engt es den Oberkörper ein und weiset unten den Faltenwurf zwar nicht sofort ab, aber beschränkt die Freiheit desselben und unterwirft ihn einer geregelten Ordnung. Auch diese Falten werden geglättet, als der Reifrock nach Deutschland kommt.
Schon im Hoffartsteufel wird desselben gedacht: "Es ist gar ein neuer Fund, daß man die Weiberröcke unten in Schwei- fen mit alten Feigenkörben, ja mit Draht starrend machet; welches vorhin mit Filz geschehen ist." Im Anfang ist die Form noch insoweit gemäßigt, als der Rock von der Hüfte abwärts sich in der geschweiften Linie der Glocke profilirt und in weiter Kreis- linie rings auf den Boden stößt. Die Absicht dabei war natür- lich die Taille durch den Gegensatz schmaler erscheinen zu lassen. "Es muß auch der Schlunz im Koth sein, da man die Gassen mit kehret, voller Filz unten sein, auf daß der Rock sich ausbreite, wie man die Tocken schnitzet und malet, auf daß er mitten einen Schein gäbe, als wären sie fein schmal, wenn es gleich vier- eckigte, bäurische, starke Madonnen sind, so wills doch kleinlich geachtet sein. Da schnüret und preßt man sich, daß man unge- sund darüber wird, alles für großer Demuth, kannst du wohl denken. Derselbe Filz aber unten an den Röcken zieht sich ge- meiniglich durch das ganze Kleid, daß nichts denn lauter Filz darinnen steckt." Der Filz wurde größerer Bequemlichkeit halber schon bald durch Draht oder Eisenreife ersetzt, an deren Stelle auch elastische Stahlbügel traten, wie aus dem sehr bezeichnen- den Ausdruck der Magdeburger Verordnung zu schließen sein dürfte: "De Springer under den Röcken schöllen Frouwen und Jungfrouwen yn allen Stenden dorch uth vorbaden syn." Einen eigenthümlichen Grund zur Verbreitung giebt Osiander an: "Ferner haben wir noch ein Hoffart aus fremden Landen gebracht, nämlich die Reif unten an den Weibskleidern, die haben diesen Nutzen und Zierlichkeit: Wann ein Weibsbild nahe zu einem Tisch steht, oder aber niedersitzen will, so stehn die obersten Kleider von wegen des Reifes über sich, eines Schuchs hoch, also daß man darunter die andern geringen und nachgil- tigen Kleider sehen kann."
III. Die Neuzeit.
engt es den Oberkörper ein und weiſet unten den Faltenwurf zwar nicht ſofort ab, aber beſchränkt die Freiheit deſſelben und unterwirft ihn einer geregelten Ordnung. Auch dieſe Falten werden geglättet, als der Reifrock nach Deutſchland kommt.
Schon im Hoffartsteufel wird deſſelben gedacht: „Es iſt gar ein neuer Fund, daß man die Weiberröcke unten in Schwei- fen mit alten Feigenkörben, ja mit Draht ſtarrend machet; welches vorhin mit Filz geſchehen iſt.“ Im Anfang iſt die Form noch inſoweit gemäßigt, als der Rock von der Hüfte abwärts ſich in der geſchweiften Linie der Glocke profilirt und in weiter Kreis- linie rings auf den Boden ſtößt. Die Abſicht dabei war natür- lich die Taille durch den Gegenſatz ſchmaler erſcheinen zu laſſen. „Es muß auch der Schlunz im Koth ſein, da man die Gaſſen mit kehret, voller Filz unten ſein, auf daß der Rock ſich ausbreite, wie man die Tocken ſchnitzet und malet, auf daß er mitten einen Schein gäbe, als wären ſie fein ſchmal, wenn es gleich vier- eckigte, bäuriſche, ſtarke Madonnen ſind, ſo wills doch kleinlich geachtet ſein. Da ſchnüret und preßt man ſich, daß man unge- ſund darüber wird, alles für großer Demuth, kannſt du wohl denken. Derſelbe Filz aber unten an den Röcken zieht ſich ge- meiniglich durch das ganze Kleid, daß nichts denn lauter Filz darinnen ſteckt.“ Der Filz wurde größerer Bequemlichkeit halber ſchon bald durch Draht oder Eiſenreife erſetzt, an deren Stelle auch elaſtiſche Stahlbügel traten, wie aus dem ſehr bezeichnen- den Ausdruck der Magdeburger Verordnung zu ſchließen ſein dürfte: „De Springer under den Röcken ſchöllen Frouwen und Jungfrouwen yn allen Stenden dorch uth vorbaden ſyn.“ Einen eigenthümlichen Grund zur Verbreitung giebt Oſiander an: „Ferner haben wir noch ein Hoffart aus fremden Landen gebracht, nämlich die Reif unten an den Weibskleidern, die haben dieſen Nutzen und Zierlichkeit: Wann ein Weibsbild nahe zu einem Tiſch ſteht, oder aber niederſitzen will, ſo ſtehn die oberſten Kleider von wegen des Reifes über ſich, eines Schuchs hoch, alſo daß man darunter die andern geringen und nachgil- tigen Kleider ſehen kann.“
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III. Die Neuzeit.
