Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.3. Der Naturalismus u. d. Stutzerthum des dreißigjähr. Kriegs. Verkommenheit des Vaterlandes und die Herrschaft des Fremd-wesens, aber seine Waffe dagegen ist nicht die Satire, sondern das beißende Epigramm, das er mit größter Schärfe und voll- kommenster Freiheit und Freimüthigkeit handhabt. Er richtete es gegen jedes Laster und jeden Stand, an welchem er ein sol- ches zu finden glaubte. Die Kleidung berührt er dabei nur im Allgemeinen, insofern er darin die Unterwürfigkeit unter Frank- reich erkennt. So heißt es: Französische Kleidung. "Diener tragen insgemein ihrer Herren Liverei:Solls dann sein, daß Frankreich Herr, Deutschland aber Diener sei? Freies Deutschland, schäm dich doch dieser schnöden Kriecherei!" In einem andern Epigramm: "Fremde Tracht" spricht er aber "Alamode-Kleider, Alamode-Sinnen: Wie sichs wandelt außen, wandelt sichs auch innen." Der dritte, Hans Wilmsen Lauremberg (geb. 1591, 14*
3. Der Naturalismus u. d. Stutzerthum des dreißigjähr. Kriegs. Verkommenheit des Vaterlandes und die Herrſchaft des Fremd-weſens, aber ſeine Waffe dagegen iſt nicht die Satire, ſondern das beißende Epigramm, das er mit größter Schärfe und voll- kommenſter Freiheit und Freimüthigkeit handhabt. Er richtete es gegen jedes Laſter und jeden Stand, an welchem er ein ſol- ches zu finden glaubte. Die Kleidung berührt er dabei nur im Allgemeinen, inſofern er darin die Unterwürfigkeit unter Frank- reich erkennt. So heißt es: Franzöſiſche Kleidung. „Diener tragen insgemein ihrer Herren Liverei:Solls dann ſein, daß Frankreich Herr, Deutſchland aber Diener ſei? Freies Deutſchland, ſchäm dich doch dieſer ſchnöden Kriecherei!“ In einem andern Epigramm: „Fremde Tracht“ ſpricht er aber „Alamode-Kleider, Alamode-Sinnen: Wie ſichs wandelt außen, wandelt ſichs auch innen.“ Der dritte, Hans Wilmſen Lauremberg (geb. 1591, 14*
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0223" n="211"/><fw place="top" type="header">3. Der Naturalismus u. d. Stutzerthum des dreißigjähr. Kriegs.</fw><lb/> Verkommenheit des Vaterlandes und die Herrſchaft des Fremd-<lb/> weſens, aber ſeine Waffe dagegen iſt nicht die Satire, ſondern<lb/> das beißende Epigramm, das er mit größter Schärfe und voll-<lb/> kommenſter Freiheit und Freimüthigkeit handhabt. Er richtete<lb/> es gegen jedes Laſter und jeden Stand, an welchem er ein ſol-<lb/> ches zu finden glaubte. Die Kleidung berührt er dabei nur im<lb/> Allgemeinen, inſofern er darin die Unterwürfigkeit unter Frank-<lb/> reich erkennt. So heißt es:</p><lb/> <lg type="poem"> <head>Franzöſiſche Kleidung.</head><lb/> <l>„Diener tragen insgemein ihrer Herren Liverei:</l><lb/> <l>Solls dann ſein, daß Frankreich Herr, Deutſchland aber Diener ſei?</l><lb/> <l>Freies Deutſchland, ſchäm dich doch dieſer ſchnöden Kriecherei!“</l> </lg><lb/> <p>In einem andern Epigramm: „Fremde Tracht“ ſpricht er aber<lb/> die Beziehung zwiſchen der Kleidung des Menſchen und ſeinem<lb/> inneren Weſen aufs beſtimmteſte aus:</p><lb/> <lg type="poem"> <l>„<hi rendition="#aq">Alamode</hi>-Kleider, <hi rendition="#aq">Alamode</hi>-Sinnen:</l><lb/> <l>Wie ſichs wandelt außen, wandelt ſichs auch innen.