Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.

Bild:
<< vorherige Seite

4. Die Staatsperrücke u. d. absolute Herrschaft d. franz. Mode.
besseren Gesellschaft verbannt gehalten hatte. Nun tritt er in sehr
bemerkenswerther Weise wieder in seine alten Rechte ein. Es ist
in der That noch die alte Schaube, oder, wenn wir noch weiter
zurückgehen wollen, die obere Tunica, mit welcher wir es hier zu
thun haben. Der wohlhabende Bauer hatte sie als sein Staats-
oder Kirchenkleid freilich in einer bäurischen Form fort und fort
getragen. Von ihm aus stieg sie in folgender Weise wieder auf-
wärts zur höchsten Ehre.

Wir müssen uns erinnern, daß mit dem dreißigjährigen
Krieg die stehenden Heere ihren Anfang nehmen. Dieselben
bedurften nun sowohl der Disciplin wie des Prunkes wegen
nothwendig der Uniformirung. Ohnehin lag die Neigung dazu
in der Zeit. Eine Uniform aber wird nicht erfunden, oder wurde
es wenigstens nicht: man nahm, was man vorfand, und änderte
um zu gleichem Schnitt und gleicher Farbe. Nun brachte der
Rekrut, welcher meist dem Landvolk oder dem unteren Bürger-
stande angehörte, einen langen, weiten Rock mit, der wie ein
Sack faltenlos und ohne Taille bis auf's Knie herabhing. Es
war sein bestes Kleid, seine Art von Ueberwurf, eben die ein-
zige, die sich erhalten hatte. Dieser Rock nun wurde Uniform-
stück. In Deutschland sehen wir ihn noch völlig so mehrere
Jahrzehnte beim gemeinen Soldaten (noch 1680), bei den Hand-
werkern, insbesondere auch bei den niedern Beamten der Städte,
den Stadt- und Gerichtsdienern, bei welchen er sich in dieser un-
schönen Form am längsten erhielt. Sowie er beim Militär zum
Uniformrock geworden war, mußten ihn auch die Offiziere tra-
gen, und damit lag zugleich die Nothwendigkeit vor, ihn nach
zeitgemäßer Eleganz zu ändern. Es geschah so, daß er unter der
Perrücke nicht wie das Wamms zu winzig schien, dabei aber doch
eine gewisse Zierlichkeit erhielt. So bekam er zunächst Taille
und mußte sich dem Oberkörper eng anschließen, sodaß nun aus
dem weiten Ueberwurf, völlig der Richtung der Zeit entsprechend,
ein Justaucorps wurde. Anstatt der Nesteln und Haken
wurde er von oben bis unten mit glänzenden Knöpfen besetzt,
die Knopflöcher und Säume ringsum mit Goldborten und Gold-

Falke, Trachten- und Modenwelt. II. 16

4. Die Staatsperrücke u. d. abſolute Herrſchaft d. franz. Mode.
beſſeren Geſellſchaft verbannt gehalten hatte. Nun tritt er in ſehr
bemerkenswerther Weiſe wieder in ſeine alten Rechte ein. Es iſt
in der That noch die alte Schaube, oder, wenn wir noch weiter
zurückgehen wollen, die obere Tunica, mit welcher wir es hier zu
thun haben. Der wohlhabende Bauer hatte ſie als ſein Staats-
oder Kirchenkleid freilich in einer bäuriſchen Form fort und fort
getragen. Von ihm aus ſtieg ſie in folgender Weiſe wieder auf-
wärts zur höchſten Ehre.

