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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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III. Die Neuzeit.
prunkenden Hofeleganz um, wie sie der Autokratie und der Eti-
quette Ludwigs XIV. conform war. Bis sie aber zu dieser Voll-
endung gekommen, machte sie ein Uebergangscostüm durch,
welches noch von dem windig lockern Wesen des kriegerischen
Stutzerthums durchweht ist. Wir können es, wie überall in
Deutschland, so auch an dem Leibe des großen Königs selbst bis
gegen das Jahr 1670 verfolgen. Dazu gehört noch das kurze,
zur Jacke gewordene, vorn aufgeknöpfte Wamms mit offenen
Aermeln und heraustretendem Hemd und ein Beinkleid, welches
ein ganz originales Ansehn hat, nebst Schuhen und Strümpfen.

Wir haben in der vorigen Periode gesehen, wie gegen
1650 das Beinkleid weit offen die Kniee umflatterte. Der
neue Geist zeigt sich zunächst darin, daß er es wieder zusammen-
faßt und unter dem Knie zusammenbindet, ohne aber von der
Weite zu nehmen. Auf diese Form bezieht sich das folgende
Epigramm:

"Man sagt: Das Weit an Hosen blieb immer oben stehn?
Jetzt sieht man Hosen weiter um Bein als Gürtel gehn."

Noch 1667 trägt Ludwig XIV. diese Hose. Aber so war sie
noch nicht vollständig, sondern es lag vom Gürtel ab eine Art
weiten Schurzes um sie herum, der wie die abgeschnittenen
Schöße des Wammses aussieht und einem kurzen Unterrock
gleich kommt, daher die Engländer dieses ganze Beinkleid
petticoat-breeches (Unterrockhose) nannten. So absonderlich
wie diese Mode war, so war sie doch allgemein verbreitet durch
Frankreich, Deutschland und England; nur der Spanier trug
sein enges Beinkleid nach wie vor. Aber von Dauer konnte sie
nicht sein, und mit dem Jahr 1670 geht sie in der modischen
Welt in die enge Kniehose über, während die niedern Bürger-
classen noch die unter dem Knie geschlossene pludrige Hose, aber
ohne den Schurz, festhalten.

Zu dem Uebergangscostüm finden wir im Anfang noch den
Kriegsmantel. Aber bald weicht er ganz vor dem Ueberwurf
oder Oberrock zurück, welchen der Krieg aus allen Kreisen der

III. Die Neuzeit.
prunkenden Hofeleganz um, wie ſie der Autokratie und der Eti-
quette Ludwigs XIV. conform war. Bis ſie aber zu dieſer Voll-
endung gekommen, machte ſie ein Uebergangscoſtüm durch,
welches noch von dem windig lockern Weſen des kriegeriſchen
Stutzerthums durchweht iſt. Wir können es, wie überall in
Deutſchland, ſo auch an dem Leibe des großen Königs ſelbſt bis
gegen das Jahr 1670 verfolgen. Dazu gehört noch das kurze,
zur Jacke gewordene, vorn aufgeknöpfte Wamms mit offenen
Aermeln und heraustretendem Hemd und ein Beinkleid, welches
ein ganz originales Anſehn hat, nebſt Schuhen und Strümpfen.

Wir haben in der vorigen Periode geſehen, wie gegen
1650 das Beinkleid weit offen die Kniee umflatterte. Der
neue Geiſt zeigt ſich zunächſt darin, daß er es wieder zuſammen-
faßt und unter dem Knie zuſammenbindet, ohne aber von der
Weite zu nehmen. Auf dieſe Form bezieht ſich das folgende
Epigramm:

„Man ſagt: Das Weit an Hoſen blieb immer oben ſtehn?
Jetzt ſieht man Hoſen weiter um Bein als Gürtel gehn.“

Noch 1667 trägt Ludwig XIV. dieſe Hoſe. Aber ſo war ſie
noch nicht vollſtändig, ſondern es lag vom Gürtel ab eine Art
weiten Schurzes um ſie herum, der wie die abgeſchnittenen
Schöße des Wammſes ausſieht und einem kurzen Unterrock
gleich kommt, daher die Engländer dieſes ganze Beinkleid
petticoat-breeches (Unterrockhoſe) nannten. So abſonderlich
wie dieſe Mode war, ſo war ſie doch allgemein verbreitet durch
Frankreich, Deutſchland und England; nur der Spanier trug
ſein enges Beinkleid nach wie vor. Aber von Dauer konnte ſie
nicht ſein, und mit dem Jahr 1670 geht ſie in der modiſchen
Welt in die enge Kniehoſe über, während die niedern Bürger-
claſſen noch die unter dem Knie geſchloſſene pludrige Hoſe, aber
ohne den Schurz, feſthalten.

Zu dem Uebergangscoſtüm finden wir im Anfang noch den
Kriegsmantel. Aber bald weicht er ganz vor dem Ueberwurf
oder Oberrock zurück, welchen der Krieg aus allen Kreiſen der

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[240/0252] III. Die Neuzeit. prunkenden Hofeleganz um, wie ſie der Autokratie und der Eti- quette Ludwigs XIV. conform war. Bis ſie aber zu dieſer Voll- endung gekommen, machte ſie ein Uebergangscoſtüm durch, welches noch von dem windig lockern Weſen des kriegeriſchen Stutzerthums durchweht iſt. Wir können es, wie überall in Deutſchland, ſo auch an dem Leibe des großen Königs ſelbſt bis gegen das Jahr 1670 verfolgen. Dazu gehört noch das kurze, zur Jacke gewordene, vorn aufgeknöpfte Wamms mit offenen Aermeln und heraustretendem Hemd und ein Beinkleid, welches ein ganz originales Anſehn hat, nebſt Schuhen und Strümpfen. Wir haben in der vorigen Periode geſehen, wie gegen 1650 das Beinkleid weit offen die Kniee umflatterte. Der neue Geiſt zeigt ſich zunächſt darin, daß er es wieder zuſammen- faßt und unter dem Knie zuſammenbindet, ohne aber von der Weite zu nehmen. Auf dieſe Form bezieht ſich das folgende Epigramm: „Man ſagt: Das Weit an Hoſen blieb immer oben ſtehn? Jetzt ſieht man Hoſen weiter um Bein als Gürtel gehn.“ Noch 1667 trägt Ludwig XIV. dieſe Hoſe. Aber ſo war ſie noch nicht vollſtändig, ſondern es lag vom Gürtel ab eine Art weiten Schurzes um ſie herum, der wie die abgeſchnittenen Schöße des Wammſes ausſieht und einem kurzen Unterrock gleich kommt, daher die Engländer dieſes ganze Beinkleid petticoat-breeches (Unterrockhoſe) nannten. So abſonderlich wie dieſe Mode war, ſo war ſie doch allgemein verbreitet durch Frankreich, Deutſchland und England; nur der Spanier trug ſein enges Beinkleid nach wie vor. Aber von Dauer konnte ſie nicht ſein, und mit dem Jahr 1670 geht ſie in der modiſchen Welt in die enge Kniehoſe über, während die niedern Bürger- claſſen noch die unter dem Knie geſchloſſene pludrige Hoſe, aber ohne den Schurz, feſthalten. Zu dem Uebergangscoſtüm finden wir im Anfang noch den Kriegsmantel. Aber bald weicht er ganz vor dem Ueberwurf oder Oberrock zurück, welchen der Krieg aus allen Kreiſen der

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/252>, abgerufen am 24.11.2024.