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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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III. Die Neuzeit.
erschwindelt hatten. Sporen klirrten an ihren Stiefeln, aber ein
Pferd besaßen sie nicht; den langen Stoßdegen führten sie an
der Seite, aber zum Kampfe ließen sie es trotz aller Rodomonta-
den nicht kommen, sondern viel eher sich mit der eigenen Wehre
davonprügeln. Treffliche "Löwen" dieser Art sind jene beiden
sogenannten Hauptleute Daradiridatumtarides Windbrecher von
Tausendmord und Horribilicribifax von Donnerkeil auf Wust-
hausen, die Andreas Gryphius in dem nach dem letzteren be-
nannten Lustspiel uns vorführt. Mit den fürchterlichsten Dro-
hungen rücken diese eifersüchtigen Helden auf einander, um nach
langem Wortkampfe endlich nicht zu Thaten überzugehen, sondern
sich als alte Waffenbrüder wieder zu erkennen, hoch erfreut, daß
so zur rechten Zeit großes Unglück verhütet werde.

Auf Beifall freilich bei der Mitwelt durften diese Helden
nicht rechnen, wenn sie auch nur in üppigster Blüthe verkörper-
ten, was im Grunde die ganze Welt mit ihnen theilte. Als die
äußersten Spitzen einer übertreibenden Zeit waren sie nothwen-
dig Carricatur, und so durften sie für den Spott von Seiten der
Gegner, der "Altfränkischen", nicht sorgen; er wurde ihnen reich-
lich zu Theil. Es erschienen damals an sehr verschiedenen Orten
Deutschlands, größtentheils zwischen den Jahren 1630 und 1640,
eine große Anzahl einzelner Kupferstiche mit begleitenden Versen,
bilderbogenartig, welche diese Stutzer zum Gegenstand der Satire
machen. Diesen fliegenden Blättern zufolge steht an der Spitze
der Stutzer eine mythische Person "Monsieur Alamode" genannt.
Er concentrirt in sich alle die verschiedenen Eigenschaften, das
soldatische Aeußere, die soldatische Renommisterei und Aufschnei-
derei, die bunte Sprache, den Kleiderputz, die müssiggängerische
Lebensweise, die Galanterie, aber auch den Haß und die Verfol-
gung der Gegner. Was er zur Herstellung seines Aeußern be-
durfte, das natürlich immer blühend und schön sein mußte, fin-
den wir in den folgenden Versen, die er in voller Pracht sterbend
auf dem Bette als Testament einem Schreiber dictirt:

III. Die Neuzeit.
erſchwindelt hatten. Sporen klirrten an ihren Stiefeln, aber ein
Pferd beſaßen ſie nicht; den langen Stoßdegen führten ſie an
der Seite, aber zum Kampfe ließen ſie es trotz aller Rodomonta-
den nicht kommen, ſondern viel eher ſich mit der eigenen Wehre
davonprügeln. Treffliche „Löwen“ dieſer Art ſind jene beiden
ſogenannten Hauptleute Daradiridatumtarides Windbrecher von
Tauſendmord und Horribilicribifax von Donnerkeil auf Wuſt-
hauſen, die Andreas Gryphius in dem nach dem letzteren be-
nannten Luſtſpiel uns vorführt. Mit den fürchterlichſten Dro-
hungen rücken dieſe eiferſüchtigen Helden auf einander, um nach
langem Wortkampfe endlich nicht zu Thaten überzugehen, ſondern
ſich als alte Waffenbrüder wieder zu erkennen, hoch erfreut, daß
ſo zur rechten Zeit großes Unglück verhütet werde.

