Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.3. Der Naturalismus u. d. Stutzerthum des dreißigjähr. Kriegs. geflochtene Locken, die vorn an der einen Seite des Gesichtsrechts oder links vom Ohr herunter hingen oder auch wohl an beiden Seiten, und am untern Ende, welches auf Schulter und Brust herabzureichen pflegte, einen kleinen Schmuck, eine große Perle, einen Edelstein, eine Schleife oder dergleichen trugen. Dem Stutzer war das wohl ein theures Andenken seiner Dame, "Favor" oder "Faveur" genannt. Allzuhäufig war dieser Zopf außerhalb der stutzerischen Welt nicht, doch trugen ihn auch, wie die Portraits beweisen, historisch bekannte Personen von Rang und Ansehn und selbst König Christian IV. von Dänemark und sein Sohn der Kronprinz Friedrich, später der dritte dieses Namens. Mehrere Portraits des ersteren, die in verschiedenen Jahren gemacht sind, zeigen ihn in gleicher Weise mit dem Zopf, dessen Ende eine Perle trägt. Auch sonst banden sich die Herren allerlei leichte Schmuck- Wenn der Stutzer dem Haupthaar einen nachlässigen, ver- 3. Der Naturalismus u. d. Stutzerthum des dreißigjähr. Kriegs. geflochtene Locken, die vorn an der einen Seite des Geſichtsrechts oder links vom Ohr herunter hingen oder auch wohl an beiden Seiten, und am untern Ende, welches auf Schulter und Bruſt herabzureichen pflegte, einen kleinen Schmuck, eine große Perle, einen Edelſtein, eine Schleife oder dergleichen trugen. Dem Stutzer war das wohl ein theures Andenken ſeiner Dame, „Favor“ oder „Faveur“ genannt. Allzuhäufig war dieſer Zopf außerhalb der ſtutzeriſchen Welt nicht, doch trugen ihn auch, wie die Portraits beweiſen, hiſtoriſch bekannte Perſonen von Rang und Anſehn und ſelbſt König Chriſtian IV. von Dänemark und ſein Sohn der Kronprinz Friedrich, ſpäter der dritte dieſes Namens. Mehrere Portraits des erſteren, die in verſchiedenen Jahren gemacht ſind, zeigen ihn in gleicher Weiſe mit dem Zopf, deſſen Ende eine Perle trägt. Auch ſonſt banden ſich die Herren allerlei leichte Schmuck- Wenn der Stutzer dem Haupthaar einen nachläſſigen, ver- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0201" n="189"/><fw place="top" type="header">3. Der Naturalismus u. d. Stutzerthum des dreißigjähr. Kriegs.</fw><lb/> geflochtene Locken, die vorn an der einen Seite des Geſichts<lb/> rechts oder links vom Ohr herunter hingen oder auch wohl an<lb/> beiden Seiten, und am untern Ende, welches auf Schulter und<lb/> Bruſt herabzureichen pflegte, einen kleinen Schmuck, eine große<lb/> Perle, einen Edelſtein, eine Schleife oder dergleichen trugen.<lb/> Dem Stutzer war das wohl ein theures Andenken ſeiner Dame,<lb/> „Favor“ oder „Faveur“ genannt. Allzuhäufig war dieſer Zopf<lb/> außerhalb der ſtutzeriſchen Welt nicht, doch trugen ihn auch, wie<lb/> die Portraits beweiſen, hiſtoriſch bekannte Perſonen von Rang<lb/> und Anſehn und ſelbſt König Chriſtian <hi rendition="#aq">IV.</hi> von Dänemark und<lb/> ſein Sohn der Kronprinz Friedrich, ſpäter der dritte dieſes<lb/> Namens. Mehrere Portraits des erſteren, die in verſchiedenen<lb/> Jahren gemacht ſind, zeigen ihn in gleicher Weiſe mit dem Zopf,<lb/> deſſen Ende eine Perle trägt.</p><lb/> <p>Auch ſonſt banden ſich die Herren allerlei leichte Schmuck-<lb/> ſachen in’s Lockenhaar, wie ſie den ganzen Körper damit behäng-<lb/> ten. Man nannte ſie insgeſammt Faveurs, ein Ausdruck, der<lb/> noch aus der alten Turnierzeit herrührt und die kleinen Pfänder<lb/> und Liebeszeichen der Damen, Handſchuhe, Bänder, Schärpen<lb/> und dergleichen bezeichnet, mit denen geziert die Ritter in die<lb/> Schranken ritten.