auch die Unterschrift einer ähnlichen Frau aus Venedig in einem alten deutschen Trachtenbuch:
"Ein Venedisch Cortisan Hat unter dem Gewand Hosen an, Hoch Pantoffel, seltsam zugricht, Eine große Zahl man deren sicht."
Wenn sie sichtbar werden, zeigen sie sich gewöhnlich reich verziert, mit Sammet oder Goldstoff beschlagen, mit Franzen herum oder mit Metallbeschlag in mannigfachen Mustern. Das obere Leder, welches die Füße hält, ist oft nur durch einen Riemen ersetzt. In Deutschland hat die Mode in dieser Zeit, da sie nicht mit den späteren Steckelschuhen zu verwechseln ist, keine Rolle gespielt, wenn auch wie früher wieder verzierte Pantoffeln zuweilen getra- gen werden; die sittenrichtenden Prediger, die des Luxus der feinen Fußbekleidung zum öftern gedenken, hätten gewiß nicht verfehlt, einen so willkommenen Gegenstand nach Gebühr zu würdigen.
Ganz dem Gange gemäß, wie die Dinge in Spanien sich consolidirten und der Fortschritt in der Geschichte seit der Mitte des sechszehnten Jahrhunderts aufhörte, setzte sich auch das Co- stüm fest, nachdem es einmal von dem Umschwung im Anfange des sechszehnten Jahrhunderts zur vollen Ausbildung gelangt war. Noch bis zur Mitte des nächsten Jahrhunderts finden wir in der vornehmen Welt Spaniens im wesentlichen dieselbe Tracht, nachdem sich in England, Frankreich und Deutschland bereits eine andere Costümperiode auf ihre Höhe geschwungen hatte und theilweise schon wieder im Untergange begriffen war; diese ging mit der ganzen naturalistischen Richtung des dreißigjährigen Kriegs fast spurlos an Spanien vorüber. Der spanische Con- servatismus im Costüm erregte in hohem Grade die Aufmerk- samkeit der übrigen modischen Welt, während dem Franzosen schon die Proteusnatur zugeschrieben ward, der Deutsche aber als der Nachahmer galt. In Paris fand darum allgemeines Be- dauern statt, als die schöne Prinzessin Elisabeth als Gemahlin Philipps II. an den traurigen und strengen Hof von Madrid
III. Die Neuzeit.
auch die Unterſchrift einer ähnlichen Frau aus Venedig in einem alten deutſchen Trachtenbuch:
„Ein Venediſch Cortiſan Hat unter dem Gewand Hoſen an, Hoch Pantoffel, ſeltſam zugricht, Eine große Zahl man deren ſicht.“
Wenn ſie ſichtbar werden, zeigen ſie ſich gewöhnlich reich verziert, mit Sammet oder Goldſtoff beſchlagen, mit Franzen herum oder mit Metallbeſchlag in mannigfachen Muſtern. Das obere Leder, welches die Füße hält, iſt oft nur durch einen Riemen erſetzt. In Deutſchland hat die Mode in dieſer Zeit, da ſie nicht mit den ſpäteren Steckelſchuhen zu verwechſeln iſt, keine Rolle geſpielt, wenn auch wie früher wieder verzierte Pantoffeln zuweilen getra- gen werden; die ſittenrichtenden Prediger, die des Luxus der feinen Fußbekleidung zum öftern gedenken, hätten gewiß nicht verfehlt, einen ſo willkommenen Gegenſtand nach Gebühr zu würdigen.
Ganz dem Gange gemäß, wie die Dinge in Spanien ſich conſolidirten und der Fortſchritt in der Geſchichte ſeit der Mitte des ſechszehnten Jahrhunderts aufhörte, ſetzte ſich auch das Co- ſtüm feſt, nachdem es einmal von dem Umſchwung im Anfange des ſechszehnten Jahrhunderts zur vollen Ausbildung gelangt war. Noch bis zur Mitte des nächſten Jahrhunderts finden wir in der vornehmen Welt Spaniens im weſentlichen dieſelbe Tracht, nachdem ſich in England, Frankreich und Deutſchland bereits eine andere Coſtümperiode auf ihre Höhe geſchwungen hatte und theilweiſe ſchon wieder im Untergange begriffen war; dieſe ging mit der ganzen naturaliſtiſchen Richtung des dreißigjährigen Kriegs faſt ſpurlos an Spanien vorüber. Der ſpaniſche Con- ſervatismus im Coſtüm erregte in hohem Grade die Aufmerk- ſamkeit der übrigen modiſchen Welt, während dem Franzoſen ſchon die Proteusnatur zugeſchrieben ward, der Deutſche aber als der Nachahmer galt. In Paris fand darum allgemeines Be- dauern ſtatt, als die ſchöne Prinzeſſin Eliſabeth als Gemahlin Philipps II. an den traurigen und ſtrengen Hof von Madrid
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III. Die Neuzeit.
auch die Unterſchrift einer ähnlichen Frau aus Venedig in einem
alten deutſchen Trachtenbuch:
„Ein Venediſch Cortiſan
Hat unter dem Gewand Hoſen an,
Hoch Pantoffel, ſeltſam zugricht,
Eine große Zahl man deren ſicht.“
Wenn ſie ſichtbar werden, zeigen ſie ſich gewöhnlich reich verziert,
mit Sammet oder Goldſtoff beſchlagen, mit Franzen herum oder
mit Metallbeſchlag in mannigfachen Muſtern. Das obere Leder,
welches die Füße hält, iſt oft nur durch einen Riemen erſetzt.
In Deutſchland hat die Mode in dieſer Zeit, da ſie nicht mit den
ſpäteren Steckelſchuhen zu verwechſeln iſt, keine Rolle geſpielt,
wenn auch wie früher wieder verzierte Pantoffeln zuweilen getra-
gen werden; die ſittenrichtenden Prediger, die des Luxus der
feinen Fußbekleidung zum öftern gedenken, hätten gewiß nicht
verfehlt, einen ſo willkommenen Gegenſtand nach Gebühr zu
würdigen.
Ganz dem Gange gemäß, wie die Dinge in Spanien ſich
conſolidirten und der Fortſchritt in der Geſchichte ſeit der Mitte
des ſechszehnten Jahrhunderts aufhörte, ſetzte ſich auch das Co-
ſtüm feſt, nachdem es einmal von dem Umſchwung im Anfange
des ſechszehnten Jahrhunderts zur vollen Ausbildung gelangt
war. Noch bis zur Mitte des nächſten Jahrhunderts finden wir
in der vornehmen Welt Spaniens im weſentlichen dieſelbe Tracht,
nachdem ſich in England, Frankreich und Deutſchland bereits eine
andere Coſtümperiode auf ihre Höhe geſchwungen hatte und
theilweiſe ſchon wieder im Untergange begriffen war; dieſe ging
mit der ganzen naturaliſtiſchen Richtung des dreißigjährigen
Kriegs faſt ſpurlos an Spanien vorüber. Der ſpaniſche Con-
ſervatismus im Coſtüm erregte in hohem Grade die Aufmerk-
ſamkeit der übrigen modiſchen Welt, während dem Franzoſen
ſchon die Proteusnatur zugeſchrieben ward, der Deutſche aber
als der Nachahmer galt. In Paris fand darum allgemeines Be-
dauern ſtatt, als die ſchöne Prinzeſſin Eliſabeth als Gemahlin
Philipps II. an den traurigen und ſtrengen Hof von Madrid
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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/110>, abgerufen am 16.02.2025.
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