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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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2. Die Reaction und die spanische Tracht.
je schöner es wird. Diese Tücher währen sechs Monate lang."
Ob der Erfolg auf die Dauer der rechte gewesen, dürfte sich be-
zweifeln lassen, da die Ingredienzen theilweise etwas gefährlicher
Art waren: "Alaun, Malvasir, Borris, Gummi Tragant und
arabicum wird mit Quecksilbersublimat und Bleiweiß, Eierklar,
Terpentin, Essig und Imber gekocht, auch Myrten, Campher,
funfzig Schnecken, eine gerupfte feiste Henne, Pommeranzen,
Citronen und Zuckercandel zugemischt." In dieses Wasser wur-
den die Tücher siebenmal getaucht. "Und so du solchen zum sie-
benden Mal gethan hast, seind sie recht zubereitet, köstlich und
fürtrefflich für Königin und andere köstliche Weiber." Man
nannte solche Tücher mouchoirs de Venus und behielt sie lange
im Gebrauch, doch nahm man später weniger gefährliche Be-
standtheile dazu.

Obwohl der Fächer noch nicht die Rolle spielt wie im acht-
zehnten Jahrhundert, wo er ein steter Begleiter der Damen war
und ein ergänzendes Hülfsmittel für die stumme Sprache der
Augen und Gebärden, so war doch schon in der zweiten Hälfte
des sechszehnten Jahrhunderts sein Gebrauch ein sehr gewöhn-
licher, und was die Form betrifft, so übertraf er an Eleganz und
Mannigfaltigkeit noch seinen späteren Nachfolger. Dreierlei
Hauptformen begegnen uns auf zahlreichen Bildern, von denen
diejenige, welche ihn aus Federn bildet, wohl die häufigste ist.
Buntgefärbte Straußenfedern sind es gewöhnlich, welche schei-
benartig oder als Wedel in einem vereinigten dicken Busch um
einen Knopf oder ähnlich geformten und reich verzierten Schmuck,
welcher sich auf einer Handhabe befindet, befestigt sind. Die
Damen tragen ihn frei in der Hand oder hängend an einer Kette
oder Schnur, welche vom Gürtel ausgeht. Wir haben oben ge-
sehen, wie in England sich auch wohl ein Sehglas im Knopfe
befand. Die zweite Art hat die Form eines kleinen Fähnleins,
welches Ausdrucks man sich auch damals bediente: es ist dies
ein mehr oder minder verzierter Stiel, der etwa die Länge von
einem bis anderthalb Fuß hat, und an dessen einem Ende sich
mit seiner längeren Seite das Fähnlein in der Größe eines klei-

Falke, Trachten- und Modenwelt. II. 10

2. Die Reaction und die ſpaniſche Tracht.
je ſchöner es wird. Dieſe Tücher währen ſechs Monate lang.“
Ob der Erfolg auf die Dauer der rechte geweſen, dürfte ſich be-
zweifeln laſſen, da die Ingredienzen theilweiſe etwas gefährlicher
Art waren: „Alaun, Malvaſir, Borris, Gummi Tragant und
arabicum wird mit Queckſilberſublimat und Bleiweiß, Eierklar,
Terpentin, Eſſig und Imber gekocht, auch Myrten, Campher,
funfzig Schnecken, eine gerupfte feiſte Henne, Pommeranzen,
Citronen und Zuckercandel zugemiſcht.“ In dieſes Waſſer wur-
den die Tücher ſiebenmal getaucht. „Und ſo du ſolchen zum ſie-
benden Mal gethan haſt, ſeind ſie recht zubereitet, köſtlich und
fürtrefflich für Königin und andere köſtliche Weiber.“ Man
nannte ſolche Tücher mouchoirs de Venus und behielt ſie lange
im Gebrauch, doch nahm man ſpäter weniger gefährliche Be-
ſtandtheile dazu.

