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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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2. Die Reaction und die spanische Tracht.
und des Schmuckes. Die zahlreichen Luxusordnungen, welche
immer diesen Punkt und fast allein ins Auge fassen, scheinen
von wenig Wirkung gewesen zu sein, denn die Klagen wieder-
holen sich immer aufs Neue. "Es ist jetzt kein Bürger so arm,"
heißt es im Schrapteufel des Milichius, "kein Handwerksgesell
und Pflugbengel so gering, welcher nit wölle Sammat und Sei-
den tragen, der Barchent und Harras und gemeines Tuch ist alles
zu schlecht worden. Manch armer Tropf und manch arme Magd
bringen kaum zehn Gulden zusammen, wenn sie zur Ehe greifen
und hänget jedes irgend für zwanzig oder dreißig Gulden Klei-
der an sich." Gegen das Ende des Jahrhunderts machte auch
die Einfachheit, welche die Reformation an Fürstenhöfen herbei-
geführt hatte, rasch einem steigenden Luxus wieder Platz. Wenn
die Augsburger Ordnung den Edelfrauen nur vier Kleider des
kostbareren Stoffes, Sammt, Damast oder Seide, gestatten
wollte, so war das funfzig Jahre später eine Zahl, die inne zu
halten eine Lächerlichkeit gewesen wäre. Die Geistlichen klagen,
daß man nicht bloß alle Tage ein anderes Kleid tragen wolle,
sondern täglich mehrere Mal wechsele. Im Anfang des sieben-
zehnten Jahrhunderts hinterließ eine Edelfrau 32 vollständige
Anzüge, während ihr Mann, Hans Meinhard von Schönberg,
deren 72 besaß nebst einer ungefähr gleichen Anzahl mit Gold
und Silber gestickter Handschuhe und 21 Hüten, wozu 26 Stück
farbige Federn gehörten.

Aber der Luxus mit Kleiderstoffen, welche die Gesetze auf
Grundlage der erneuerten Augsburger Reichsordnung bis ins
siebzehnte Jahrhundert den einzelnen Classen aufs allergenauste
vorschreiben, war noch das wenigste. Ihr Werth wurde noch
weit überboten durch die Verzierung an Spitzenbesatz, Stickerei
und Goldborten, Perlen und Juwelen, wodurch sich zugleich der
Lohn der Arbeit ins Unglaubliche steigerte, sodaß dieser allein bei
einem männlichen Gewand auf 600 Thaler kommen konnte; frei-
lich wurde auch Wochen lang von mehreren Personen daran ge-
arbeitet. Auf gefällige Muster, zu welchen natürlich in dieser
Periode die Ornamentik der Renaissance die allein herrschende

2. Die Reaction und die ſpaniſche Tracht.
und des Schmuckes. Die zahlreichen Luxusordnungen, welche
immer dieſen Punkt und faſt allein ins Auge faſſen, ſcheinen
von wenig Wirkung geweſen zu ſein, denn die Klagen wieder-
holen ſich immer aufs Neue. „Es iſt jetzt kein Bürger ſo arm,“
heißt es im Schrapteufel des Milichius, „kein Handwerksgeſell
und Pflugbengel ſo gering, welcher nit wölle Sammat und Sei-
den tragen, der Barchent und Harras und gemeines Tuch iſt alles
zu ſchlecht worden. Manch armer Tropf und manch arme Magd
bringen kaum zehn Gulden zuſammen, wenn ſie zur Ehe greifen
und hänget jedes irgend für zwanzig oder dreißig Gulden Klei-
der an ſich.“ Gegen das Ende des Jahrhunderts machte auch
die Einfachheit, welche die Reformation an Fürſtenhöfen herbei-
geführt hatte, raſch einem ſteigenden Luxus wieder Platz. Wenn
die Augsburger Ordnung den Edelfrauen nur vier Kleider des
koſtbareren Stoffes, Sammt, Damaſt oder Seide, geſtatten
wollte, ſo war das funfzig Jahre ſpäter eine Zahl, die inne zu
halten eine Lächerlichkeit geweſen wäre. Die Geiſtlichen klagen,
daß man nicht bloß alle Tage ein anderes Kleid tragen wolle,
ſondern täglich mehrere Mal wechſele. Im Anfang des ſieben-
zehnten Jahrhunderts hinterließ eine Edelfrau 32 vollſtändige
Anzüge, während ihr Mann, Hans Meinhard von Schönberg,
deren 72 beſaß nebſt einer ungefähr gleichen Anzahl mit Gold
und Silber geſtickter Handſchuhe und 21 Hüten, wozu 26 Stück
farbige Federn gehörten.