Wir müſſen uns erinnern, daß mit dem dreißigjährigen
Krieg die ſtehenden Heere ihren Anfang nehmen. Dieſelben
bedurften nun ſowohl der Disciplin wie des Prunkes wegen
nothwendig der Uniformirung. Ohnehin lag die Neigung dazu
in der Zeit. Eine Uniform aber wird nicht erfunden, oder wurde
es wenigſtens nicht: man nahm, was man vorfand, und änderte
um zu gleichem Schnitt und gleicher Farbe. Nun brachte der
Rekrut, welcher meiſt dem Landvolk oder dem unteren Bürger-
ſtande angehörte, einen langen, weiten Rock mit, der wie ein
Sack faltenlos und ohne Taille bis auf’s Knie herabhing. Es
war ſein beſtes Kleid, ſeine Art von Ueberwurf, eben die ein-
zige, die ſich erhalten hatte. Dieſer Rock nun wurde Uniform-
ſtück. In Deutſchland ſehen wir ihn noch völlig ſo mehrere
Jahrzehnte beim gemeinen Soldaten (noch 1680), bei den Hand-
werkern, insbeſondere auch bei den niedern Beamten der Städte,
den Stadt- und Gerichtsdienern, bei welchen er ſich in dieſer un-
ſchönen Form am längſten erhielt. Sowie er beim Militär zum
Uniformrock geworden war, mußten ihn auch die Offiziere tra-
gen, und damit lag zugleich die Nothwendigkeit vor, ihn nach
zeitgemäßer Eleganz zu ändern. Es geſchah ſo, daß er unter der
Perrücke nicht wie das Wamms zu winzig ſchien, dabei aber doch
eine gewiſſe Zierlichkeit erhielt. So bekam er zunächſt Taille
und mußte ſich dem Oberkörper eng anſchließen, ſodaß nun aus
dem weiten Ueberwurf, völlig der Richtung der Zeit entſprechend,
ein Juſtaucorps wurde. Anſtatt der Neſteln und Haken
wurde er von oben bis unten mit glänzenden Knöpfen beſetzt,
die Knopflöcher und Säume ringsum mit Goldborten und Gold-