“</l> </lg><lb/> <p>Der dritte, <hi rendition="#g">Hans Wilmſen Lauremberg</hi> (geb. 1591,<lb/> geſt. 1659) gehört dem deutſchen Norden an. Obwohl ſeine platt-<lb/> deutſch geſchriebenen Satiren unter dem Titel: „De veer olde<lb/> beröhmede Schertzgedichte“ mehrere Auflagen erlebten, ſcheinen<lb/> ſie doch ſchwerlich über die niederdeutſche Heimath hinausgekom-<lb/> men zu ſein. Der Dialect ſelbſt war ein Hinderniß, den er er-<lb/> wählte, um ſich gleich im Aeußern vom alamodiſchen Hochdeutſch<lb/> zu unterſcheiden. Freilich vermehrte er dadurch die komiſche Kraft<lb/> ſeiner Verſe, und auf dieſe hatte er es beſonders angelegt. Er<lb/> ſeinerſeits zieht den lachenden Demokrit dem weinenden Heraklit<lb/> vor; er ſieht nicht ein, warum er beweinen ſoll, was andere ver-<lb/> brochen haben. Die Verdorbenheit der Welt erſcheint ihm wie<lb/> eine Komödie belachenswerth; wollte er darüber weinen, würde<lb/> er ſich ſelbſt den Narren zugeſellen. So geiſſelt er das Verkehrte<lb/> und Falſche in der Welt, die Thorheiten, mit heiterer Ironie,<lb/> Witz und derbem Humor, wobei er freilich die Grenzen des An-<lb/> <fw place="bottom" type="sig">14*</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [211/0223]
3. Der Naturalismus u. d. Stutzerthum des dreißigjähr. Kriegs.
Verkommenheit des Vaterlandes und die Herrſchaft des Fremd-
weſens, aber ſeine Waffe dagegen iſt nicht die Satire, ſondern
das beißende Epigramm, das er mit größter Schärfe und voll-
kommenſter Freiheit und Freimüthigkeit handhabt. Er richtete
es gegen jedes Laſter und jeden Stand, an welchem er ein ſol-
ches zu finden glaubte. Die Kleidung berührt er dabei nur im
Allgemeinen, inſofern er darin die Unterwürfigkeit unter Frank-
reich erkennt. So heißt es:
Franzöſiſche Kleidung.
„Diener tragen insgemein ihrer Herren Liverei:
Solls dann ſein, daß Frankreich Herr, Deutſchland aber Diener ſei?
Freies Deutſchland, ſchäm dich doch dieſer ſchnöden Kriecherei!“
In einem andern Epigramm: „Fremde Tracht“ ſpricht er aber
die Beziehung zwiſchen der Kleidung des Menſchen und ſeinem
inneren Weſen aufs beſtimmteſte aus:
„Alamode-Kleider, Alamode-Sinnen:
Wie ſichs wandelt außen, wandelt ſichs auch innen.“
Der dritte, Hans Wilmſen Lauremberg (geb. 1591,
geſt. 1659) gehört dem deutſchen Norden an. Obwohl ſeine platt-
deutſch geſchriebenen Satiren unter dem Titel: „De veer olde
beröhmede Schertzgedichte“ mehrere Auflagen erlebten, ſcheinen
ſie doch ſchwerlich über die niederdeutſche Heimath hinausgekom-
men zu ſein. Der Dialect ſelbſt war ein Hinderniß, den er er-
wählte, um ſich gleich im Aeußern vom alamodiſchen Hochdeutſch
zu unterſcheiden. Freilich vermehrte er dadurch die komiſche Kraft
ſeiner Verſe, und auf dieſe hatte er es beſonders angelegt. Er
ſeinerſeits zieht den lachenden Demokrit dem weinenden Heraklit
vor; er ſieht nicht ein, warum er beweinen ſoll, was andere ver-
brochen haben. Die Verdorbenheit der Welt erſcheint ihm wie
eine Komödie belachenswerth; wollte er darüber weinen, würde
er ſich ſelbſt den Narren zugeſellen. So geiſſelt er das Verkehrte
und Falſche in der Welt, die Thorheiten, mit heiterer Ironie,
Witz und derbem Humor, wobei er freilich die Grenzen des An-
14*
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |