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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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2. Die Reaction und die spanische Tracht.
eine Veränderung, welche mit ihrem Schmucke vor sich ging.
Zwar blieben Medaillen, Geschmeide, goldene und silberne
Schnüre nach wie vor im Gebrauch, der sich eher erweiterte als
verringerte, aber die Masse der bunten und wallenden Federn,
welche für das Barett und gleichzeitig für den ritterlichen Helm
so charakteristisch gewesen war, zog sich in einen kurzen gedrun-
genen Busch zusammen, welcher meistens grade über der Stirn
steckte, sodaß die Federn vorn herüberschwankten, eine Sitte, die,
wie schon oben erwähnt, in Frankreich als eine deutsche bezeichnet
wurde. Gegen Ende des Jahrhunderts wird der Federbusch
selten sichtbar, bis ihn die Soldatenlust des dreißigjährigen
Krieges zu noch groteskerem Dasein wieder belebt. Etwas dieser
Zeit Eigenthümliches scheint es zu sein, was Magister Westphal
in seiner Predigt erwähnt, daß die Männer "der Jungfrauen
Haare für Straußfedern tragen, welches auch eine neue Hoffart
ist aus dem Venusberge".

Die Tracht des Haupthaares hängt mehr mit dem Kra-
gen zusammen als mit dem Hut. Die breite, unter Kinn und
Ohr heraufdrängende Krause formt den deutschen Kopf ganz nach
dem Bilde des spanischen. Das Haupthaar wird kurz, denn es
kann über Nacken und Ohr nicht herunter, und der breitgestutzte
Vollbart spitzt sich nach dem Kinne zu, bis er gegen das Ende
des Jahrhunderts von den Backen ganz zu verschwinden beginnt.
Stutzer richten das Haupthaar über der Stirn in die Höhe oder
lassen es am ganzen Kopf emporstarren; das nennt man jetzt in
anderer Bedeutung wie früher ein "kolbichtes Haar". In Joh.
Strauß Predigt heißt es: "Die natürlichen Haare, die da eine
Zierde des Hauptes sind, wie ein schöner Wald auf einem Berge,
die nimmt man ihm und macht es kölbicht. Und wiewohl das
eine Entschuldigung hat, wie man weiß, und dienet zur Gesund-
heit, doch muß die Hoffart mit unterlaufen, daß man gepüffte
Kolben macht, daraus man siehet, wie ein raucher Igel." Es ist
das offenbar eine Nachahmung der weiblichen Haarcoiffüren.
Ebenfalls stutzerisch und noch vereinzelt ist es, aber gewisser-
maßen eine Vorahnung der künftigen, mit der Krause unverträg-

2. Die Reaction und die ſpaniſche Tracht.
eine Veränderung, welche mit ihrem Schmucke vor ſich ging.
Zwar blieben Medaillen, Geſchmeide, goldene und ſilberne
Schnüre nach wie vor im Gebrauch, der ſich eher erweiterte als
verringerte, aber die Maſſe der bunten und wallenden Federn,
welche für das Barett und gleichzeitig für den ritterlichen Helm
ſo charakteriſtiſch geweſen war, zog ſich in einen kurzen gedrun-
genen Buſch zuſammen, welcher meiſtens grade über der Stirn
ſteckte, ſodaß die Federn vorn herüberſchwankten, eine Sitte, die,
wie ſchon oben erwähnt, in Frankreich als eine deutſche bezeichnet
wurde. Gegen Ende des Jahrhunderts wird der Federbuſch
ſelten ſichtbar, bis ihn die Soldatenluſt des dreißigjährigen
Krieges zu noch groteskerem Daſein wieder belebt. Etwas dieſer
Zeit Eigenthümliches ſcheint es zu ſein, was Magiſter Weſtphal
in ſeiner Predigt erwähnt, daß die Männer „der Jungfrauen
Haare für Straußfedern tragen, welches auch eine neue Hoffart
iſt aus dem Venusberge“.