engt es den Oberkörper ein und weiſet unten den Faltenwurf
zwar nicht ſofort ab, aber beſchränkt die Freiheit deſſelben und
unterwirft ihn einer geregelten Ordnung. Auch dieſe Falten
werden geglättet, als der Reifrock nach Deutſchland kommt.
Schon im Hoffartsteufel wird deſſelben gedacht: „Es iſt
gar ein neuer Fund, daß man die Weiberröcke unten in Schwei-
fen mit alten Feigenkörben, ja mit Draht ſtarrend machet;
welches vorhin mit Filz geſchehen iſt.“ Im Anfang iſt die Form
noch inſoweit gemäßigt, als der Rock von der Hüfte abwärts ſich
in der geſchweiften Linie der Glocke profilirt und in weiter Kreis-
linie rings auf den Boden ſtößt. Die Abſicht dabei war natür-
lich die Taille durch den Gegenſatz ſchmaler erſcheinen zu laſſen.
„Es muß auch der Schlunz im Koth ſein, da man die Gaſſen mit
kehret, voller Filz unten ſein, auf daß der Rock ſich ausbreite,
wie man die Tocken ſchnitzet und malet, auf daß er mitten einen
Schein gäbe, als wären ſie fein ſchmal, wenn es gleich vier-
eckigte, bäuriſche, ſtarke Madonnen ſind, ſo wills doch kleinlich
geachtet ſein. Da ſchnüret und preßt man ſich, daß man unge-
ſund darüber wird, alles für großer Demuth, kannſt du wohl
denken. Derſelbe Filz aber unten an den Röcken zieht ſich ge-
meiniglich durch das ganze Kleid, daß nichts denn lauter Filz
darinnen ſteckt.“ Der Filz wurde größerer Bequemlichkeit halber
ſchon bald durch Draht oder Eiſenreife erſetzt, an deren Stelle
auch elaſtiſche Stahlbügel traten, wie aus dem ſehr bezeichnen-
den Ausdruck der Magdeburger Verordnung zu ſchließen ſein
dürfte: „De Springer under den Röcken ſchöllen Frouwen
und Jungfrouwen yn allen Stenden dorch uth vorbaden ſyn.“
Einen eigenthümlichen Grund zur Verbreitung giebt Oſiander
an: „Ferner haben wir noch ein Hoffart aus fremden Landen
gebracht, nämlich die Reif unten an den Weibskleidern, die
haben dieſen Nutzen und Zierlichkeit: Wann ein Weibsbild nahe
zu einem Tiſch ſteht, oder aber niederſitzen will, ſo ſtehn die
oberſten Kleider von wegen des Reifes über ſich, eines Schuchs
hoch, alſo daß man darunter die andern geringen und nachgil-
tigen Kleider ſehen kann.“
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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/144>, abgerufen am 01.08.2024.
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