Aber der Luxus mit Kleiderſtoffen, welche die Geſetze auf
Grundlage der erneuerten Augsburger Reichsordnung bis ins
ſiebzehnte Jahrhundert den einzelnen Claſſen aufs allergenauſte
vorſchreiben, war noch das wenigſte. Ihr Werth wurde noch
weit überboten durch die Verzierung an Spitzenbeſatz, Stickerei
und Goldborten, Perlen und Juwelen, wodurch ſich zugleich der
Lohn der Arbeit ins Unglaubliche ſteigerte, ſodaß dieſer allein bei
einem männlichen Gewand auf 600 Thaler kommen konnte; frei-
lich wurde auch Wochen lang von mehreren Perſonen daran ge-
arbeitet. Auf gefällige Muſter, zu welchen natürlich in dieſer
Periode die Ornamentik der Renaiſſance die allein herrſchende

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[149/0161] 2. Die Reaction und die ſpaniſche Tracht. und des Schmuckes. Die zahlreichen Luxusordnungen, welche immer dieſen Punkt und faſt allein ins Auge faſſen, ſcheinen von wenig Wirkung geweſen zu ſein, denn die Klagen wieder- holen ſich immer aufs Neue. „Es iſt jetzt kein Bürger ſo arm,“ heißt es im Schrapteufel des Milichius, „kein Handwerksgeſell und Pflugbengel ſo gering, welcher nit wölle Sammat und Sei- den tragen, der Barchent und Harras und gemeines Tuch iſt alles zu ſchlecht worden. Manch armer Tropf und manch arme Magd bringen kaum zehn Gulden zuſammen, wenn ſie zur Ehe greifen und hänget jedes irgend für zwanzig oder dreißig Gulden Klei- der an ſich.“ Gegen das Ende des Jahrhunderts machte auch die Einfachheit, welche die Reformation an Fürſtenhöfen herbei- geführt hatte, raſch einem ſteigenden Luxus wieder Platz. Wenn die Augsburger Ordnung den Edelfrauen nur vier Kleider des koſtbareren Stoffes, Sammt, Damaſt oder Seide, geſtatten wollte, ſo war das funfzig Jahre ſpäter eine Zahl, die inne zu halten eine Lächerlichkeit geweſen wäre. Die Geiſtlichen klagen, daß man nicht bloß alle Tage ein anderes Kleid tragen wolle, ſondern täglich mehrere Mal wechſele. Im Anfang des ſieben- zehnten Jahrhunderts hinterließ eine Edelfrau 32 vollſtändige Anzüge, während ihr Mann, Hans Meinhard von Schönberg, deren 72 beſaß nebſt einer ungefähr gleichen Anzahl mit Gold und Silber geſtickter Handſchuhe und 21 Hüten, wozu 26 Stück farbige Federn gehörten. Aber der Luxus mit Kleiderſtoffen, welche die Geſetze auf Grundlage der erneuerten Augsburger Reichsordnung bis ins ſiebzehnte Jahrhundert den einzelnen Claſſen aufs allergenauſte vorſchreiben, war noch das wenigſte. Ihr Werth wurde noch weit überboten durch die Verzierung an Spitzenbeſatz, Stickerei und Goldborten, Perlen und Juwelen, wodurch ſich zugleich der Lohn der Arbeit ins Unglaubliche ſteigerte, ſodaß dieſer allein bei einem männlichen Gewand auf 600 Thaler kommen konnte; frei- lich wurde auch Wochen lang von mehreren Perſonen daran ge- arbeitet. Auf gefällige Muſter, zu welchen natürlich in dieſer Periode die Ornamentik der Renaiſſance die allein herrſchende

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/161>, abgerufen am 23.11.2024.