Aermel mit breiten Goldstreifen besetzt, und diesen folgen nach der Schnur die Edelsteine einer hinter dem andern in wohlgesetzter Reihe, höchstens stehen sie im Viereck oder in sonst einer einfachen, regelmäßigen Figur. Von gefälliger Musterung, vom Wechsel der Linien ist keine Rede; es offenbart sich die ärmlichste Phan- tasie, ein roher Geschmack, der im bloßen Glanz und in der Kost- barkeit des Stoffes seine Befriedigung findet.
Darüber hinaus ist auch in dieser Periode der Schmuck nach der Form und der Weise der Verzierung nicht gekommen. In beiden Fällen zeigt sich nur der gute Wille zu gestalten und zugleich die Unfähigkeit aus den vorhandenen Elementen etwas Ganzes zu machen. Es ist die Zeit, wo römisch-griechische Ein- flüsse innerhalb der einfachen, nationalen Formen des Urzustan- des sich geltend machen, aber nur unverstanden aufgenommen und unorganisch verbunden werden. Diese Weise der Verbindung begann schon in den Zeiten des Heidenthums, im dritten und vierten Jahrhundert, ging dann in die christliche Zeit über und hielt sich, bis sich in der romanischen Kunst ein wirklicher, künst- lerische Anforderungen befriedigender Stil ausbildete. Ueberla- dung, Willkür, Mangel an Ordnung und Phantasie, und Ro- heit der Formen sind die Eigenschaften der Schmuckverzierung in der merovingisch-karolingischen Zeit. Die einfache, aber doch zier- liche Spirale, welche freilich immer wiederkehrte, tritt zurück. Die eingeritzte Linie wird vertieft, doch nur soweit, daß das Ornament immer noch als flach erscheint, während das antike im Relief von allen Seiten Profile bot. Die durch römischen Einfluß vervoll- kommnete Technik im Guß des Erzes erlaubte diesen Fortschritt; das Ornament wurde nicht mehr eingeritzt oder geschnitten, son- dern es entstand sogleich durch den Guß über das geschnittene Holzmodell. Ein weiterer Fortschritt lag darin, daß der Schmuck, der im Ganzen breitere Formen, also größeren Flächenraum bot, nicht mehr einfach von der Linie in ihren verschiedenen Richtun- gen und Windungen bedeckt oder umzogen, sondern nach seiner Fläche erst in Felder zerlegt wurde, welche ein Zierrath von regel- mäßigen oder unregelmäßigen, geometrischen Figuren in meist
I. Aelteſte Zeit bis zu den Kreuzzügen.
Aermel mit breiten Goldſtreifen beſetzt, und dieſen folgen nach der Schnur die Edelſteine einer hinter dem andern in wohlgeſetzter Reihe, höchſtens ſtehen ſie im Viereck oder in ſonſt einer einfachen, regelmäßigen Figur. Von gefälliger Muſterung, vom Wechſel der Linien iſt keine Rede; es offenbart ſich die ärmlichſte Phan- taſie, ein roher Geſchmack, der im bloßen Glanz und in der Koſt- barkeit des Stoffes ſeine Befriedigung findet.