Falke, Trachten- und Modenwelt. II. 16
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0253" n="241"/><fw place="top" type="header">4. Die Staatsperrücke u. d. ab&#x017F;olute Herr&#x017F;chaft d. franz. Mode.</fw><lb/>
be&#x017F;&#x017F;eren Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft verbannt gehalten hatte. Nun tritt er in &#x017F;ehr<lb/>
bemerkenswerther Wei&#x017F;e wieder in &#x017F;eine alten Rechte ein. Es i&#x017F;t<lb/>
in der That noch die alte Schaube, oder, wenn wir noch weiter<lb/>
zurückgehen wollen, die obere Tunica, mit welcher wir es hier zu<lb/>
thun haben. Der wohlhabende Bauer hatte &#x017F;ie als &#x017F;ein Staats-<lb/>
oder Kirchenkleid freilich in einer bäuri&#x017F;chen Form fort und fort<lb/>
getragen. Von ihm aus &#x017F;tieg &#x017F;ie in folgender Wei&#x017F;e wieder auf-<lb/>
wärts zur höch&#x017F;ten Ehre.</p><lb/>
          <p>Wir mü&#x017F;&#x017F;en uns erinnern, daß mit dem dreißigjährigen<lb/>
Krieg die &#x017F;tehenden Heere ihren Anfang nehmen. Die&#x017F;elben<lb/>
bedurften nun &#x017F;owohl der Disciplin wie des Prunkes wegen<lb/>
nothwendig der Uniformirung. Ohnehin lag die Neigung dazu<lb/>
in der Zeit. Eine Uniform aber wird nicht erfunden, oder wurde<lb/>
es wenig&#x017F;tens nicht: man nahm, was man vorfand, und änderte<lb/>
um zu gleichem Schnitt und gleicher Farbe. Nun brachte der<lb/>
Rekrut, welcher mei&#x017F;t dem Landvolk oder dem unteren Bürger-<lb/>
&#x017F;tande angehörte, einen langen, weiten Rock mit, der wie ein<lb/>
Sack faltenlos und ohne Taille bis auf&#x2019;s Knie herabhing. Es<lb/>
war &#x017F;ein be&#x017F;tes Kleid, <hi rendition="#g">&#x017F;eine</hi> Art von Ueberwurf, eben die ein-<lb/>
zige, die &#x017F;ich erhalten hatte. Die&#x017F;er Rock nun wurde Uniform-<lb/>
&#x017F;tück. In Deut&#x017F;chland &#x017F;ehen wir ihn noch völlig &#x017F;o mehrere<lb/>
Jahrzehnte beim gemeinen Soldaten (noch 1680), bei den Hand-<lb/>
werkern, insbe&#x017F;ondere auch bei den niedern Beamten der Städte,<lb/>
den Stadt- und Gerichtsdienern, bei welchen er &#x017F;ich in die&#x017F;er un-<lb/>
&#x017F;chönen Form am läng&#x017F;ten erhielt. Sowie er beim Militär zum<lb/>
Uniformrock geworden war, mußten ihn auch die Offiziere tra-<lb/>
gen, und damit lag zugleich die Nothwendigkeit vor, ihn nach<lb/>
zeitgemäßer Eleganz zu ändern. Es ge&#x017F;chah &#x017F;o, daß er unter der<lb/>
Perrücke nicht wie das Wamms zu winzig &#x017F;chien, dabei aber doch<lb/>
eine gewi&#x017F;&#x017F;e Zierlichkeit erhielt. So bekam er zunäch&#x017F;t Taille<lb/>
und mußte &#x017F;ich dem Oberkörper eng an&#x017F;chließen, &#x017F;odaß nun aus<lb/>
dem weiten Ueberwurf, völlig der Richtung der Zeit ent&#x017F;prechend,<lb/>
ein <hi rendition="#g">Ju&#x017F;taucorps</hi> wurde. An&#x017F;tatt der Ne&#x017F;teln und Haken<lb/>
wurde er von oben bis unten mit glänzenden Knöpfen be&#x017F;etzt,<lb/>
die Knopflöcher und Säume ringsum mit Goldborten und Gold-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Falke</hi>, Trachten- und Modenwelt. <hi rendition="#aq">II.</hi> 16</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[241/0253] 4. Die Staatsperrücke u. d. abſolute Herrſchaft d. franz. Mode. beſſeren Geſellſchaft verbannt gehalten hatte. Nun tritt er in ſehr bemerkenswerther Weiſe wieder in ſeine alten Rechte ein. Es iſt in der That noch die alte Schaube, oder, wenn wir noch weiter zurückgehen wollen, die obere Tunica, mit welcher wir es hier zu thun haben. Der wohlhabende Bauer hatte ſie als ſein Staats- oder Kirchenkleid freilich in einer bäuriſchen Form fort und fort getragen. Von ihm aus ſtieg ſie in folgender Weiſe wieder auf- wärts zur höchſten Ehre. Wir müſſen uns erinnern, daß mit dem dreißigjährigen Krieg die ſtehenden Heere ihren Anfang nehmen. Dieſelben bedurften nun ſowohl der Disciplin wie des Prunkes wegen nothwendig der Uniformirung. Ohnehin lag die Neigung dazu in der Zeit. Eine Uniform aber wird nicht erfunden, oder wurde es wenigſtens nicht: man nahm, was man vorfand, und änderte um zu gleichem Schnitt und gleicher Farbe. Nun brachte der Rekrut, welcher meiſt dem Landvolk oder dem unteren Bürger- ſtande angehörte, einen langen, weiten Rock mit, der wie ein Sack faltenlos und ohne Taille bis auf’s Knie herabhing. Es war ſein beſtes Kleid, ſeine Art von Ueberwurf, eben die ein- zige, die ſich erhalten hatte. Dieſer Rock nun wurde Uniform- ſtück. In Deutſchland ſehen wir ihn noch völlig ſo mehrere Jahrzehnte beim gemeinen Soldaten (noch 1680), bei den Hand- werkern, insbeſondere auch bei den niedern Beamten der Städte, den Stadt- und Gerichtsdienern, bei welchen er ſich in dieſer un- ſchönen Form am längſten erhielt. Sowie er beim Militär zum Uniformrock geworden war, mußten ihn auch die Offiziere tra- gen, und damit lag zugleich die Nothwendigkeit vor, ihn nach zeitgemäßer Eleganz zu ändern. Es geſchah ſo, daß er unter der Perrücke nicht wie das Wamms zu winzig ſchien, dabei aber doch eine gewiſſe Zierlichkeit erhielt. So bekam er zunächſt Taille und mußte ſich dem Oberkörper eng anſchließen, ſodaß nun aus dem weiten Ueberwurf, völlig der Richtung der Zeit entſprechend, ein Juſtaucorps wurde. Anſtatt der Neſteln und Haken wurde er von oben bis unten mit glänzenden Knöpfen beſetzt, die Knopflöcher und Säume ringsum mit Goldborten und Gold- Falke, Trachten- und Modenwelt. II. 16

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/253
Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/253>, abgerufen am 24.11.2024.