Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.III. Die Neuzeit. Jahrhundert die großartig, aber scharf gebrochenen Falten erga-ben; bei dem leichten Sinn herrscht auch die leichte Waare vor. Zum Prachtanzug gehörten auch jetzt zwei Kleider, doch ließ man auf diesem Höhepunkt der Periode das obere in ungehindert freien Falten herabfallen, und nur vorn war es in einem breiten Streifen geöffnet, aus welchem das Unterkleid sichtbar wurde; häufig war dieser schürzenartige Streifen ein eingesetztes Stück, welches hell zu dunklem Kleid oder umgekehrt in Wirkung trat. In den ersten Jahrzehnten des siebzehnten Jahrhunderts, als noch der Reifrock im Verschwinden war, findet sich nicht selten das Oberkleid ringsum horizontal etwa um ein Drittel des Un- terrocks aufgenommen und umgeschlagen, sodaß die eigentliche Farbe des Oberkleides, das Futter und das Unterkleid in drei breiten Streifen zusammen wirkten, eine Mode, welche gegen den Schluß dieser Periode wieder in Aufnahme kam. Am auffallendsten zeigt sich die Aehnlichkeit der männlichen III. Die Neuzeit. Jahrhundert die großartig, aber ſcharf gebrochenen Falten erga-ben; bei dem leichten Sinn herrſcht auch die leichte Waare vor. Zum Prachtanzug gehörten auch jetzt zwei Kleider, doch ließ man auf dieſem Höhepunkt der Periode das obere in ungehindert freien Falten herabfallen, und nur vorn war es in einem breiten Streifen geöffnet, aus welchem das Unterkleid ſichtbar wurde; häufig war dieſer ſchürzenartige Streifen ein eingeſetztes Stück, welches hell zu dunklem Kleid oder umgekehrt in Wirkung trat. In den erſten Jahrzehnten des ſiebzehnten Jahrhunderts, als noch der Reifrock im Verſchwinden war, findet ſich nicht ſelten das Oberkleid ringsum horizontal etwa um ein Drittel des Un- terrocks aufgenommen und umgeſchlagen, ſodaß die eigentliche Farbe des Oberkleides, das Futter und das Unterkleid in drei breiten Streifen zuſammen wirkten, eine Mode, welche gegen den Schluß dieſer Periode wieder in Aufnahme kam. Am auffallendſten zeigt ſich die Aehnlichkeit der männlichen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0214" n="202"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">III.</hi> Die Neuzeit.</fw><lb/> Jahrhundert die großartig, aber ſcharf gebrochenen Falten erga-<lb/> ben; bei dem leichten Sinn herrſcht auch die leichte Waare vor.<lb/> Zum Prachtanzug gehörten auch jetzt zwei Kleider, doch ließ man<lb/> auf dieſem Höhepunkt der Periode das obere in ungehindert<lb/> freien Falten herabfallen, und nur vorn war es in einem breiten<lb/> Streifen geöffnet, aus welchem das Unterkleid ſichtbar wurde;<lb/> häufig war dieſer ſchürzenartige Streifen ein eingeſetztes Stück,<lb/> welches hell zu dunklem Kleid oder umgekehrt in Wirkung trat.<lb/> In den erſten Jahrzehnten des ſiebzehnten Jahrhunderts, als<lb/> noch der Reifrock im Verſchwinden war, findet ſich nicht ſelten<lb/> das Oberkleid ringsum horizontal etwa um ein Drittel des Un-<lb/> terrocks aufgenommen und umgeſchlagen, ſodaß die eigentliche<lb/> Farbe des Oberkleides, das Futter und das Unterkleid in drei<lb/> breiten Streifen zuſammen wirkten, eine Mode, welche gegen den<lb/> Schluß dieſer Periode wieder in Aufnahme kam.</p><lb/> <p>Am auffallendſten zeigt ſich die Aehnlichkeit der männlichen<lb/> und weiblichen Kleidung an Wamms und Leibchen, welches letz-<lb/> tere nur im Bruſtausſchnitt ſeinen weiblichen Charakter bewahrt.