Die Tracht des Haupthaares hängt mehr mit dem Kra-
gen zuſammen als mit dem Hut. Die breite, unter Kinn und
Ohr heraufdrängende Krauſe formt den deutſchen Kopf ganz nach
dem Bilde des ſpaniſchen. Das Haupthaar wird kurz, denn es
kann über Nacken und Ohr nicht herunter, und der breitgeſtutzte
Vollbart ſpitzt ſich nach dem Kinne zu, bis er gegen das Ende
des Jahrhunderts von den Backen ganz zu verſchwinden beginnt.
Stutzer richten das Haupthaar über der Stirn in die Höhe oder
laſſen es am ganzen Kopf emporſtarren; das nennt man jetzt in
anderer Bedeutung wie früher ein „kolbichtes Haar“. In Joh.
Strauß Predigt heißt es: „Die natürlichen Haare, die da eine
Zierde des Hauptes ſind, wie ein ſchöner Wald auf einem Berge,
die nimmt man ihm und macht es kölbicht. Und wiewohl das
eine Entſchuldigung hat, wie man weiß, und dienet zur Geſund-
heit, doch muß die Hoffart mit unterlaufen, daß man gepüffte
Kolben macht, daraus man ſiehet, wie ein raucher Igel.“ Es iſt
das offenbar eine Nachahmung der weiblichen Haarcoiffüren.
Ebenfalls ſtutzeriſch und noch vereinzelt iſt es, aber gewiſſer-
maßen eine Vorahnung der künftigen, mit der Krauſe unverträg-

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[119/0131] 2. Die Reaction und die ſpaniſche Tracht. eine Veränderung, welche mit ihrem Schmucke vor ſich ging. Zwar blieben Medaillen, Geſchmeide, goldene und ſilberne Schnüre nach wie vor im Gebrauch, der ſich eher erweiterte als verringerte, aber die Maſſe der bunten und wallenden Federn, welche für das Barett und gleichzeitig für den ritterlichen Helm ſo charakteriſtiſch geweſen war, zog ſich in einen kurzen gedrun- genen Buſch zuſammen, welcher meiſtens grade über der Stirn ſteckte, ſodaß die Federn vorn herüberſchwankten, eine Sitte, die, wie ſchon oben erwähnt, in Frankreich als eine deutſche bezeichnet wurde. Gegen Ende des Jahrhunderts wird der Federbuſch ſelten ſichtbar, bis ihn die Soldatenluſt des dreißigjährigen Krieges zu noch groteskerem Daſein wieder belebt. Etwas dieſer Zeit Eigenthümliches ſcheint es zu ſein, was Magiſter Weſtphal in ſeiner Predigt erwähnt, daß die Männer „der Jungfrauen Haare für Straußfedern tragen, welches auch eine neue Hoffart iſt aus dem Venusberge“. Die Tracht des Haupthaares hängt mehr mit dem Kra- gen zuſammen als mit dem Hut. Die breite, unter Kinn und Ohr heraufdrängende Krauſe formt den deutſchen Kopf ganz nach dem Bilde des ſpaniſchen. Das Haupthaar wird kurz, denn es kann über Nacken und Ohr nicht herunter, und der breitgeſtutzte Vollbart ſpitzt ſich nach dem Kinne zu, bis er gegen das Ende des Jahrhunderts von den Backen ganz zu verſchwinden beginnt. Stutzer richten das Haupthaar über der Stirn in die Höhe oder laſſen es am ganzen Kopf emporſtarren; das nennt man jetzt in anderer Bedeutung wie früher ein „kolbichtes Haar“. In Joh. Strauß Predigt heißt es: „Die natürlichen Haare, die da eine Zierde des Hauptes ſind, wie ein ſchöner Wald auf einem Berge, die nimmt man ihm und macht es kölbicht. Und wiewohl das eine Entſchuldigung hat, wie man weiß, und dienet zur Geſund- heit, doch muß die Hoffart mit unterlaufen, daß man gepüffte Kolben macht, daraus man ſiehet, wie ein raucher Igel.“ Es iſt das offenbar eine Nachahmung der weiblichen Haarcoiffüren. Ebenfalls ſtutzeriſch und noch vereinzelt iſt es, aber gewiſſer- maßen eine Vorahnung der künftigen, mit der Krauſe unverträg-

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/131>, abgerufen am 22.11.2024.