der Kleidung angewandt, läßt sich dieser Kampf zurückführen auf den der Freiheit, Weite und Fülle gegen Enge und Be- schränkung: die Aufschlitzung und der ausgebauschte, luftig pludrige Stoff sahen sich den mit Werg und Pferdehaaren aus- gestopften Puffen und Polstern gegenüber, die Schaube stand dem Mantel entgegen, das Federbarett dem spanischen Hut und der Faltenwurf dem Reifrock.
Vieles war es, was den fremden Formen den Boden be- reitete und wirksame Hülfe leistete. Einmal war die reforma- torische Bewegung überhaupt auf dem Rückzuge begriffen, sodaß sich der Widerstand schwächte und die deutschen Formen sich von selbst den spanischen annäherten. Sodann wurde ihnen durch das habsburgische Herrscherhaus und die enge Verbindung des- selben mit Spanien die Brücke zum Uebergang nach Deutschland gebaut. Bald waren sie in Besitz des kaiserlichen Hofes, nach diesem der übrig gebliebenen katholischen Fürstenhöfe, und von hier aus wurden sie tiefer dringend in den katholischen Ländern ohne Widerstand aufgenommen, sodaß es fast schien, als wolle sich auch die Trachtenwelt Deutschlands nach dem Bekenntniß in eine katholische und eine protestantische sondern. Aber soweit kam es nicht, da der Widerstand, der ihnen protestantischerseits ent- gegengestellt wurde, ein zu geringer oder nur theilweiser war. Selbst die diesem Bekenntnisse folgenden Fürstenhöfe, so buch- stäblich sie es mit dem Glauben nahmen, fügten sich doch gern und bald der fremden Mode, weil die deutsche es durch ihre Extravaganzen mit der feinen Sitte verdorben hatte. So fand die Pluderhose grade an diesen Fürsten die heftigsten Gegner.
Was an deutschen Höfen der fremden Weise mehr hinder- lich als förderlich war, wenigstens dem damit verbundenen über- triebenen Luxus steuerte, war die größere Einfachheit, ein ge- wisser bürgerlicher Familiengeist, den die Reformation wohlthä- tig hervorgerufen hatte. Im schärfsten Contrast zu dem, was wir von der Kleiderpracht der spanischen und der englischen Eli- sabeth erzählt haben, steht das Folgende, was uns über die Herzogin Dorothea von Preußen berichtet wird: "Auf die Leib-
III. Die Neuzeit.
der Kleidung angewandt, läßt ſich dieſer Kampf zurückführen auf den der Freiheit, Weite und Fülle gegen Enge und Be- ſchränkung: die Aufſchlitzung und der ausgebauſchte, luftig pludrige Stoff ſahen ſich den mit Werg und Pferdehaaren aus- geſtopften Puffen und Polſtern gegenüber, die Schaube ſtand dem Mantel entgegen, das Federbarett dem ſpaniſchen Hut und der Faltenwurf dem Reifrock.
Vieles war es, was den fremden Formen den Boden be- reitete und wirkſame Hülfe leiſtete. Einmal war die reforma- toriſche Bewegung überhaupt auf dem Rückzuge begriffen, ſodaß ſich der Widerſtand ſchwächte und die deutſchen Formen ſich von ſelbſt den ſpaniſchen annäherten. Sodann wurde ihnen durch das habsburgiſche Herrſcherhaus und die enge Verbindung deſ- ſelben mit Spanien die Brücke zum Uebergang nach Deutſchland gebaut. Bald waren ſie in Beſitz des kaiſerlichen Hofes, nach dieſem der übrig gebliebenen katholiſchen Fürſtenhöfe, und von hier aus wurden ſie tiefer dringend in den katholiſchen Ländern ohne Widerſtand aufgenommen, ſodaß es faſt ſchien, als wolle ſich auch die Trachtenwelt Deutſchlands nach dem Bekenntniß in eine katholiſche und eine proteſtantiſche ſondern. Aber ſoweit kam es nicht, da der Widerſtand, der ihnen proteſtantiſcherſeits ent- gegengeſtellt wurde, ein zu geringer oder nur theilweiſer war. Selbſt die dieſem Bekenntniſſe folgenden Fürſtenhöfe, ſo buch- ſtäblich ſie es mit dem Glauben nahmen, fügten ſich doch gern und bald der fremden Mode, weil die deutſche es durch ihre Extravaganzen mit der feinen Sitte verdorben hatte. So fand die Pluderhoſe grade an dieſen Fürſten die heftigſten Gegner.
