Liebe und Sorgfalt, mit größerer Nachläſſigkeit ge- ſchähe. Auch die Schärpen, die ſie jetzt fliegend um den Leib binden, der Nationalgarde gleich, laſſen ihre Theilnahme an den Tagesereigniſſen ahnen. Mehr noch können wir dieſe Wahr- nehmung an den Männern machen. Je mehr die Revolution ganz Paris und Frankreich in ihren Strudel hineinzieht und die Royaliſten durch die Flucht ſich ihr entziehen, umſomehr geht die neue einfache Fracktracht von dem ſchöngeiſtigen und littera- riſchen Gebiet auf das politiſche über und wird zum Partei- zeichen. Was es nur in Paris von Stutzern gab, trägt den un- verzierten Frack und den runden Hut, aber noch größtentheils Schnallenſchuhe und die geſtreiften Strümpfe. Vor allem ſieht man dem Kopf den revolutionären Charakter an: der Puder wird bald als royaliſtiſch verfolgt, die Friſur rauher und wilder, die Haare wüſt nach hinten gekämmt und häufig ſchon der Zopf 20*

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/319>, abgerufen am 24.11.2024.