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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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III. Die Neuzeit.
aus wollenem oder anderem Zeug vom Schneider zugeschnittenen
oder gefertigten. Um die Verbreitung dieses leichten Erwerbs-
zweiges in England machte sich die Königin Elisabeth ein großes
Verdienst, sodaß derselbe gegen das Jahr 1577 schon auf dem
Lande ausgeübt wurde. Heinrich VIII. war der erste, der in
England ein gestricktes seidenes Beinkleid trug, welches er durch
Zufall aus Spanien erhalten hatte. Es scheint am Ende seiner
Regirung gewesen zu sein, denn es wird noch sehr viel Werth
darauf gelegt, als sein Sohn Eduard VI. von einem Kaufmann
ein gleiches Paar aus Spanien erhielt. Erst seitdem Elisabeth
im dritten Jahre ihrer Regirung 1561 von ihrer Seidenhändle-
rin ebenfalls ein Paar gestrickter seidener Strümpfe von schwar-
zer Farbe bekam und seitdem keine andern mehr tragen wollte,
wurde diese Art Hosen und Strümpfe heimischer in England,
zumal als die Strümpfe mit dem Verschwinden des spanischen
Beinkleids auch auf die Männerwelt übergingen. Dazu kam
noch am Ende des sechszehnten Jahrhunderts die Erfindung des
Strumpfwirkerstuhls durch William Lee, sodaß nun auch das
Fabrikat billiger wurde.

In Deutschland trug man die lange Strumpfhose oder die
Kniestrümpfe, je nach dem Vorherrschen des spanischen oder des
deutschen Beinkleides. Die gestrickte Seide ist aber noch eine
Zeitlang von großer Seltenheit. Denn als im Jahre 1569 der
geheime Rath Barthold von Mandelsloh, der als Gesandter in
Italien gewesen war und von dort ein Paar seidene Strümpfe
mitgebracht hatte, an einem Wochentage mit denselben bei Hofe
erschien, vermerkte der Markgraf Johannes zu Küstrin diesen
Luxus sehr ungnädig und sagte ihm: "Bartholde, ich habe auch
seidene Strümpfe, aber ich trage sie nur des Sonn- und Fest-
tags." Am Ende des sechszehnten Jahrhunderts trägt an dem
brandenburgischen Hofe der gelehrte Alchimist Leonhard Thur-
neisser, der sich gern kostbar kleidete, die seidenen Strümpfe all-
täglich. In Magdeburg müssen sie 1583 auch schon eine Rolle
spielen, doch gelten sie noch für einen derartigen Luxus, daß die
Kleiderordnung dieses Jahres sie durchaus untersagt. Aehnlich

III. Die Neuzeit.
aus wollenem oder anderem Zeug vom Schneider zugeſchnittenen
oder gefertigten. Um die Verbreitung dieſes leichten Erwerbs-
zweiges in England machte ſich die Königin Eliſabeth ein großes
Verdienſt, ſodaß derſelbe gegen das Jahr 1577 ſchon auf dem
Lande ausgeübt wurde. Heinrich VIII. war der erſte, der in
England ein geſtricktes ſeidenes Beinkleid trug, welches er durch
Zufall aus Spanien erhalten hatte. Es ſcheint am Ende ſeiner
Regirung geweſen zu ſein, denn es wird noch ſehr viel Werth
darauf gelegt, als ſein Sohn Eduard VI. von einem Kaufmann
ein gleiches Paar aus Spanien erhielt. Erſt ſeitdem Eliſabeth
im dritten Jahre ihrer Regirung 1561 von ihrer Seidenhändle-
rin ebenfalls ein Paar geſtrickter ſeidener Strümpfe von ſchwar-
zer Farbe bekam und ſeitdem keine andern mehr tragen wollte,
wurde dieſe Art Hoſen und Strümpfe heimiſcher in England,
zumal als die Strümpfe mit dem Verſchwinden des ſpaniſchen
Beinkleids auch auf die Männerwelt übergingen. Dazu kam
noch am Ende des ſechszehnten Jahrhunderts die Erfindung des
Strumpfwirkerſtuhls durch William Lee, ſodaß nun auch das
Fabrikat billiger wurde.

