Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858.III. Die Neuzeit. men dasselbe nachmachten, so stand es ihnen lange nicht so gut,wie ich tausendmal wahrgenommen habe. Ich sah die schöne Königin während der ersten Versammlung der Stände zu Blois an eben dem Tage, an welchem ihr Bruder, der König, seine erste Rede hielt. Sie trug damals ein schwarzes Kleid mit orange- farbenen Streifen und Blumen und ihren großen majestätischen Schleier. Sie machte auf alle Anwesenden einen solchen Ein- druck, daß ich von mehr als dreihundert Personen hörte: sie seien in die Betrachtung der göttlichen Schönheit der Königin so ver- loren gewesen, daß sie auf die treffliche Rede des Königs nicht genug hätten achten können." An dem feinen Franzosen dieser Zeit bis gegen das Jahr III. Die Neuzeit. men daſſelbe nachmachten, ſo ſtand es ihnen lange nicht ſo gut,wie ich tauſendmal wahrgenommen habe. Ich ſah die ſchöne Königin während der erſten Verſammlung der Stände zu Blois an eben dem Tage, an welchem ihr Bruder, der König, ſeine erſte Rede hielt. Sie trug damals ein ſchwarzes Kleid mit orange- farbenen Streifen und Blumen und ihren großen majeſtätiſchen Schleier. Sie machte auf alle Anweſenden einen ſolchen Ein- druck, daß ich von mehr als dreihundert Perſonen hörte: ſie ſeien in die Betrachtung der göttlichen Schönheit der Königin ſo ver- loren geweſen, daß ſie auf die treffliche Rede des Königs nicht genug hätten achten können.“ An dem feinen Franzoſen dieſer Zeit bis gegen das Jahr <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0116" n="104"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">III.</hi> Die Neuzeit.</fw><lb/> men daſſelbe nachmachten, ſo ſtand es ihnen lange nicht ſo gut,<lb/> wie ich tauſendmal wahrgenommen habe. Ich ſah die ſchöne<lb/> Königin während der erſten Verſammlung der Stände zu Blois<lb/> an eben dem Tage, an welchem ihr Bruder, der König, ſeine<lb/> erſte Rede hielt. Sie trug damals ein ſchwarzes Kleid mit orange-<lb/> farbenen Streifen und Blumen und ihren großen majeſtätiſchen<lb/> Schleier. Sie machte auf alle Anweſenden einen ſolchen Ein-<lb/> druck, daß ich von mehr als dreihundert Perſonen hörte: ſie ſeien<lb/> in die Betrachtung der göttlichen Schönheit der Königin ſo ver-<lb/> loren geweſen, daß ſie auf die treffliche Rede des Königs nicht<lb/> genug hätten achten können.“</p><lb/> <p>An dem feinen Franzoſen dieſer Zeit bis gegen das Jahr<lb/> 1600 iſt nichts Originelles: mit dem geſteiften ſeidenen Hut, mit<lb/> kurzem Haar und Bart und der breiten Krauſe, mit dem geſtepp-<lb/> ten und gepufften Wamms, deſſen lange Taille und Gänſebauch<lb/> er ins Uebermaß ſteigert, mit dem langen ſtraffen Beinkleid, den<lb/> Polſtern um die Hüften und den zierlichen geſchlitzten Schuhen<lb/> gleicht er dem Spanier, dem Italiener, dem Engländer und dem<lb/> Deutſchen, ſoweit dieſer der fremden Tracht folgt. Um die Schul-<lb/> tern hat er ebenfalls das ſeidene Mäntelchen gelegt, und an der<lb/> Seite hängt ihm der Stoßdegen. An mächtiger Ausladung der<lb/> Polſter des Beinkleides ſtand er niemand nach, eben ſo wenig<lb/> an der Breite des Kragens wie an der Länge des Degens, ſodaß<lb/> man damals in Frankreich ſagte, der Ruf eines jungen Cava-<lb/> liers beſtände in dem Umfang ſeiner Halskrauſe und in der Länge<lb/> ſeines Degens. Nur was den Bart betrifft, ſo übertraf er darin<lb/> an Zierlichkeit und Pflege den Spanier ſowohl wie die andern<lb/> Nationen. Doch geſchah es erſt unter Heinrich <hi rendition="#aq">IV.</hi>, daß er den<lb/> Backen- und Kinnbart ganz wegließ und um ſo größere Sorgfalt<lb/> dem Ueberreſt auf der Oberlippe und unter der Unterlippe, dem<lb/> ſogenannten <hi rendition="#aq">Henri quatre</hi> zuwandte. Damals ſchrieb ein fran-<lb/> zöſiſcher Schriftſteller: „Ich hege die größte Achtung für dieſen<lb/> jungen Menſchen, der ſehr bemüht iſt um einen ſchönen Schnurr-<lb/> bart und die Zeit als wohlgenutzt betrachtet, welche er darauf<lb/> verwendet, ihn aufzurichten; jemehr er ihn betrachtet, um ſo<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [104/0116]