Was an deutſchen Höfen der fremden Weiſe mehr hinder- lich als förderlich war, wenigſtens dem damit verbundenen über- triebenen Luxus ſteuerte, war die größere Einfachheit, ein ge- wiſſer bürgerlicher Familiengeiſt, den die Reformation wohlthä- tig hervorgerufen hatte. Im ſchärfſten Contraſt zu dem, was wir von der Kleiderpracht der ſpaniſchen und der engliſchen Eli- ſabeth erzählt haben, ſteht das Folgende, was uns über die Herzogin Dorothea von Preußen berichtet wird: „Auf die Leib-
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III. Die Neuzeit.
der Kleidung angewandt, läßt ſich dieſer Kampf zurückführen
auf den der Freiheit, Weite und Fülle gegen Enge und Be-
ſchränkung: die Aufſchlitzung und der ausgebauſchte, luftig
pludrige Stoff ſahen ſich den mit Werg und Pferdehaaren aus-
geſtopften Puffen und Polſtern gegenüber, die Schaube ſtand
dem Mantel entgegen, das Federbarett dem ſpaniſchen Hut und
der Faltenwurf dem Reifrock.
Vieles war es, was den fremden Formen den Boden be-
reitete und wirkſame Hülfe leiſtete. Einmal war die reforma-
toriſche Bewegung überhaupt auf dem Rückzuge begriffen, ſodaß
ſich der Widerſtand ſchwächte und die deutſchen Formen ſich von
ſelbſt den ſpaniſchen annäherten. Sodann wurde ihnen durch
das habsburgiſche Herrſcherhaus und die enge Verbindung deſ-
ſelben mit Spanien die Brücke zum Uebergang nach Deutſchland
gebaut. Bald waren ſie in Beſitz des kaiſerlichen Hofes, nach
dieſem der übrig gebliebenen katholiſchen Fürſtenhöfe, und von
hier aus wurden ſie tiefer dringend in den katholiſchen Ländern
ohne Widerſtand aufgenommen, ſodaß es faſt ſchien, als wolle
ſich auch die Trachtenwelt Deutſchlands nach dem Bekenntniß in
eine katholiſche und eine proteſtantiſche ſondern. Aber ſoweit kam
es nicht, da der Widerſtand, der ihnen proteſtantiſcherſeits ent-
gegengeſtellt wurde, ein zu geringer oder nur theilweiſer war.
Selbſt die dieſem Bekenntniſſe folgenden Fürſtenhöfe, ſo buch-
ſtäblich ſie es mit dem Glauben nahmen, fügten ſich doch gern
und bald der fremden Mode, weil die deutſche es durch ihre
Extravaganzen mit der feinen Sitte verdorben hatte. So fand
die Pluderhoſe grade an dieſen Fürſten die heftigſten Gegner.
Was an deutſchen Höfen der fremden Weiſe mehr hinder-
lich als förderlich war, wenigſtens dem damit verbundenen über-
triebenen Luxus ſteuerte, war die größere Einfachheit, ein ge-
wiſſer bürgerlicher Familiengeiſt, den die Reformation wohlthä-
tig hervorgerufen hatte. Im ſchärfſten Contraſt zu dem, was
wir von der Kleiderpracht der ſpaniſchen und der engliſchen Eli-
ſabeth erzählt haben, ſteht das Folgende, was uns über die
Herzogin Dorothea von Preußen berichtet wird: „Auf die Leib-
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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/124>, abgerufen am 27.07.2024.
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