oder in der Tasche mit sich zu führen, und die jungen Herren machten es ebenso. Zuweilen befand sich auch das Glas in die Mitte des Fäderfächers eingefügt.
Der Mantel, den wir schon als ein charakteristisches Stück der männlichen Tracht kennen lernten, gehört auch der spanischen Frau in derselben Weise an. Vornehme Damen trugen ihn schon damals in der Kürze einer Mantille, bürgerliche länger und die ganze Figur verhüllend. Man nahm ihn über den Kopf und schloß ihn, da er sehr weit war, mit den Händen auf der Brust in solcher Weise, daß oft nur die Augen sichtbar blieben. Bis zu diesem Grade war es freilich vorzugsweise in den bürgerlichen Classen gebräuchlich, eine Sitte, welche ihre Entstehung wohl ebenso dem langen Verkehr mit den Sarazenen verdankt, wie sie dem spanischen Charakter des sechszehnten Jahrhunderts ent- spricht. Die Farbe war damals wie heute die schwarze oder wenigstens eine dunkle.
Nur der Frömmigkeit oder dem Eifer, sich in den Augen der Inquisition rechtgläubig zu zeigen, verdankt eine andere Eigen- thümlichkeit spanischer Damen ihre Entstehung. Wie sie nämlich am Gürtel sich mit Reliquien behängten, so legten sie um die Hüften den Strick irgend eines geistlichen Ordens aus schwarzer, brauner oder weißer Wolle gefertigt. So entsprach er ganz der vorgeschriebenen Regel, doch scheint er dieselbe bald aufgegeben zu haben und dann an Stelle des Gürtels zum bloßen Schmuck geworden zu sein, worüber denn die fromme Bedeutung verloren gehen mochte. Wir finden nämlich in der zweiten Hälfte des sechszehnten Jahrhunderts bei deutschen wie französischen und italienischen Frauen den Gürtel in Gestalt eines gedrehten Strickes, der auch in der Art, wie er umgelegt ist, dem Ordens- strick entspricht, nur daß die Knoten durch edlen Schmuck ersetzt sind. Hans Weigels Trachtenbuch giebt der Beispiele mehrere.
Wie die Zeit der Reaction zu widersinnigen Uebertreibungen sich hinneigt, zeigt besonders eine Art der Fußbekleidung, welche in Spanien und Italien am gebräuchlichsten war, doch auch anderswo nicht ohne Beispiel blieb. Es sind dies hohe
III. Die Neuzeit.
oder in der Taſche mit ſich zu führen, und die jungen Herren machten es ebenſo. Zuweilen befand ſich auch das Glas in die Mitte des Fäderfächers eingefügt.
Der Mantel, den wir ſchon als ein charakteriſtiſches Stück der männlichen Tracht kennen lernten, gehört auch der ſpaniſchen Frau in derſelben Weiſe an. Vornehme Damen trugen ihn ſchon damals in der Kürze einer Mantille, bürgerliche länger und die ganze Figur verhüllend. Man nahm ihn über den Kopf und ſchloß ihn, da er ſehr weit war, mit den Händen auf der Bruſt in ſolcher Weiſe, daß oft nur die Augen ſichtbar blieben. Bis zu dieſem Grade war es freilich vorzugsweiſe in den bürgerlichen Claſſen gebräuchlich, eine Sitte, welche ihre Entſtehung wohl ebenſo dem langen Verkehr mit den Sarazenen verdankt, wie ſie dem ſpaniſchen Charakter des ſechszehnten Jahrhunderts ent- ſpricht. Die Farbe war damals wie heute die ſchwarze oder wenigſtens eine dunkle.
