Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.III. Die Neuzeit. die Bordüre weiß und grün von Gemüse, mit Garteninstrumen-ten, Vogelkäfigen, auf den Taschen Obstbäume und Körbe, Gärt- ner und Gärtnerin, Milchesel und Ziegen." Wenn wir von jenem Costüm der Damen absehen, welches Nur eine Neuigkeit war schon in der letzten Zeit vor dem III. Die Neuzeit. die Bordüre weiß und grün von Gemüſe, mit Garteninſtrumen-ten, Vogelkäfigen, auf den Taſchen Obſtbäume und Körbe, Gärt- ner und Gärtnerin, Milcheſel und Ziegen.“ Wenn wir von jenem Coſtüm der Damen abſehen, welches Nur eine Neuigkeit war ſchon in der letzten Zeit vor dem <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0316" n="304"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">III.</hi> Die Neuzeit.</fw><lb/> die Bordüre weiß und grün von Gemüſe, mit Garteninſtrumen-<lb/> ten, Vogelkäfigen, auf den Taſchen Obſtbäume und Körbe, Gärt-<lb/> ner und Gärtnerin, Milcheſel und Ziegen.“</p><lb/> <p>Wenn wir von jenem Coſtüm der Damen abſehen, welches<lb/> ſie der ſchöngeiſtigen Männerwelt nachgebildet hatten, und wel-<lb/> ches ebenfalls England ſeinen erſten Urſprung verdankte, ſo hatte<lb/> die <hi rendition="#g">Frauentracht</hi>, namentlich bei hoher Toilette, mochte ſie<lb/> der Frau Gräfin oder der Frau Amtmännin angehören, noch<lb/> nichts von ihrem alten Charakter verloren. Noch thürmten ſich<lb/> die Friſuren mit mächtigen Hauben und Hüten in „ſublimer Voll-<lb/> kommenheit“ kunſtvoll in die Höhe, und die Frauen achteten es<lb/> für nichts, wenn ſie mit Hintanſetzung aller häuslichen und müt-<lb/> terlichen Pflichten Stunden lang ſich dem Friſeur hingaben oder<lb/> mit eigenen Händen noch länger an ſich herumkünſtelten. Es<lb/> war keine Seltenheit, ja ſogar ein gewöhnliches Ereigniß, wenn<lb/> ein großes Feſt bevorſtand und demzufolge Mangel an kunſt-<lb/> fertigen Friſeurhänden ſich einſtellte, daß die Damen ſchon am<lb/> Tage vorher ſich coiffiren ließen und nun in ängſtlicher Stellung<lb/> die Nacht und den Tag verbringen mußten, um das Gebäude zu<lb/> ſchützen und möglichſt friſch zu erhalten. Noch lag die Bruſt in<lb/> gleicher Weiſe offen wie früher, und die Arme waren bis zum<lb/> Ellbogen entblößt. Die Schnürbruſt herrſchte unerbittlich und<lb/> drückte die Taille lang und eng herab; dann breitete ſich das<lb/> Kleid, durch Reifrock oder Bouffanten und Culs geſtützt, in<lb/> mächtiger Weiſe aus, und darüber legte ſich mit reichen Gar-<lb/> nirungen die offene, faltenreiche Robe. Die ſpitzen und zarten<lb/> farbigen Schuhe hatten noch immer die hohen, ausgeſchweiften<lb/> Abſätze, welche gewöhnlich von anderer Farbe wie der Schuh zu<lb/> ſein pflegten.</p><lb/> <p>Nur eine Neuigkeit war ſchon in der letzten Zeit vor dem<lb/> Ausbruch der franzöſiſchen Revolution an der Damenkleidung<lb/> entſtanden, das <hi rendition="#g">Bruſttuch</hi> oder <hi rendition="#g">Fichu</hi>, welches die ſtarke De-<lb/> colletirung zum Schutze des Teints ähnlich wie im funfzehnten<lb/> Jahrhundert das Goller hervorgerufen hatte. In ſeiner gewöhn-<lb/> lichen Weiſe legte es ſich wie ein Shawl um den Nacken und<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [304/0316]
III. Die Neuzeit.
die Bordüre weiß und grün von Gemüſe, mit Garteninſtrumen-
ten, Vogelkäfigen, auf den Taſchen Obſtbäume und Körbe, Gärt-
ner und Gärtnerin, Milcheſel und Ziegen.“
Wenn wir von jenem Coſtüm der Damen abſehen, welches
ſie der ſchöngeiſtigen Männerwelt nachgebildet hatten, und wel-
ches ebenfalls England ſeinen erſten Urſprung verdankte, ſo hatte
die Frauentracht, namentlich bei hoher Toilette, mochte ſie
der Frau Gräfin oder der Frau Amtmännin angehören, noch
nichts von ihrem alten Charakter verloren. Noch thürmten ſich
die Friſuren mit mächtigen Hauben und Hüten in „ſublimer Voll-
kommenheit“ kunſtvoll in die Höhe, und die Frauen achteten es
für nichts, wenn ſie mit Hintanſetzung aller häuslichen und müt-
terlichen Pflichten Stunden lang ſich dem Friſeur hingaben oder
mit eigenen Händen noch länger an ſich herumkünſtelten. Es
war keine Seltenheit, ja ſogar ein gewöhnliches Ereigniß, wenn
ein großes Feſt bevorſtand und demzufolge Mangel an kunſt-
fertigen Friſeurhänden ſich einſtellte, daß die Damen ſchon am
Tage vorher ſich coiffiren ließen und nun in ängſtlicher Stellung
die Nacht und den Tag verbringen mußten, um das Gebäude zu
ſchützen und möglichſt friſch zu erhalten. Noch lag die Bruſt in
gleicher Weiſe offen wie früher, und die Arme waren bis zum
Ellbogen entblößt. Die Schnürbruſt herrſchte unerbittlich und
drückte die Taille lang und eng herab; dann breitete ſich das
Kleid, durch Reifrock oder Bouffanten und Culs geſtützt, in
mächtiger Weiſe aus, und darüber legte ſich mit reichen Gar-
nirungen die offene, faltenreiche Robe. Die ſpitzen und zarten
farbigen Schuhe hatten noch immer die hohen, ausgeſchweiften
Abſätze, welche gewöhnlich von anderer Farbe wie der Schuh zu
ſein pflegten.
Nur eine Neuigkeit war ſchon in der letzten Zeit vor dem
Ausbruch der franzöſiſchen Revolution an der Damenkleidung
entſtanden, das Bruſttuch oder Fichu, welches die ſtarke De-
colletirung zum Schutze des Teints ähnlich wie im funfzehnten
Jahrhundert das Goller hervorgerufen hatte. In ſeiner gewöhn-
lichen Weiſe legte es ſich wie ein Shawl um den Nacken und
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