Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.2. Die Reaction und die spanische Tracht. wäsche des Herzogs verwandte sie selbst immer die größte Auf-merksamkeit. Sie schickt der Näherin eine Anzahl Hemden und den nöthigen Zwirn dazu, bestimmt selbst die Breite, Weite und Länge der Aermel und Kragen, bittet aber zugleich, die Arbeit möglichst zu fördern, weil es mit den Hemden des Herzogs schon sehr auf die Neige gehe. Die Näherin ersucht die Fürsten, ihr die alten Hemden einstweilen zur Ausbesserung zuzuschicken, denn, fügt sie hinzu, sie habe ja auch der Herzogin deren Kleider, wenn sie zerrissen gewesen, wieder mit allem Fleiße so zusammengenäht und unterhalten, daß sie dieselben noch jetzt trage; wenn sie das nicht gethan, so würde die Herzogin sie haben ablegen und wohl dreißig Mark mehr für neue geben müssen". Dieselbe Fürstin bestellt selbst alles, was sie brauchte, beim Kaufmann; hatte sie das nöthige Geld nicht, so ließ sie sich auch wohl mit dem Ver- käufer in einen Honigtausch ein. Sie bestimmt, wie ihrem Ge- mahl die Hemden gemacht werden sollen und schreibt der Näherin darüber: "Nachdem sein Lieb die Hemden nicht so enge wie zu- vor, sondern etwas weiter zu haben gesinnt, so überschicken wir euch hiermit bei den Hemden auch ein Maß, wie weit die Aermel sein sollen." Nach allen Seiten hin stand sie auf die regste Weise in eigenhändigem brieflichen Verkehr mit den Kaufleuten zu Leipzig, Nürnberg, Danzig und andern Orten und bestellte selbst alles, was zur ganzen Garderobe des Hofes, sowohl für die fürstlichen Personen wie für die Dienerschaft nothwendig war; sie schickte Muster und Zeichnungen oder ließ sich dergleichen kommen, wozu sie unter andern auch den Geschäftsträger des Herzogs in Rom benutzte. Eine ähnliche hauswirthschaftliche Thätigkeit innerhalb der Sphäre der Frau wird uns auch von andern Fürstinnen erzählt, z. B. von der Herzogin Elisabeth von Braunschweig. Da schon bald nach dem Jahre 1530 im deutschen Kleider- Falke, Trachten- und Modenwelt. II. 8
2. Die Reaction und die ſpaniſche Tracht. wäſche des Herzogs verwandte ſie ſelbſt immer die größte Auf-merkſamkeit. Sie ſchickt der Näherin eine Anzahl Hemden und den nöthigen Zwirn dazu, beſtimmt ſelbſt die Breite, Weite und Länge der Aermel und Kragen, bittet aber zugleich, die Arbeit möglichſt zu fördern, weil es mit den Hemden des Herzogs ſchon ſehr auf die Neige gehe. Die Näherin erſucht die Fürſten, ihr die alten Hemden einſtweilen zur Ausbeſſerung zuzuſchicken, denn, fügt ſie hinzu, ſie habe ja auch der Herzogin deren Kleider, wenn ſie zerriſſen geweſen, wieder mit allem Fleiße ſo zuſammengenäht und unterhalten, daß ſie dieſelben noch jetzt trage; wenn ſie das nicht gethan, ſo würde die Herzogin ſie haben ablegen und wohl dreißig Mark mehr für neue geben müſſen“. Dieſelbe Fürſtin beſtellt ſelbſt alles, was ſie brauchte, beim Kaufmann; hatte ſie das nöthige Geld nicht, ſo ließ ſie ſich auch wohl mit dem Ver- käufer in einen Honigtauſch ein. Sie beſtimmt, wie ihrem Ge- mahl die Hemden gemacht werden ſollen und ſchreibt der Näherin darüber: „Nachdem ſein Lieb die Hemden nicht ſo enge wie zu- vor, ſondern etwas weiter zu haben geſinnt, ſo überſchicken wir euch hiermit bei den Hemden auch ein Maß, wie weit die Aermel ſein ſollen.“ Nach allen Seiten hin ſtand ſie auf die regſte Weiſe in eigenhändigem brieflichen Verkehr mit den Kaufleuten zu Leipzig, Nürnberg, Danzig und andern Orten und beſtellte ſelbſt alles, was zur ganzen Garderobe des Hofes, ſowohl für die fürſtlichen Perſonen wie für die Dienerſchaft nothwendig war; ſie ſchickte Muſter und Zeichnungen oder ließ ſich dergleichen kommen, wozu ſie unter andern auch den Geſchäftsträger des Herzogs in Rom benutzte. Eine ähnliche hauswirthſchaftliche Thätigkeit innerhalb der Sphäre der Frau wird uns auch von andern Fürſtinnen erzählt, z. B. von der Herzogin Eliſabeth von Braunſchweig. Da ſchon bald nach dem Jahre 1530 im deutſchen Kleider- Falke, Trachten- und Modenwelt. II. 8
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2. Die Reaction und die ſpaniſche Tracht.