In Deutſchland trug man die lange Strumpfhoſe oder die
Knieſtrümpfe, je nach dem Vorherrſchen des ſpaniſchen oder des
deutſchen Beinkleides. Die geſtrickte Seide iſt aber noch eine
Zeitlang von großer Seltenheit. Denn als im Jahre 1569 der
geheime Rath Barthold von Mandelsloh, der als Geſandter in
Italien geweſen war und von dort ein Paar ſeidene Strümpfe
mitgebracht hatte, an einem Wochentage mit denſelben bei Hofe
erſchien, vermerkte der Markgraf Johannes zu Küſtrin dieſen
Luxus ſehr ungnädig und ſagte ihm: „Bartholde, ich habe auch
ſeidene Strümpfe, aber ich trage ſie nur des Sonn- und Feſt-
tags.“ Am Ende des ſechszehnten Jahrhunderts trägt an dem
brandenburgiſchen Hofe der gelehrte Alchimiſt Leonhard Thur-
neiſſer, der ſich gern koſtbar kleidete, die ſeidenen Strümpfe all-
täglich. In Magdeburg müſſen ſie 1583 auch ſchon eine Rolle
ſpielen, doch gelten ſie noch für einen derartigen Luxus, daß die
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[142/0154] III. Die Neuzeit. aus wollenem oder anderem Zeug vom Schneider zugeſchnittenen oder gefertigten. Um die Verbreitung dieſes leichten Erwerbs- zweiges in England machte ſich die Königin Eliſabeth ein großes Verdienſt, ſodaß derſelbe gegen das Jahr 1577 ſchon auf dem Lande ausgeübt wurde. Heinrich VIII. war der erſte, der in England ein geſtricktes ſeidenes Beinkleid trug, welches er durch Zufall aus Spanien erhalten hatte. Es ſcheint am Ende ſeiner Regirung geweſen zu ſein, denn es wird noch ſehr viel Werth darauf gelegt, als ſein Sohn Eduard VI. von einem Kaufmann ein gleiches Paar aus Spanien erhielt. Erſt ſeitdem Eliſabeth im dritten Jahre ihrer Regirung 1561 von ihrer Seidenhändle- rin ebenfalls ein Paar geſtrickter ſeidener Strümpfe von ſchwar- zer Farbe bekam und ſeitdem keine andern mehr tragen wollte, wurde dieſe Art Hoſen und Strümpfe heimiſcher in England, zumal als die Strümpfe mit dem Verſchwinden des ſpaniſchen Beinkleids auch auf die Männerwelt übergingen. Dazu kam noch am Ende des ſechszehnten Jahrhunderts die Erfindung des Strumpfwirkerſtuhls durch William Lee, ſodaß nun auch das Fabrikat billiger wurde. In Deutſchland trug man die lange Strumpfhoſe oder die Knieſtrümpfe, je nach dem Vorherrſchen des ſpaniſchen oder des deutſchen Beinkleides. Die geſtrickte Seide iſt aber noch eine Zeitlang von großer Seltenheit. Denn als im Jahre 1569 der geheime Rath Barthold von Mandelsloh, der als Geſandter in Italien geweſen war und von dort ein Paar ſeidene Strümpfe mitgebracht hatte, an einem Wochentage mit denſelben bei Hofe erſchien, vermerkte der Markgraf Johannes zu Küſtrin dieſen Luxus ſehr ungnädig und ſagte ihm: „Bartholde, ich habe auch ſeidene Strümpfe, aber ich trage ſie nur des Sonn- und Feſt- tags.“ Am Ende des ſechszehnten Jahrhunderts trägt an dem brandenburgiſchen Hofe der gelehrte Alchimiſt Leonhard Thur- neiſſer, der ſich gern koſtbar kleidete, die ſeidenen Strümpfe all- täglich. In Magdeburg müſſen ſie 1583 auch ſchon eine Rolle ſpielen, doch gelten ſie noch für einen derartigen Luxus, daß die Kleiderordnung dieſes Jahres ſie durchaus unterſagt. Aehnlich

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/154>, abgerufen am 23.11.2024.