Nur der Frömmigkeit oder dem Eifer, ſich in den Augen der Inquiſition rechtgläubig zu zeigen, verdankt eine andere Eigen- thümlichkeit ſpaniſcher Damen ihre Entſtehung. Wie ſie nämlich am Gürtel ſich mit Reliquien behängten, ſo legten ſie um die Hüften den Strick irgend eines geiſtlichen Ordens aus ſchwarzer, brauner oder weißer Wolle gefertigt. So entſprach er ganz der vorgeſchriebenen Regel, doch ſcheint er dieſelbe bald aufgegeben zu haben und dann an Stelle des Gürtels zum bloßen Schmuck geworden zu ſein, worüber denn die fromme Bedeutung verloren gehen mochte. Wir finden nämlich in der zweiten Hälfte des ſechszehnten Jahrhunderts bei deutſchen wie franzöſiſchen und italieniſchen Frauen den Gürtel in Geſtalt eines gedrehten Strickes, der auch in der Art, wie er umgelegt iſt, dem Ordens- ſtrick entſpricht, nur daß die Knoten durch edlen Schmuck erſetzt ſind. Hans Weigels Trachtenbuch giebt der Beiſpiele mehrere.
Wie die Zeit der Reaction zu widerſinnigen Uebertreibungen ſich hinneigt, zeigt beſonders eine Art der Fußbekleidung, welche in Spanien und Italien am gebräuchlichſten war, doch auch anderswo nicht ohne Beiſpiel blieb. Es ſind dies hohe
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III. Die Neuzeit.
oder in der Taſche mit ſich zu führen, und die jungen Herren
machten es ebenſo. Zuweilen befand ſich auch das Glas in die
Mitte des Fäderfächers eingefügt.
Der Mantel, den wir ſchon als ein charakteriſtiſches Stück
der männlichen Tracht kennen lernten, gehört auch der ſpaniſchen
Frau in derſelben Weiſe an. Vornehme Damen trugen ihn ſchon
damals in der Kürze einer Mantille, bürgerliche länger und die
ganze Figur verhüllend. Man nahm ihn über den Kopf und
ſchloß ihn, da er ſehr weit war, mit den Händen auf der Bruſt
in ſolcher Weiſe, daß oft nur die Augen ſichtbar blieben. Bis
zu dieſem Grade war es freilich vorzugsweiſe in den bürgerlichen
Claſſen gebräuchlich, eine Sitte, welche ihre Entſtehung wohl
ebenſo dem langen Verkehr mit den Sarazenen verdankt, wie ſie
dem ſpaniſchen Charakter des ſechszehnten Jahrhunderts ent-
ſpricht. Die Farbe war damals wie heute die ſchwarze oder
wenigſtens eine dunkle.
Nur der Frömmigkeit oder dem Eifer, ſich in den Augen der
Inquiſition rechtgläubig zu zeigen, verdankt eine andere Eigen-
thümlichkeit ſpaniſcher Damen ihre Entſtehung. Wie ſie nämlich
am Gürtel ſich mit Reliquien behängten, ſo legten ſie um die
Hüften den Strick irgend eines geiſtlichen Ordens aus ſchwarzer,
brauner oder weißer Wolle gefertigt. So entſprach er ganz der
vorgeſchriebenen Regel, doch ſcheint er dieſelbe bald aufgegeben
zu haben und dann an Stelle des Gürtels zum bloßen Schmuck
geworden zu ſein, worüber denn die fromme Bedeutung verloren
gehen mochte. Wir finden nämlich in der zweiten Hälfte des
ſechszehnten Jahrhunderts bei deutſchen wie franzöſiſchen und
italieniſchen Frauen den Gürtel in Geſtalt eines gedrehten
Strickes, der auch in der Art, wie er umgelegt iſt, dem Ordens-
ſtrick entſpricht, nur daß die Knoten durch edlen Schmuck erſetzt
ſind. Hans Weigels Trachtenbuch giebt der Beiſpiele mehrere.
Wie die Zeit der Reaction zu widerſinnigen Uebertreibungen
ſich hinneigt, zeigt beſonders eine Art der Fußbekleidung,
welche in Spanien und Italien am gebräuchlichſten war, doch
auch anderswo nicht ohne Beiſpiel blieb. Es ſind dies hohe
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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten02_1858/108>, abgerufen am 08.07.2024.
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