wäſche des Herzogs verwandte ſie ſelbſt immer die größte Auf-
merkſamkeit. Sie ſchickt der Näherin eine Anzahl Hemden und
den nöthigen Zwirn dazu, beſtimmt ſelbſt die Breite, Weite und
Länge der Aermel und Kragen, bittet aber zugleich, die Arbeit
möglichſt zu fördern, weil es mit den Hemden des Herzogs ſchon
ſehr auf die Neige gehe. Die Näherin erſucht die Fürſten, ihr
die alten Hemden einſtweilen zur Ausbeſſerung zuzuſchicken, denn,
fügt ſie hinzu, ſie habe ja auch der Herzogin deren Kleider, wenn
ſie zerriſſen geweſen, wieder mit allem Fleiße ſo zuſammengenäht
und unterhalten, daß ſie dieſelben noch jetzt trage; wenn ſie das
nicht gethan, ſo würde die Herzogin ſie haben ablegen und wohl
dreißig Mark mehr für neue geben müſſen“. Dieſelbe Fürſtin
beſtellt ſelbſt alles, was ſie brauchte, beim Kaufmann; hatte ſie
das nöthige Geld nicht, ſo ließ ſie ſich auch wohl mit dem Ver-
käufer in einen Honigtauſch ein. Sie beſtimmt, wie ihrem Ge-
mahl die Hemden gemacht werden ſollen und ſchreibt der Näherin
darüber: „Nachdem ſein Lieb die Hemden nicht ſo enge wie zu-
vor, ſondern etwas weiter zu haben geſinnt, ſo überſchicken wir
euch hiermit bei den Hemden auch ein Maß, wie weit die Aermel
ſein ſollen.“ Nach allen Seiten hin ſtand ſie auf die regſte Weiſe
in eigenhändigem brieflichen Verkehr mit den Kaufleuten zu
Leipzig, Nürnberg, Danzig und andern Orten und beſtellte ſelbſt
alles, was zur ganzen Garderobe des Hofes, ſowohl für die
fürſtlichen Perſonen wie für die Dienerſchaft nothwendig war;
ſie ſchickte Muſter und Zeichnungen oder ließ ſich dergleichen
kommen, wozu ſie unter andern auch den Geſchäftsträger des
Herzogs in Rom benutzte. Eine ähnliche hauswirthſchaftliche
Thätigkeit innerhalb der Sphäre der Frau wird uns auch von
andern Fürſtinnen erzählt, z. B. von der Herzogin Eliſabeth
von Braunſchweig.
Da ſchon bald nach dem Jahre 1530 im deutſchen Kleider-
weſen die Reaction eintritt, welche ſich in der allmähligen Zu-
ſammenziehung und Verſteifung ankündigt, während andrerſeits
die Landsknechte die Bewegung aufrecht halten, ſo iſt es ſchwer,
den Beginn des ſpaniſchen Einfluſſes in ſichtbaren Spuren nach-
Falke, Trachten- und Modenwelt. II. 8
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