<lb/> Schon ums Jahr 1615, als noch die alte Mode vorherrſchend<lb/> war, wird dieſe Bemerkung gemacht: „Die Wämmſer ſind der<lb/> Männer Tracht. Was für ein Unterſchied aber iſt heutiges Ta-<lb/> ges zwiſchen der Männer Wamms und der Weiber Mieder und<lb/> Brüſtchen? Wahrlich ein kleiner oder wohl gar keiner.“ Das<lb/> ändert ſich auch nicht, als die Wülſte ſich wieder in offene, weite,<lb/> bauſchige Aermel verwandeln. Vom Jahr 1629 iſt die folgende<lb/> Bemerkung: „Beſiehe doch heutiges Tages unſer allamodiſches<lb/> Fräulein, kannſt du auch einen Unterſchied der Wämmſer merken<lb/> von der Männer Wämmſer, iſt eines ſowohl als das andere zer-<lb/> fetzt, verſchnitzelt und geflappet.“ Die Aehnlichkeit geht ſelbſt<lb/> ſo weit, daß die Leibchen wachſen und Schöße erhalten, die denen<lb/> des Wammſes völlig gleichen. Dadurch werden ſie vom Kleid<lb/> unabhängig. Auf der Bruſt werden ſie geknöpft oder durch<lb/> Schnüre gehalten, das Leibchen des Kleides aber, welches ſich<lb/> mit einer geſteiften Fiſchbeinſpitze herabſenkt, gewöhnlich mit<lb/> Schnürſenkel zuſammengezogen. Die Taille rückt in ſolcher Zeit<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [202/0214]
III. Die Neuzeit.
Jahrhundert die großartig, aber ſcharf gebrochenen Falten erga-
ben; bei dem leichten Sinn herrſcht auch die leichte Waare vor.
Zum Prachtanzug gehörten auch jetzt zwei Kleider, doch ließ man
auf dieſem Höhepunkt der Periode das obere in ungehindert
freien Falten herabfallen, und nur vorn war es in einem breiten
Streifen geöffnet, aus welchem das Unterkleid ſichtbar wurde;
häufig war dieſer ſchürzenartige Streifen ein eingeſetztes Stück,
welches hell zu dunklem Kleid oder umgekehrt in Wirkung trat.
In den erſten Jahrzehnten des ſiebzehnten Jahrhunderts, als
noch der Reifrock im Verſchwinden war, findet ſich nicht ſelten
das Oberkleid ringsum horizontal etwa um ein Drittel des Un-
terrocks aufgenommen und umgeſchlagen, ſodaß die eigentliche
Farbe des Oberkleides, das Futter und das Unterkleid in drei
breiten Streifen zuſammen wirkten, eine Mode, welche gegen den
Schluß dieſer Periode wieder in Aufnahme kam.
Am auffallendſten zeigt ſich die Aehnlichkeit der männlichen
und weiblichen Kleidung an Wamms und Leibchen, welches letz-
tere nur im Bruſtausſchnitt ſeinen weiblichen Charakter bewahrt.
Schon ums Jahr 1615, als noch die alte Mode vorherrſchend
war, wird dieſe Bemerkung gemacht: „Die Wämmſer ſind der
Männer Tracht. Was für ein Unterſchied aber iſt heutiges Ta-
ges zwiſchen der Männer Wamms und der Weiber Mieder und
Brüſtchen? Wahrlich ein kleiner oder wohl gar keiner.“ Das
ändert ſich auch nicht, als die Wülſte ſich wieder in offene, weite,
bauſchige Aermel verwandeln. Vom Jahr 1629 iſt die folgende
Bemerkung: „Beſiehe doch heutiges Tages unſer allamodiſches
Fräulein, kannſt du auch einen Unterſchied der Wämmſer merken
von der Männer Wämmſer, iſt eines ſowohl als das andere zer-
fetzt, verſchnitzelt und geflappet.“ Die Aehnlichkeit geht ſelbſt
ſo weit, daß die Leibchen wachſen und Schöße erhalten, die denen
des Wammſes völlig gleichen. Dadurch werden ſie vom Kleid
unabhängig. Auf der Bruſt werden ſie geknöpft oder durch
Schnüre gehalten, das Leibchen des Kleides aber, welches ſich
mit einer geſteiften Fiſchbeinſpitze herabſenkt, gewöhnlich mit
Schnürſenkel zuſammengezogen. Die Taille rückt in ſolcher Zeit
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