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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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5. Die Periode des Zopfes und die Revolution.
1780 können wir weibliche Gestalten sehen, denen der Rock flach
und senkrecht von den Hüften herabfällt. Wenn wir hieran auch
erkennen mögen, daß wir uns einer andern Zeit nähern, so war
derselben doch keineswegs ein so friedlicher Triumph gestattet.
Es geschieht noch im Geiste der alten Zeit, im Geiste des
Zopfes und des Reifrocks, wenn nun statt des letzteren die fal-
schen Culs und Bouffanten in Mode kommen, und was die Ge-
stalt en face verliert, somit das Profil der Rückseite ihr wieder
zulegt.

Mit dem Fall des Reifrocks und dem Wachsen des Culs
kehrt auch die Robe in ihre alten Rechte zurück. Vor der unge-
messenen Weite ihrer Unterlage war ihr im gewöhnlichen Leben
kein Raum mehr übrig geblieben, und sie wurde daher bis in
die letzten Jahrzehnte des Jahrhunderts nur zur höchsten Gala
getragen. Dann wird sie wieder allgemeiner, doch ohne die
lange Schleppe, welche die Periode Ludwigs XIV. ausgezeichnet
hatte. Das Unterkleid, welches mit Falbeln, Volants, Blon-
den und Stickereien unten reich besetzt wurde, mußte immer
sichtbar bleiben, und deßhalb wurde der Rock der Robe stets
rundum in sehr mannigfaltiger Weise aufgebunden. Erst der
Gräkomanie der neunziger Jahre erlag die Robe gänzlich.

Eine häufige Ersetzung der Robe in der Zeit des Reifrocks,
häufiger aber noch des Mantels, bot die s. g. Contouche dar.
Das Frauenzimmerlexikon (1715) beschreibt sie auf folgende
Weise: "Contouche ist ein auf absonderliche Art aus allerhand
seidenen auch wollenen Zeugen verfertigter weiter Ueberzug und
halbes Oberkleid, so fast einem weiten und langen Manteln mit
Aermeln gleichet, und dessen sich das Frauenzimmer sowohl in-
als außerhalb des Hauses zu ihrer commodite bedienet, und
selbigen mit einem Bande oben über die Brust vornher zuzu-
binden pfleget; diejenigen, so man in dem Hause trägt, sind
etwas kürzer als die andern und werden, weil sie ganz klein und
kurz seind, von etlichen auch Cossäcklein benennet." Die Con-
touche schloß demnach über den Schultern an und erweiterte sich
dann ohne alle Taille, sodaß die Trägerin mit ihr, mochte sie

Falke, Trachten- und Modenwelt. II. 19

5. Die Periode des Zopfes und die Revolution.
1780 können wir weibliche Geſtalten ſehen, denen der Rock flach
und ſenkrecht von den Hüften herabfällt. Wenn wir hieran auch
erkennen mögen, daß wir uns einer andern Zeit nähern, ſo war
derſelben doch keineswegs ein ſo friedlicher Triumph geſtattet.
Es geſchieht noch im Geiſte der alten Zeit, im Geiſte des
Zopfes und des Reifrocks, wenn nun ſtatt des letzteren die fal-
ſchen Culs und Bouffanten in Mode kommen, und was die Ge-
ſtalt en face verliert, ſomit das Profil der Rückſeite ihr wieder
zulegt.

Mit dem Fall des Reifrocks und dem Wachſen des Culs
kehrt auch die Robe in ihre alten Rechte zurück. Vor der unge-
meſſenen Weite ihrer Unterlage war ihr im gewöhnlichen Leben
kein Raum mehr übrig geblieben, und ſie wurde daher bis in
die letzten Jahrzehnte des Jahrhunderts nur zur höchſten Gala
getragen. Dann wird ſie wieder allgemeiner, doch ohne die
lange Schleppe, welche die Periode Ludwigs XIV. ausgezeichnet
hatte. Das Unterkleid, welches mit Falbeln, Volants, Blon-
den und Stickereien unten reich beſetzt wurde, mußte immer
ſichtbar bleiben, und deßhalb wurde der Rock der Robe ſtets
rundum in ſehr mannigfaltiger Weiſe aufgebunden. Erſt der
Gräkomanie der neunziger Jahre erlag die Robe gänzlich.