Obwohl der Fächer noch nicht die Rolle ſpielt wie im acht-
zehnten Jahrhundert, wo er ein ſteter Begleiter der Damen war
und ein ergänzendes Hülfsmittel für die ſtumme Sprache der
Augen und Gebärden, ſo war doch ſchon in der zweiten Hälfte
des ſechszehnten Jahrhunderts ſein Gebrauch ein ſehr gewöhn-
licher, und was die Form betrifft, ſo übertraf er an Eleganz und
Mannigfaltigkeit noch ſeinen ſpäteren Nachfolger. Dreierlei
Hauptformen begegnen uns auf zahlreichen Bildern, von denen
diejenige, welche ihn aus Federn bildet, wohl die häufigſte iſt.
Buntgefärbte Straußenfedern ſind es gewöhnlich, welche ſchei-
benartig oder als Wedel in einem vereinigten dicken Buſch um
einen Knopf oder ähnlich geformten und reich verzierten Schmuck,
welcher ſich auf einer Handhabe befindet, befeſtigt ſind. Die
Damen tragen ihn frei in der Hand oder hängend an einer Kette
oder Schnur, welche vom Gürtel ausgeht. Wir haben oben ge-
ſehen, wie in England ſich auch wohl ein Sehglas im Knopfe
befand. Die zweite Art hat die Form eines kleinen Fähnleins,
welches Ausdrucks man ſich auch damals bediente: es iſt dies
ein mehr oder minder verzierter Stiel, der etwa die Länge von
einem bis anderthalb Fuß hat, und an deſſen einem Ende ſich
mit ſeiner längeren Seite das Fähnlein in der Größe eines klei-

Falke, Trachten- und Modenwelt. II. 10
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[145/0157] 2. Die Reaction und die ſpaniſche Tracht. je ſchöner es wird. Dieſe Tücher währen ſechs Monate lang.“ Ob der Erfolg auf die Dauer der rechte geweſen, dürfte ſich be- zweifeln laſſen, da die Ingredienzen theilweiſe etwas gefährlicher Art waren: „Alaun, Malvaſir, Borris, Gummi Tragant und arabicum wird mit Queckſilberſublimat und Bleiweiß, Eierklar, Terpentin, Eſſig und Imber gekocht, auch Myrten, Campher, funfzig Schnecken, eine gerupfte feiſte Henne, Pommeranzen, Citronen und Zuckercandel zugemiſcht.“ In dieſes Waſſer wur- den die Tücher ſiebenmal getaucht. „Und ſo du ſolchen zum ſie- benden Mal gethan haſt, ſeind ſie recht zubereitet, köſtlich und fürtrefflich für Königin und andere köſtliche Weiber.“ Man nannte ſolche Tücher mouchoirs de Venus und behielt ſie lange im Gebrauch, doch nahm man ſpäter weniger gefährliche Be- ſtandtheile dazu. Obwohl der Fächer noch nicht die Rolle ſpielt wie im acht- zehnten Jahrhundert, wo er ein ſteter Begleiter der Damen war und ein ergänzendes Hülfsmittel für die ſtumme Sprache der Augen und Gebärden, ſo war doch ſchon in der zweiten Hälfte des ſechszehnten Jahrhunderts ſein Gebrauch ein ſehr gewöhn- licher, und was die Form betrifft, ſo übertraf er an Eleganz und Mannigfaltigkeit noch ſeinen ſpäteren Nachfolger. Dreierlei Hauptformen begegnen uns auf zahlreichen Bildern, von denen diejenige, welche ihn aus Federn bildet, wohl die häufigſte iſt. Buntgefärbte Straußenfedern ſind es gewöhnlich, welche ſchei- benartig oder als Wedel in einem vereinigten dicken Buſch um einen Knopf oder ähnlich geformten und reich verzierten Schmuck, welcher ſich auf einer Handhabe befindet, befeſtigt ſind. Die Damen tragen ihn frei in der Hand oder hängend an einer Kette oder Schnur, welche vom Gürtel ausgeht. Wir haben oben ge- ſehen, wie in England ſich auch wohl ein Sehglas im Knopfe befand. Die zweite Art hat die Form eines kleinen Fähnleins, welches Ausdrucks man ſich auch damals bediente: es iſt dies ein mehr oder minder verzierter Stiel, der etwa die Länge von einem bis anderthalb Fuß hat, und an deſſen einem Ende ſich mit ſeiner längeren Seite das Fähnlein in der Größe eines klei- Falke, Trachten- und Modenwelt. II. 10

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/157>, abgerufen am 23.11.2024.