</p><lb/> <p>Wenn der Stutzer dem Haupthaar einen nachläſſigen, ver-<lb/> wilderten Anſtrich zu geben ſuchte, ſo wandte er um ſo mehr<lb/> Sorgfalt an den <hi rendition="#g">Bart</hi>. Die Wangen wurden jeden Morgen<lb/> glatt raſirt, aber den Kinnbart ließ er an ſchmaler Stelle wachſen,<lb/> ſo lang er wollte, und klebte ihn zuſammen in eine lange feine<lb/> Spitze. Auch an den Schnurrbart bringt er nicht das Meſſer,<lb/> ſondern Farbe, Pech und das heiße Eiſen, ſteift ihn und dreht<lb/> ihn über den Mundwinkeln aufwärts, daß die Spitzen nach den<lb/> Augen zu ſtechen; daher es heißt, „den Knebel über ſich geſtürzt.“<lb/> Das iſt der allgemeine Typus, deſſen unbeſtrittene Herrſchaft<lb/> zwiſchen die Jahre 1630 und 1640 fällt. Dann aber ſtellen ſich<lb/> gegen den Ausgang des Kriegs mancherlei Abweichungen ein,<lb/> die alle darauf hinauslaufen, den Bart noch weiter zu verkleinern<lb/> und namentlich vom Kinn ganz zu entfernen. Dieſe Spielarten<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [189/0201]
3. Der Naturalismus u. d. Stutzerthum des dreißigjähr. Kriegs.
geflochtene Locken, die vorn an der einen Seite des Geſichts
rechts oder links vom Ohr herunter hingen oder auch wohl an
beiden Seiten, und am untern Ende, welches auf Schulter und
Bruſt herabzureichen pflegte, einen kleinen Schmuck, eine große
Perle, einen Edelſtein, eine Schleife oder dergleichen trugen.
Dem Stutzer war das wohl ein theures Andenken ſeiner Dame,
„Favor“ oder „Faveur“ genannt. Allzuhäufig war dieſer Zopf
außerhalb der ſtutzeriſchen Welt nicht, doch trugen ihn auch, wie
die Portraits beweiſen, hiſtoriſch bekannte Perſonen von Rang
und Anſehn und ſelbſt König Chriſtian IV. von Dänemark und
ſein Sohn der Kronprinz Friedrich, ſpäter der dritte dieſes
Namens. Mehrere Portraits des erſteren, die in verſchiedenen
Jahren gemacht ſind, zeigen ihn in gleicher Weiſe mit dem Zopf,
deſſen Ende eine Perle trägt.
Auch ſonſt banden ſich die Herren allerlei leichte Schmuck-
ſachen in’s Lockenhaar, wie ſie den ganzen Körper damit behäng-
ten. Man nannte ſie insgeſammt Faveurs, ein Ausdruck, der
noch aus der alten Turnierzeit herrührt und die kleinen Pfänder
und Liebeszeichen der Damen, Handſchuhe, Bänder, Schärpen
und dergleichen bezeichnet, mit denen geziert die Ritter in die
Schranken ritten.
Wenn der Stutzer dem Haupthaar einen nachläſſigen, ver-
wilderten Anſtrich zu geben ſuchte, ſo wandte er um ſo mehr
Sorgfalt an den Bart. Die Wangen wurden jeden Morgen
glatt raſirt, aber den Kinnbart ließ er an ſchmaler Stelle wachſen,
ſo lang er wollte, und klebte ihn zuſammen in eine lange feine
Spitze. Auch an den Schnurrbart bringt er nicht das Meſſer,
ſondern Farbe, Pech und das heiße Eiſen, ſteift ihn und dreht
ihn über den Mundwinkeln aufwärts, daß die Spitzen nach den
Augen zu ſtechen; daher es heißt, „den Knebel über ſich geſtürzt.“
Das iſt der allgemeine Typus, deſſen unbeſtrittene Herrſchaft
zwiſchen die Jahre 1630 und 1640 fällt. Dann aber ſtellen ſich
gegen den Ausgang des Kriegs mancherlei Abweichungen ein,
die alle darauf hinauslaufen, den Bart noch weiter zu verkleinern
und namentlich vom Kinn ganz zu entfernen. Dieſe Spielarten
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