Eine häufige Erſetzung der Robe in der Zeit des Reifrocks,
häufiger aber noch des Mantels, bot die ſ. g. Contouche dar.
Das Frauenzimmerlexikon (1715) beſchreibt ſie auf folgende
Weiſe: „Contouche iſt ein auf abſonderliche Art aus allerhand
ſeidenen auch wollenen Zeugen verfertigter weiter Ueberzug und
halbes Oberkleid, ſo faſt einem weiten und langen Manteln mit
Aermeln gleichet, und deſſen ſich das Frauenzimmer ſowohl in-
als außerhalb des Hauſes zu ihrer commodité bedienet, und
ſelbigen mit einem Bande oben über die Bruſt vornher zuzu-
binden pfleget; diejenigen, ſo man in dem Hauſe trägt, ſind
etwas kürzer als die andern und werden, weil ſie ganz klein und
kurz ſeind, von etlichen auch Coſſäcklein benennet.“ Die Con-
touche ſchloß demnach über den Schultern an und erweiterte ſich
dann ohne alle Taille, ſodaß die Trägerin mit ihr, mochte ſie

Falke, Trachten- und Modenwelt. II. 19
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[289/0301] 5. Die Periode des Zopfes und die Revolution. 1780 können wir weibliche Geſtalten ſehen, denen der Rock flach und ſenkrecht von den Hüften herabfällt. Wenn wir hieran auch erkennen mögen, daß wir uns einer andern Zeit nähern, ſo war derſelben doch keineswegs ein ſo friedlicher Triumph geſtattet. Es geſchieht noch im Geiſte der alten Zeit, im Geiſte des Zopfes und des Reifrocks, wenn nun ſtatt des letzteren die fal- ſchen Culs und Bouffanten in Mode kommen, und was die Ge- ſtalt en face verliert, ſomit das Profil der Rückſeite ihr wieder zulegt. Mit dem Fall des Reifrocks und dem Wachſen des Culs kehrt auch die Robe in ihre alten Rechte zurück. Vor der unge- meſſenen Weite ihrer Unterlage war ihr im gewöhnlichen Leben kein Raum mehr übrig geblieben, und ſie wurde daher bis in die letzten Jahrzehnte des Jahrhunderts nur zur höchſten Gala getragen. Dann wird ſie wieder allgemeiner, doch ohne die lange Schleppe, welche die Periode Ludwigs XIV. ausgezeichnet hatte. Das Unterkleid, welches mit Falbeln, Volants, Blon- den und Stickereien unten reich beſetzt wurde, mußte immer ſichtbar bleiben, und deßhalb wurde der Rock der Robe ſtets rundum in ſehr mannigfaltiger Weiſe aufgebunden. Erſt der Gräkomanie der neunziger Jahre erlag die Robe gänzlich. Eine häufige Erſetzung der Robe in der Zeit des Reifrocks, häufiger aber noch des Mantels, bot die ſ. g. Contouche dar. Das Frauenzimmerlexikon (1715) beſchreibt ſie auf folgende Weiſe: „Contouche iſt ein auf abſonderliche Art aus allerhand ſeidenen auch wollenen Zeugen verfertigter weiter Ueberzug und halbes Oberkleid, ſo faſt einem weiten und langen Manteln mit Aermeln gleichet, und deſſen ſich das Frauenzimmer ſowohl in- als außerhalb des Hauſes zu ihrer commodité bedienet, und ſelbigen mit einem Bande oben über die Bruſt vornher zuzu- binden pfleget; diejenigen, ſo man in dem Hauſe trägt, ſind etwas kürzer als die andern und werden, weil ſie ganz klein und kurz ſeind, von etlichen auch Coſſäcklein benennet.“ Die Con- touche ſchloß demnach über den Schultern an und erweiterte ſich dann ohne alle Taille, ſodaß die Trägerin mit ihr, mochte ſie Falke, Trachten- und Modenwelt. II. 19

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/301>, abgerufen am 24.11.2024.