Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.III. Die Neuzeit. erschwindelt hatten. Sporen klirrten an ihren Stiefeln, aber einPferd besaßen sie nicht; den langen Stoßdegen führten sie an der Seite, aber zum Kampfe ließen sie es trotz aller Rodomonta- den nicht kommen, sondern viel eher sich mit der eigenen Wehre davonprügeln. Treffliche "Löwen" dieser Art sind jene beiden sogenannten Hauptleute Daradiridatumtarides Windbrecher von Tausendmord und Horribilicribifax von Donnerkeil auf Wust- hausen, die Andreas Gryphius in dem nach dem letzteren be- nannten Lustspiel uns vorführt. Mit den fürchterlichsten Dro- hungen rücken diese eifersüchtigen Helden auf einander, um nach langem Wortkampfe endlich nicht zu Thaten überzugehen, sondern sich als alte Waffenbrüder wieder zu erkennen, hoch erfreut, daß so zur rechten Zeit großes Unglück verhütet werde. Auf Beifall freilich bei der Mitwelt durften diese Helden III. Die Neuzeit. erſchwindelt hatten. Sporen klirrten an ihren Stiefeln, aber einPferd beſaßen ſie nicht; den langen Stoßdegen führten ſie an der Seite, aber zum Kampfe ließen ſie es trotz aller Rodomonta- den nicht kommen, ſondern viel eher ſich mit der eigenen Wehre davonprügeln. Treffliche „Löwen“ dieſer Art ſind jene beiden ſogenannten Hauptleute Daradiridatumtarides Windbrecher von Tauſendmord und Horribilicribifax von Donnerkeil auf Wuſt- hauſen, die Andreas Gryphius in dem nach dem letzteren be- nannten Luſtſpiel uns vorführt. Mit den fürchterlichſten Dro- hungen rücken dieſe eiferſüchtigen Helden auf einander, um nach langem Wortkampfe endlich nicht zu Thaten überzugehen, ſondern ſich als alte Waffenbrüder wieder zu erkennen, hoch erfreut, daß ſo zur rechten Zeit großes Unglück verhütet werde. Auf Beifall freilich bei der Mitwelt durften dieſe Helden <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0196" n="184"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">III.</hi> Die Neuzeit.</fw><lb/> erſchwindelt hatten. Sporen klirrten an ihren Stiefeln, aber ein<lb/> Pferd beſaßen ſie nicht; den langen Stoßdegen führten ſie an<lb/> der Seite, aber zum Kampfe ließen ſie es trotz aller Rodomonta-<lb/> den nicht kommen, ſondern viel eher ſich mit der eigenen Wehre<lb/> davonprügeln. Treffliche „Löwen“ dieſer Art ſind jene beiden<lb/> ſogenannten Hauptleute Daradiridatumtarides Windbrecher von<lb/> Tauſendmord und Horribilicribifax von Donnerkeil auf Wuſt-<lb/> hauſen, die Andreas Gryphius in dem nach dem letzteren be-<lb/> nannten Luſtſpiel uns vorführt. Mit den fürchterlichſten Dro-<lb/> hungen rücken dieſe eiferſüchtigen Helden auf einander, um nach<lb/> langem Wortkampfe endlich nicht zu Thaten überzugehen, ſondern<lb/> ſich als alte Waffenbrüder wieder zu erkennen, hoch erfreut, daß<lb/> ſo zur rechten Zeit großes Unglück verhütet werde.