Auf Beifall freilich bei der Mitwelt durften dieſe Helden
nicht rechnen, wenn ſie auch nur in üppigſter Blüthe verkörper-
ten, was im Grunde die ganze Welt mit ihnen theilte. Als die
äußerſten Spitzen einer übertreibenden Zeit waren ſie nothwen-
dig Carricatur, und ſo durften ſie für den Spott von Seiten der
Gegner, der „Altfränkiſchen“, nicht ſorgen; er wurde ihnen reich-
lich zu Theil. Es erſchienen damals an ſehr verſchiedenen Orten
Deutſchlands, größtentheils zwiſchen den Jahren 1630 und 1640,
eine große Anzahl einzelner Kupferſtiche mit begleitenden Verſen,
bilderbogenartig, welche dieſe Stutzer zum Gegenſtand der Satire
machen. Dieſen fliegenden Blättern zufolge ſteht an der Spitze
der Stutzer eine mythiſche Perſon „Monſieur Alamode“ genannt.
Er concentrirt in ſich alle die verſchiedenen Eigenſchaften, das
ſoldatiſche Aeußere, die ſoldatiſche Renommiſterei und Aufſchnei-
derei, die bunte Sprache, den Kleiderputz, die müſſiggängeriſche
Lebensweiſe, die Galanterie, aber auch den Haß und die Verfol-
gung der Gegner. Was er zur Herſtellung ſeines Aeußern be-
durfte, das natürlich immer blühend und ſchön ſein mußte, fin-
den wir in den folgenden Verſen, die er in voller Pracht ſterbend
auf dem Bette als Teſtament einem Schreiber dictirt:

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[184/0196] III. Die Neuzeit. erſchwindelt hatten. Sporen klirrten an ihren Stiefeln, aber ein Pferd beſaßen ſie nicht; den langen Stoßdegen führten ſie an der Seite, aber zum Kampfe ließen ſie es trotz aller Rodomonta- den nicht kommen, ſondern viel eher ſich mit der eigenen Wehre davonprügeln. Treffliche „Löwen“ dieſer Art ſind jene beiden ſogenannten Hauptleute Daradiridatumtarides Windbrecher von Tauſendmord und Horribilicribifax von Donnerkeil auf Wuſt- hauſen, die Andreas Gryphius in dem nach dem letzteren be- nannten Luſtſpiel uns vorführt. Mit den fürchterlichſten Dro- hungen rücken dieſe eiferſüchtigen Helden auf einander, um nach langem Wortkampfe endlich nicht zu Thaten überzugehen, ſondern ſich als alte Waffenbrüder wieder zu erkennen, hoch erfreut, daß ſo zur rechten Zeit großes Unglück verhütet werde. Auf Beifall freilich bei der Mitwelt durften dieſe Helden nicht rechnen, wenn ſie auch nur in üppigſter Blüthe verkörper- ten, was im Grunde die ganze Welt mit ihnen theilte. Als die äußerſten Spitzen einer übertreibenden Zeit waren ſie nothwen- dig Carricatur, und ſo durften ſie für den Spott von Seiten der Gegner, der „Altfränkiſchen“, nicht ſorgen; er wurde ihnen reich- lich zu Theil. Es erſchienen damals an ſehr verſchiedenen Orten Deutſchlands, größtentheils zwiſchen den Jahren 1630 und 1640, eine große Anzahl einzelner Kupferſtiche mit begleitenden Verſen, bilderbogenartig, welche dieſe Stutzer zum Gegenſtand der Satire machen. Dieſen fliegenden Blättern zufolge ſteht an der Spitze der Stutzer eine mythiſche Perſon „Monſieur Alamode“ genannt. Er concentrirt in ſich alle die verſchiedenen Eigenſchaften, das ſoldatiſche Aeußere, die ſoldatiſche Renommiſterei und Aufſchnei- derei, die bunte Sprache, den Kleiderputz, die müſſiggängeriſche Lebensweiſe, die Galanterie, aber auch den Haß und die Verfol- gung der Gegner. Was er zur Herſtellung ſeines Aeußern be- durfte, das natürlich immer blühend und ſchön ſein mußte, fin- den wir in den folgenden Verſen, die er in voller Pracht ſterbend auf dem Bette als Teſtament einem Schreiber dictirt:

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/196>, abgerufen am 24.11.2024.