III. Die Neuzeit.
men daſſelbe nachmachten, ſo ſtand es ihnen lange nicht ſo gut,
wie ich tauſendmal wahrgenommen habe. Ich ſah die ſchöne
Königin während der erſten Verſammlung der Stände zu Blois
an eben dem Tage, an welchem ihr Bruder, der König, ſeine
erſte Rede hielt. Sie trug damals ein ſchwarzes Kleid mit orange-
farbenen Streifen und Blumen und ihren großen majeſtätiſchen
Schleier. Sie machte auf alle Anweſenden einen ſolchen Ein-
druck, daß ich von mehr als dreihundert Perſonen hörte: ſie ſeien
in die Betrachtung der göttlichen Schönheit der Königin ſo ver-
loren geweſen, daß ſie auf die treffliche Rede des Königs nicht
genug hätten achten können.“
An dem feinen Franzoſen dieſer Zeit bis gegen das Jahr
1600 iſt nichts Originelles: mit dem geſteiften ſeidenen Hut, mit
kurzem Haar und Bart und der breiten Krauſe, mit dem geſtepp-
ten und gepufften Wamms, deſſen lange Taille und Gänſebauch
er ins Uebermaß ſteigert, mit dem langen ſtraffen Beinkleid, den
Polſtern um die Hüften und den zierlichen geſchlitzten Schuhen
gleicht er dem Spanier, dem Italiener, dem Engländer und dem
Deutſchen, ſoweit dieſer der fremden Tracht folgt. Um die Schul-
tern hat er ebenfalls das ſeidene Mäntelchen gelegt, und an der
Seite hängt ihm der Stoßdegen. An mächtiger Ausladung der
Polſter des Beinkleides ſtand er niemand nach, eben ſo wenig
an der Breite des Kragens wie an der Länge des Degens, ſodaß
man damals in Frankreich ſagte, der Ruf eines jungen Cava-
liers beſtände in dem Umfang ſeiner Halskrauſe und in der Länge
ſeines Degens. Nur was den Bart betrifft, ſo übertraf er darin
an Zierlichkeit und Pflege den Spanier ſowohl wie die andern
Nationen. Doch geſchah es erſt unter Heinrich IV., daß er den
Backen- und Kinnbart ganz wegließ und um ſo größere Sorgfalt
dem Ueberreſt auf der Oberlippe und unter der Unterlippe, dem
ſogenannten Henri quatre zuwandte. Damals ſchrieb ein fran-
zöſiſcher Schriftſteller: „Ich hege die größte Achtung für dieſen
jungen Menſchen, der ſehr bemüht iſt um einen ſchönen Schnurr-
bart und die Zeit als wohlgenutzt betrachtet, welche er darauf
verwendet, ihn aufzurichten; jemehr er ihn betrachtet, um ſo
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