der spanischen Hauptform, nur mäßigten sie mit mehr Geschmack die Ausartung. Sie trugen, wenn sie elegant gingen, den sei- denen Hut und die Krause und hatten das Beinkleid ohne die Trennung am Knie ganz nach spanischer Weise, doch die Wülste um Hüften und Oberschenkel in bedeutend geringerer Dicke. An den Schultern trugen sie die Puffen nicht und ermäßigten die Ausstopfung.
Die Franzosen gelten in dieser Zeit noch durchaus als Nachahmer, was Brantome selbst, der Lobredner seiner Lands- leute, zugiebt, indem er eingesteht, sie hätten die Erfindungen der Spanier nachgeahmt. Und zwar waren sie keineswegs glück- lich darin, noch bewiesen sie einen ausnehmend feinen Geschmack, sodaß die oben angeführten Vorwürfe des Italieners völlig be- gründet sind. Nicht nur überluden sie sich in ganz unerhörter Weise mit Schmuck, sondern trieben noch die Auswüchse der spanischen Tracht ins Extrem. Erst gegen das Ende des sechs- zehnten Jahrhunderts machen sie sich in ihrer veränderlichen Weise von ihrem Vorbild los, seitdem dasselbe in seiner einmal vollendeten Tracht unwandelbar erstarrte, und neigen mehr den italienischen Moden zu oder stellen sich auf eigne Füße. Von großem Verdienst für Frankreich waren in dieser Beziehung die beiden schönen Schwestern Elisabeth, die spätere Königin von Spanien, Philipps II. Gemahlin, und Margaretha von Na- varra, die Gemahlin Heinrichs IV., welche sich nach Kräften be- strebten, erfinderisch zu sein, obwohl es ihnen zunächst nicht wei- ter gelang, als die spanische Weise fortzuführen und das Detail zu ändern; selbständig verfuhren sie zuerst im Kopfputz, nachdem die französischen Damen lange genug unter dem spanischen Hut sich befunden hatten. Brantome ist der größte Bewunderer der schönen Margaretha und weiß ihre Erfindungsgabe in der Toi- lette nicht genug zu rühmen. "Unsere schöne Königin", sagt er, "mochte einen Hut oder eine Haube aufsetzen, oder einen großen Schleier anlegen, so wußte man immer nicht, in welchem Kopf- putz sie am schönsten war. Sie verschönerte alles, was sie an- legte, durch irgend eine neue Erfindung, und wenn andere Da-
2. Die Reaction und die ſpaniſche Tracht.
der ſpaniſchen Hauptform, nur mäßigten ſie mit mehr Geſchmack die Ausartung. Sie trugen, wenn ſie elegant gingen, den ſei- denen Hut und die Krauſe und hatten das Beinkleid ohne die Trennung am Knie ganz nach ſpaniſcher Weiſe, doch die Wülſte um Hüften und Oberſchenkel in bedeutend geringerer Dicke. An den Schultern trugen ſie die Puffen nicht und ermäßigten die Ausſtopfung.
