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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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III. Die Neuzeit.
anspielten. Bei der Thronbesteigung Friedrich Wilhelms II.
wurden Huldigungsfächer angekündigt, die mit mythologischen
und allegorischen Gegenständen, von der Hand Chodowiecki's
gestochen, an diese Begebenheit erinnerten. Die schönste Aus-
wahl hatte wohl der Fächerfabrikant Löschenkohl in Wien, dessen
am 15. Mai 1786 veröffentlichtem Verzeichniß wir einige Bei-
spiele entnehmen wollen: "Physiognomische Fächer, wozu
die Köpfe aus Lavaters Physiognomik genommen sind, und die
dem schönen Geschlecht bei Erwählung eines Liebhabers vorzüg-
lich nützlich sein können. Sollten diese Fächer jenen Beifall er-
halten, den man zu hoffen Ursache hat, so wird nach und nach
die ganze Sammlung Lavaters physiognomischer Kenntnisse auf
gleiche Art erscheinen. Fächer zur geheimen Sprache der
Liebe
, vermittelst welcher sich Personen in einer Gesellschaft
unterreden können, ohne von andern bemerket zu werden. Fächer
mit optischer Mädchenwahl
; hier erblickt man Mannsper-
sonen, die sich auf solche Art unter Schönen allerlei Arten eine
Geliebte wählen" u. s. w. Auch hatte Herr Löschenkohl Fächer,
auf denen Lotte bei Werthers Grab und Lotte in Ohnmacht mit
Albert dargestellt war.

Das freiere, in Formen und Farben einfachere Costüm kam
zwar verhältnißmäßig früh in Deutschland zu einigem Ansehen,
indem es hier theilweise an den vielen nach dem siebenjährigen
Kriege zum Civil zurückgekehrten Offizieren und überhaupt an
dem spezifisch preußischen Militärgeiste Anhang fand, insbesondere
aber die Schön- und Freigeister in allen Classen und Ständen
für sich gewann, dennoch aber ist es in seinen Formen aus der
Fremde herübergekommen. Wir müssen den runden Hut und den
einfachen Frack bei den Quäkern und Pflanzern, bei den Re-
publikanern Nordamerika's aufsuchen, von denen sie die freund-
schaftlichen, im Unabhängigkeitskriege bewährten Beziehungen
mit Frankreich bald diesem Lande zuführten. England zeichnete
sich ohnehin zu jener Zeit, sowie auch durch die ganze Periode
der Revolution dadurch aus, daß es männlicher- wie weiblicher-
seits die einfachere, solidere Eleganz liebte und sich von allen

III. Die Neuzeit.
anſpielten. Bei der Thronbeſteigung Friedrich Wilhelms II.
wurden Huldigungsfächer angekündigt, die mit mythologiſchen
und allegoriſchen Gegenſtänden, von der Hand Chodowiecki’s
geſtochen, an dieſe Begebenheit erinnerten. Die ſchönſte Aus-
wahl hatte wohl der Fächerfabrikant Löſchenkohl in Wien, deſſen
am 15. Mai 1786 veröffentlichtem Verzeichniß wir einige Bei-
ſpiele entnehmen wollen: „Phyſiognomiſche Fächer, wozu
die Köpfe aus Lavaters Phyſiognomik genommen ſind, und die
dem ſchönen Geſchlecht bei Erwählung eines Liebhabers vorzüg-
lich nützlich ſein können. Sollten dieſe Fächer jenen Beifall er-
halten, den man zu hoffen Urſache hat, ſo wird nach und nach
die ganze Sammlung Lavaters phyſiognomiſcher Kenntniſſe auf
gleiche Art erſcheinen. Fächer zur geheimen Sprache der
Liebe
, vermittelſt welcher ſich Perſonen in einer Geſellſchaft
unterreden können, ohne von andern bemerket zu werden. Fächer
mit optiſcher Mädchenwahl
; hier erblickt man Mannsper-
ſonen, die ſich auf ſolche Art unter Schönen allerlei Arten eine
Geliebte wählen“ u. ſ. w. Auch hatte Herr Löſchenkohl Fächer,
auf denen Lotte bei Werthers Grab und Lotte in Ohnmacht mit
Albert dargeſtellt war.