Darüber hinaus iſt auch in dieſer Periode der Schmuck nach der Form und der Weiſe der Verzierung nicht gekommen. In beiden Fällen zeigt ſich nur der gute Wille zu geſtalten und zugleich die Unfähigkeit aus den vorhandenen Elementen etwas Ganzes zu machen. Es iſt die Zeit, wo römiſch-griechiſche Ein- flüſſe innerhalb der einfachen, nationalen Formen des Urzuſtan- des ſich geltend machen, aber nur unverſtanden aufgenommen und unorganiſch verbunden werden. Dieſe Weiſe der Verbindung begann ſchon in den Zeiten des Heidenthums, im dritten und vierten Jahrhundert, ging dann in die chriſtliche Zeit über und hielt ſich, bis ſich in der romaniſchen Kunſt ein wirklicher, künſt- leriſche Anforderungen befriedigender Stil ausbildete. Ueberla- dung, Willkür, Mangel an Ordnung und Phantaſie, und Ro- heit der Formen ſind die Eigenſchaften der Schmuckverzierung in der merovingiſch-karolingiſchen Zeit. Die einfache, aber doch zier- liche Spirale, welche freilich immer wiederkehrte, tritt zurück. Die eingeritzte Linie wird vertieft, doch nur ſoweit, daß das Ornament immer noch als flach erſcheint, während das antike im Relief von allen Seiten Profile bot. Die durch römiſchen Einfluß vervoll- kommnete Technik im Guß des Erzes erlaubte dieſen Fortſchritt; das Ornament wurde nicht mehr eingeritzt oder geſchnitten, ſon- dern es entſtand ſogleich durch den Guß über das geſchnittene Holzmodell. Ein weiterer Fortſchritt lag darin, daß der Schmuck, der im Ganzen breitere Formen, alſo größeren Flächenraum bot, nicht mehr einfach von der Linie in ihren verſchiedenen Richtun- gen und Windungen bedeckt oder umzogen, ſondern nach ſeiner Fläche erſt in Felder zerlegt wurde, welche ein Zierrath von regel- mäßigen oder unregelmäßigen, geometriſchen Figuren in meiſt
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I. Aelteſte Zeit bis zu den Kreuzzügen.
Aermel mit breiten Goldſtreifen beſetzt, und dieſen folgen nach
der Schnur die Edelſteine einer hinter dem andern in wohlgeſetzter
Reihe, höchſtens ſtehen ſie im Viereck oder in ſonſt einer einfachen,
regelmäßigen Figur. Von gefälliger Muſterung, vom Wechſel
der Linien iſt keine Rede; es offenbart ſich die ärmlichſte Phan-
taſie, ein roher Geſchmack, der im bloßen Glanz und in der Koſt-
barkeit des Stoffes ſeine Befriedigung findet.
Darüber hinaus iſt auch in dieſer Periode der Schmuck
nach der Form und der Weiſe der Verzierung nicht gekommen.
In beiden Fällen zeigt ſich nur der gute Wille zu geſtalten und
zugleich die Unfähigkeit aus den vorhandenen Elementen etwas
Ganzes zu machen. Es iſt die Zeit, wo römiſch-griechiſche Ein-
flüſſe innerhalb der einfachen, nationalen Formen des Urzuſtan-
des ſich geltend machen, aber nur unverſtanden aufgenommen
und unorganiſch verbunden werden. Dieſe Weiſe der Verbindung
begann ſchon in den Zeiten des Heidenthums, im dritten und
vierten Jahrhundert, ging dann in die chriſtliche Zeit über und
hielt ſich, bis ſich in der romaniſchen Kunſt ein wirklicher, künſt-
leriſche Anforderungen befriedigender Stil ausbildete. Ueberla-
dung, Willkür, Mangel an Ordnung und Phantaſie, und Ro-
heit der Formen ſind die Eigenſchaften der Schmuckverzierung in
der merovingiſch-karolingiſchen Zeit. Die einfache, aber doch zier-
liche Spirale, welche freilich immer wiederkehrte, tritt zurück. Die
eingeritzte Linie wird vertieft, doch nur ſoweit, daß das Ornament
immer noch als flach erſcheint, während das antike im Relief von
allen Seiten Profile bot. Die durch römiſchen Einfluß vervoll-
kommnete Technik im Guß des Erzes erlaubte dieſen Fortſchritt;
das Ornament wurde nicht mehr eingeritzt oder geſchnitten, ſon-
dern es entſtand ſogleich durch den Guß über das geſchnittene
Holzmodell. Ein weiterer Fortſchritt lag darin, daß der Schmuck,
der im Ganzen breitere Formen, alſo größeren Flächenraum bot,
nicht mehr einfach von der Linie in ihren verſchiedenen Richtun-
gen und Windungen bedeckt oder umzogen, ſondern nach ſeiner
Fläche erſt in Felder zerlegt wurde, welche ein Zierrath von regel-
mäßigen oder unregelmäßigen, geometriſchen Figuren in meiſt
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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/66>, abgerufen am 01.08.2024.
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