Die Franzoſen gelten in dieſer Zeit noch durchaus als Nachahmer, was Brantome ſelbſt, der Lobredner ſeiner Lands- leute, zugiebt, indem er eingeſteht, ſie hätten die Erfindungen der Spanier nachgeahmt. Und zwar waren ſie keineswegs glück- lich darin, noch bewieſen ſie einen ausnehmend feinen Geſchmack, ſodaß die oben angeführten Vorwürfe des Italieners völlig be- gründet ſind. Nicht nur überluden ſie ſich in ganz unerhörter Weiſe mit Schmuck, ſondern trieben noch die Auswüchſe der ſpaniſchen Tracht ins Extrem. Erſt gegen das Ende des ſechs- zehnten Jahrhunderts machen ſie ſich in ihrer veränderlichen Weiſe von ihrem Vorbild los, ſeitdem daſſelbe in ſeiner einmal vollendeten Tracht unwandelbar erſtarrte, und neigen mehr den italieniſchen Moden zu oder ſtellen ſich auf eigne Füße. Von großem Verdienſt für Frankreich waren in dieſer Beziehung die beiden ſchönen Schweſtern Eliſabeth, die ſpätere Königin von Spanien, Philipps II. Gemahlin, und Margaretha von Na- varra, die Gemahlin Heinrichs IV., welche ſich nach Kräften be- ſtrebten, erfinderiſch zu ſein, obwohl es ihnen zunächſt nicht wei- ter gelang, als die ſpaniſche Weiſe fortzuführen und das Detail zu ändern; ſelbſtändig verfuhren ſie zuerſt im Kopfputz, nachdem die franzöſiſchen Damen lange genug unter dem ſpaniſchen Hut ſich befunden hatten. Brantome iſt der größte Bewunderer der ſchönen Margaretha und weiß ihre Erfindungsgabe in der Toi- lette nicht genug zu rühmen. „Unſere ſchöne Königin“, ſagt er, „mochte einen Hut oder eine Haube aufſetzen, oder einen großen Schleier anlegen, ſo wußte man immer nicht, in welchem Kopf- putz ſie am ſchönſten war. Sie verſchönerte alles, was ſie an- legte, durch irgend eine neue Erfindung, und wenn andere Da-
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2. Die Reaction und die ſpaniſche Tracht.
der ſpaniſchen Hauptform, nur mäßigten ſie mit mehr Geſchmack
die Ausartung. Sie trugen, wenn ſie elegant gingen, den ſei-
denen Hut und die Krauſe und hatten das Beinkleid ohne die
Trennung am Knie ganz nach ſpaniſcher Weiſe, doch die Wülſte
um Hüften und Oberſchenkel in bedeutend geringerer Dicke. An
den Schultern trugen ſie die Puffen nicht und ermäßigten die
Ausſtopfung.
Die Franzoſen gelten in dieſer Zeit noch durchaus als
Nachahmer, was Brantome ſelbſt, der Lobredner ſeiner Lands-
leute, zugiebt, indem er eingeſteht, ſie hätten die Erfindungen
der Spanier nachgeahmt. Und zwar waren ſie keineswegs glück-
lich darin, noch bewieſen ſie einen ausnehmend feinen Geſchmack,
ſodaß die oben angeführten Vorwürfe des Italieners völlig be-
gründet ſind. Nicht nur überluden ſie ſich in ganz unerhörter
Weiſe mit Schmuck, ſondern trieben noch die Auswüchſe der
ſpaniſchen Tracht ins Extrem. Erſt gegen das Ende des ſechs-
zehnten Jahrhunderts machen ſie ſich in ihrer veränderlichen
Weiſe von ihrem Vorbild los, ſeitdem daſſelbe in ſeiner einmal
vollendeten Tracht unwandelbar erſtarrte, und neigen mehr den
italieniſchen Moden zu oder ſtellen ſich auf eigne Füße. Von
großem Verdienſt für Frankreich waren in dieſer Beziehung die
beiden ſchönen Schweſtern Eliſabeth, die ſpätere Königin von
Spanien, Philipps II. Gemahlin, und Margaretha von Na-
varra, die Gemahlin Heinrichs IV., welche ſich nach Kräften be-
ſtrebten, erfinderiſch zu ſein, obwohl es ihnen zunächſt nicht wei-
ter gelang, als die ſpaniſche Weiſe fortzuführen und das Detail
zu ändern; ſelbſtändig verfuhren ſie zuerſt im Kopfputz, nachdem
die franzöſiſchen Damen lange genug unter dem ſpaniſchen Hut
ſich befunden hatten. Brantome iſt der größte Bewunderer der
ſchönen Margaretha und weiß ihre Erfindungsgabe in der Toi-
lette nicht genug zu rühmen. „Unſere ſchöne Königin“, ſagt er,
„mochte einen Hut oder eine Haube aufſetzen, oder einen großen
Schleier anlegen, ſo wußte man immer nicht, in welchem Kopf-
putz ſie am ſchönſten war. Sie verſchönerte alles, was ſie an-
legte, durch irgend eine neue Erfindung, und wenn andere Da-
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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/115>, abgerufen am 01.08.2024.
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