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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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III. Die Neuzeit.

Wir brauchen hier keine Vergleichung mit der neuesten
Gegenwart aufzustellen, sie ergiebt sich in allen Einzelheiten von
selbst; so auch in der folgenden Beschreibung, die ein medizini-
scher Schriftsteller mittheilt: "Der glockenartige Reifrock ist vorn
und hinten so zusammengedrückt, daß er eiförmig wird. Er be-
steht aus vier Reifen von elliptischer Form, deren einer immer
größer ist als der andere. Der untere, als der weiteste Reifen,
hat gemeiniglich sieben bis acht Ellen im Umfang der ganzen
Weite nach, weniger die aufwärts folgenden, der oberste nurvier
Ellen. Am obersten Reifen sind auf beiden Seiten zwei Halb-
zirkel, Bügel genannt, angeheftet, davon der unterste Bügel
nicht so weit und groß ist als der darauf folgende oberste Halb-
zirkel. Die Bügel haben den Nutzen, daß der Reifrock oben
nicht sogar spitzig zulaufen und von einem allzuengen Raume
sich nicht auf einmal in die Weite ausbreiten möchte. Die Rei-
fen sind aus Fischbein oder Rohr; sie sind eine halbe Elle von
einander entfernt, der Zwischenraum ist mit linnenem, wollenem
oder seidenem Zeuge ausgefüllt, auch mit Bändern und Tressen
besetzt. Darüber werden nun die weiten Röcke und Kleider ge-
zogen."

Wie heute wurden auch damals die Reifen häufig aus
Stahl statt aus Fischbein gemacht. Letzteres stieg bedeutend im
Preise, worüber die Mägde sich zu beschweren begannen, da sie
zu ihren gesteiften Miedern viel Fischbein bedurften. Ein ver-
sifizirtes fliegendes Blatt behandelt diesen Gegenstand und läßt
sogar die Mägde ihre Klage vor die Obrigkeit bringen. Es
heißt darin:

"Man klaget sonst auch noch bei dieser neuen Tracht,
Daß man das Fischbein hat dadurch sehr rar gemacht,
Sodaß dasselbige an allen End und Orten,
Wie jedermann wohl weiß, viel theurer ist geworden.
"Es ist das Mägdevolk darüber voll Verdruß,
Weil es das Fischbein itzt so theuer zahlen muß,
Wenn es sich etwa will ein Mieder machen lassen;
Da schwört und fluchet es und fänget an zu rasen.
III. Die Neuzeit.

Wir brauchen hier keine Vergleichung mit der neueſten
Gegenwart aufzuſtellen, ſie ergiebt ſich in allen Einzelheiten von
ſelbſt; ſo auch in der folgenden Beſchreibung, die ein medizini-
ſcher Schriftſteller mittheilt: „Der glockenartige Reifrock iſt vorn
und hinten ſo zuſammengedrückt, daß er eiförmig wird. Er be-
ſteht aus vier Reifen von elliptiſcher Form, deren einer immer
größer iſt als der andere. Der untere, als der weiteſte Reifen,
hat gemeiniglich ſieben bis acht Ellen im Umfang der ganzen
Weite nach, weniger die aufwärts folgenden, der oberſte nurvier
Ellen. Am oberſten Reifen ſind auf beiden Seiten zwei Halb-
zirkel, Bügel genannt, angeheftet, davon der unterſte Bügel
nicht ſo weit und groß iſt als der darauf folgende oberſte Halb-
zirkel. Die Bügel haben den Nutzen, daß der Reifrock oben
nicht ſogar ſpitzig zulaufen und von einem allzuengen Raume
ſich nicht auf einmal in die Weite ausbreiten möchte. Die Rei-
fen ſind aus Fiſchbein oder Rohr; ſie ſind eine halbe Elle von
einander entfernt, der Zwiſchenraum iſt mit linnenem, wollenem
oder ſeidenem Zeuge ausgefüllt, auch mit Bändern und Treſſen
beſetzt. Darüber werden nun die weiten Röcke und Kleider ge-
zogen.“

Wie heute wurden auch damals die Reifen häufig aus
Stahl ſtatt aus Fiſchbein gemacht. Letzteres ſtieg bedeutend im
Preiſe, worüber die Mägde ſich zu beſchweren begannen, da ſie
zu ihren geſteiften Miedern viel Fiſchbein bedurften. Ein ver-
ſifizirtes fliegendes Blatt behandelt dieſen Gegenſtand und läßt
ſogar die Mägde ihre Klage vor die Obrigkeit bringen. Es
heißt darin:

„Man klaget ſonſt auch noch bei dieſer neuen Tracht,
Daß man das Fiſchbein hat dadurch ſehr rar gemacht,
Sodaß daſſelbige an allen End und Orten,
Wie jedermann wohl weiß, viel theurer iſt geworden.
„Es iſt das Mägdevolk darüber voll Verdruß,
Weil es das Fiſchbein itzt ſo theuer zahlen muß,
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[286/0298] III. Die Neuzeit. Wir brauchen hier keine Vergleichung mit der neueſten Gegenwart aufzuſtellen, ſie ergiebt ſich in allen Einzelheiten von ſelbſt; ſo auch in der folgenden Beſchreibung, die ein medizini- ſcher Schriftſteller mittheilt: „Der glockenartige Reifrock iſt vorn und hinten ſo zuſammengedrückt, daß er eiförmig wird. Er be- ſteht aus vier Reifen von elliptiſcher Form, deren einer immer größer iſt als der andere. Der untere, als der weiteſte Reifen, hat gemeiniglich ſieben bis acht Ellen im Umfang der ganzen Weite nach, weniger die aufwärts folgenden, der oberſte nurvier Ellen. Am oberſten Reifen ſind auf beiden Seiten zwei Halb- zirkel, Bügel genannt, angeheftet, davon der unterſte Bügel nicht ſo weit und groß iſt als der darauf folgende oberſte Halb- zirkel. Die Bügel haben den Nutzen, daß der Reifrock oben nicht ſogar ſpitzig zulaufen und von einem allzuengen Raume ſich nicht auf einmal in die Weite ausbreiten möchte. Die Rei- fen ſind aus Fiſchbein oder Rohr; ſie ſind eine halbe Elle von einander entfernt, der Zwiſchenraum iſt mit linnenem, wollenem oder ſeidenem Zeuge ausgefüllt, auch mit Bändern und Treſſen beſetzt. Darüber werden nun die weiten Röcke und Kleider ge- zogen.“ Wie heute wurden auch damals die Reifen häufig aus Stahl ſtatt aus Fiſchbein gemacht. Letzteres ſtieg bedeutend im Preiſe, worüber die Mägde ſich zu beſchweren begannen, da ſie zu ihren geſteiften Miedern viel Fiſchbein bedurften. Ein ver- ſifizirtes fliegendes Blatt behandelt dieſen Gegenſtand und läßt ſogar die Mägde ihre Klage vor die Obrigkeit bringen. Es heißt darin: „Man klaget ſonſt auch noch bei dieſer neuen Tracht, Daß man das Fiſchbein hat dadurch ſehr rar gemacht, Sodaß daſſelbige an allen End und Orten, Wie jedermann wohl weiß, viel theurer iſt geworden. „Es iſt das Mägdevolk darüber voll Verdruß, Weil es das Fiſchbein itzt ſo theuer zahlen muß, Wenn es ſich etwa will ein Mieder machen laſſen; Da ſchwört und fluchet es und fänget an zu raſen.

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/298>, abgerufen am 24.11.2024.