Das freiere, in Formen und Farben einfachere Coſtüm kam
zwar verhältnißmäßig früh in Deutſchland zu einigem Anſehen,
indem es hier theilweiſe an den vielen nach dem ſiebenjährigen
Kriege zum Civil zurückgekehrten Offizieren und überhaupt an
dem ſpezifiſch preußiſchen Militärgeiſte Anhang fand, insbeſondere
aber die Schön- und Freigeiſter in allen Claſſen und Ständen
für ſich gewann, dennoch aber iſt es in ſeinen Formen aus der
Fremde herübergekommen. Wir müſſen den runden Hut und den
einfachen Frack bei den Quäkern und Pflanzern, bei den Re-
publikanern Nordamerika’s aufſuchen, von denen ſie die freund-
ſchaftlichen, im Unabhängigkeitskriege bewährten Beziehungen
mit Frankreich bald dieſem Lande zuführten. England zeichnete
ſich ohnehin zu jener Zeit, ſowie auch durch die ganze Periode
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[300/0312] III. Die Neuzeit. anſpielten. Bei der Thronbeſteigung Friedrich Wilhelms II. wurden Huldigungsfächer angekündigt, die mit mythologiſchen und allegoriſchen Gegenſtänden, von der Hand Chodowiecki’s geſtochen, an dieſe Begebenheit erinnerten. Die ſchönſte Aus- wahl hatte wohl der Fächerfabrikant Löſchenkohl in Wien, deſſen am 15. Mai 1786 veröffentlichtem Verzeichniß wir einige Bei- ſpiele entnehmen wollen: „Phyſiognomiſche Fächer, wozu die Köpfe aus Lavaters Phyſiognomik genommen ſind, und die dem ſchönen Geſchlecht bei Erwählung eines Liebhabers vorzüg- lich nützlich ſein können. Sollten dieſe Fächer jenen Beifall er- halten, den man zu hoffen Urſache hat, ſo wird nach und nach die ganze Sammlung Lavaters phyſiognomiſcher Kenntniſſe auf gleiche Art erſcheinen. Fächer zur geheimen Sprache der Liebe, vermittelſt welcher ſich Perſonen in einer Geſellſchaft unterreden können, ohne von andern bemerket zu werden. Fächer mit optiſcher Mädchenwahl; hier erblickt man Mannsper- ſonen, die ſich auf ſolche Art unter Schönen allerlei Arten eine Geliebte wählen“ u. ſ. w. Auch hatte Herr Löſchenkohl Fächer, auf denen Lotte bei Werthers Grab und Lotte in Ohnmacht mit Albert dargeſtellt war. Das freiere, in Formen und Farben einfachere Coſtüm kam zwar verhältnißmäßig früh in Deutſchland zu einigem Anſehen, indem es hier theilweiſe an den vielen nach dem ſiebenjährigen Kriege zum Civil zurückgekehrten Offizieren und überhaupt an dem ſpezifiſch preußiſchen Militärgeiſte Anhang fand, insbeſondere aber die Schön- und Freigeiſter in allen Claſſen und Ständen für ſich gewann, dennoch aber iſt es in ſeinen Formen aus der Fremde herübergekommen. Wir müſſen den runden Hut und den einfachen Frack bei den Quäkern und Pflanzern, bei den Re- publikanern Nordamerika’s aufſuchen, von denen ſie die freund- ſchaftlichen, im Unabhängigkeitskriege bewährten Beziehungen mit Frankreich bald dieſem Lande zuführten. England zeichnete ſich ohnehin zu jener Zeit, ſowie auch durch die ganze Periode der Revolution dadurch aus, daß es männlicher- wie weiblicher- ſeits die einfachere, ſolidere Eleganz liebte und ſich von allen

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/312>, abgerufen am 24.11.2024.