</p><lb/> <p>Auf Beifall freilich bei der Mitwelt durften dieſe Helden<lb/> nicht rechnen, wenn ſie auch nur in üppigſter Blüthe verkörper-<lb/> ten, was im Grunde die ganze Welt mit ihnen theilte. Als die<lb/> äußerſten Spitzen einer übertreibenden Zeit waren ſie nothwen-<lb/> dig Carricatur, und ſo durften ſie für den Spott von Seiten der<lb/> Gegner, der „Altfränkiſchen“, nicht ſorgen; er wurde ihnen reich-<lb/> lich zu Theil. Es erſchienen damals an ſehr verſchiedenen Orten<lb/> Deutſchlands, größtentheils zwiſchen den Jahren 1630 und 1640,<lb/> eine große Anzahl einzelner Kupferſtiche mit begleitenden Verſen,<lb/> bilderbogenartig, welche dieſe Stutzer zum Gegenſtand der Satire<lb/> machen. Dieſen fliegenden Blättern zufolge ſteht an der Spitze<lb/> der Stutzer eine mythiſche Perſon „Monſieur Alamode“ genannt.<lb/> Er concentrirt in ſich alle die verſchiedenen Eigenſchaften, das<lb/> ſoldatiſche Aeußere, die ſoldatiſche Renommiſterei und Aufſchnei-<lb/> derei, die bunte Sprache, den Kleiderputz, die müſſiggängeriſche<lb/> Lebensweiſe, die Galanterie, aber auch den Haß und die Verfol-<lb/> gung der Gegner. Was er zur Herſtellung ſeines Aeußern be-<lb/> durfte, das natürlich immer blühend und ſchön ſein mußte, fin-<lb/> den wir in den folgenden Verſen, die er in voller Pracht ſterbend<lb/> auf dem Bette als Teſtament einem Schreiber dictirt:</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [184/0196]
III. Die Neuzeit.
erſchwindelt hatten. Sporen klirrten an ihren Stiefeln, aber ein
Pferd beſaßen ſie nicht; den langen Stoßdegen führten ſie an
der Seite, aber zum Kampfe ließen ſie es trotz aller Rodomonta-
den nicht kommen, ſondern viel eher ſich mit der eigenen Wehre
davonprügeln. Treffliche „Löwen“ dieſer Art ſind jene beiden
ſogenannten Hauptleute Daradiridatumtarides Windbrecher von
Tauſendmord und Horribilicribifax von Donnerkeil auf Wuſt-
hauſen, die Andreas Gryphius in dem nach dem letzteren be-
nannten Luſtſpiel uns vorführt. Mit den fürchterlichſten Dro-
hungen rücken dieſe eiferſüchtigen Helden auf einander, um nach
langem Wortkampfe endlich nicht zu Thaten überzugehen, ſondern
ſich als alte Waffenbrüder wieder zu erkennen, hoch erfreut, daß
ſo zur rechten Zeit großes Unglück verhütet werde.
Auf Beifall freilich bei der Mitwelt durften dieſe Helden
nicht rechnen, wenn ſie auch nur in üppigſter Blüthe verkörper-
ten, was im Grunde die ganze Welt mit ihnen theilte. Als die
äußerſten Spitzen einer übertreibenden Zeit waren ſie nothwen-
dig Carricatur, und ſo durften ſie für den Spott von Seiten der
Gegner, der „Altfränkiſchen“, nicht ſorgen; er wurde ihnen reich-
lich zu Theil. Es erſchienen damals an ſehr verſchiedenen Orten
Deutſchlands, größtentheils zwiſchen den Jahren 1630 und 1640,
eine große Anzahl einzelner Kupferſtiche mit begleitenden Verſen,
bilderbogenartig, welche dieſe Stutzer zum Gegenſtand der Satire
machen. Dieſen fliegenden Blättern zufolge ſteht an der Spitze
der Stutzer eine mythiſche Perſon „Monſieur Alamode“ genannt.
Er concentrirt in ſich alle die verſchiedenen Eigenſchaften, das
ſoldatiſche Aeußere, die ſoldatiſche Renommiſterei und Aufſchnei-
derei, die bunte Sprache, den Kleiderputz, die müſſiggängeriſche
Lebensweiſe, die Galanterie, aber auch den Haß und die Verfol-
gung der Gegner. Was er zur Herſtellung ſeines Aeußern be-
durfte, das natürlich immer blühend und ſchön ſein mußte, fin-
den wir in den folgenden Verſen, die er in voller Pracht ſterbend
auf dem Bette als Teſtament einem Schreiber dictirt:
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |