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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.

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I. Aelteste Zeit bis zu den Kreuzzügen.
mit edlen Metallen, vergoldete die Altäre, die Eingänge, belegte
sie mit Goldblech; überdeckte selbst die Thürflügel mit Silberplat-
ten und die Gesimse und die Fußböden mit Goldplatten von un-
geheurem Werthe. -- Diese mächtige Bedeutung des "rothen
Goldes", die Lust an dem blanken Metall ist auch in die altdeut-
sche Sagenwelt eingedrungen, die ja grade in dieser Periode der
Merovinger und Karolinger ihre Wurzeln treibt. Die Gedanken
aber, die sich hier damit verknüpfen, haben sich mythisch vertieft.
Nicht die Habsucht ist es, welche wirkt, nicht der Besitz allein reizt
und treibt zu Kampf und schwerem Mord, ein dämonischer, tod-
bringender Zauber ist mit ihm verbunden. So heißt es im Vo-
luspalied:
"Da wurde Mord in der Welt zuerst,
Da sie mit Gabeln die Goldkraft stießen."
Von den unheimlichen, unterirdischen Mächten ist es heraufge-
sandt an das Licht der Sonne, ein unheilvolles Geschenk, und
wieder nieder muß es, woher es gekommen; in wessen Besitz es
aber gelangt, der ist umstrickt und mit ihm den Geistern der Un-
terwelt, dem Tode geweiht. Diese Rolle spielt auch der Nibelun-
genhort.
"Das gellende Gold, der glutrothe Schatz,
Diese Ringe verderben dich."
Drei verschiedenen Besitzern, erst Schilbung und Nibelung und
dann Siegfried, bringt der Schatz den Tod, und als ihn Hagen
und die Burgundenkönige, die dritten Besitzer, hinunter schleu-
dern in die Fluten des Rheins zurück, woher er gekommen, da
zieht er auch diese nach sich ins Verderben.

Bei dieser Lust an dem puren Glanze des Metalls ist es na-
türlich, daß die Art der Anwendung nach Form und Verzierung
von roher, barbarischer Art war. Reichthum ersetzt den feinen
Geschmack und der blendende Glanz des Stoffes die gefällige
Form. Es war die Zeit, als nach Beruhigung der tobenden
Wellen der Völkerwanderung die entsetzlichen Leidenschaften in
den Bruder- und Bürgerkriegen der Merovinger sich ausgetobt
hatten, und nun die ungefüge Natur der Franken von der Civi-

I. Aelteſte Zeit bis zu den Kreuzzügen.
mit edlen Metallen, vergoldete die Altäre, die Eingänge, belegte
ſie mit Goldblech; überdeckte ſelbſt die Thürflügel mit Silberplat-
ten und die Geſimſe und die Fußböden mit Goldplatten von un-
geheurem Werthe. — Dieſe mächtige Bedeutung des „rothen
Goldes“, die Luſt an dem blanken Metall iſt auch in die altdeut-
ſche Sagenwelt eingedrungen, die ja grade in dieſer Periode der
Merovinger und Karolinger ihre Wurzeln treibt. Die Gedanken
aber, die ſich hier damit verknüpfen, haben ſich mythiſch vertieft.
Nicht die Habſucht iſt es, welche wirkt, nicht der Beſitz allein reizt
und treibt zu Kampf und ſchwerem Mord, ein dämoniſcher, tod-
bringender Zauber iſt mit ihm verbunden. So heißt es im Vo-
luspalied:
„Da wurde Mord in der Welt zuerſt,
Da ſie mit Gabeln die Goldkraft ſtießen.“
Von den unheimlichen, unterirdiſchen Mächten iſt es heraufge-
ſandt an das Licht der Sonne, ein unheilvolles Geſchenk, und
wieder nieder muß es, woher es gekommen; in weſſen Beſitz es
aber gelangt, der iſt umſtrickt und mit ihm den Geiſtern der Un-
terwelt, dem Tode geweiht. Dieſe Rolle ſpielt auch der Nibelun-
genhort.
„Das gellende Gold, der glutrothe Schatz,
Dieſe Ringe verderben dich.“
Drei verſchiedenen Beſitzern, erſt Schilbung und Nibelung und
dann Siegfried, bringt der Schatz den Tod, und als ihn Hagen
und die Burgundenkönige, die dritten Beſitzer, hinunter ſchleu-
dern in die Fluten des Rheins zurück, woher er gekommen, da
zieht er auch dieſe nach ſich ins Verderben.

Bei dieſer Luſt an dem puren Glanze des Metalls iſt es na-
türlich, daß die Art der Anwendung nach Form und Verzierung
von roher, barbariſcher Art war. Reichthum erſetzt den feinen
Geſchmack und der blendende Glanz des Stoffes die gefällige
Form. Es war die Zeit, als nach Beruhigung der tobenden
Wellen der Völkerwanderung die entſetzlichen Leidenſchaften in
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hatten, und nun die ungefüge Natur der Franken von der Civi-

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[44/0062] I. Aelteſte Zeit bis zu den Kreuzzügen. mit edlen Metallen, vergoldete die Altäre, die Eingänge, belegte ſie mit Goldblech; überdeckte ſelbſt die Thürflügel mit Silberplat- ten und die Geſimſe und die Fußböden mit Goldplatten von un- geheurem Werthe. — Dieſe mächtige Bedeutung des „rothen Goldes“, die Luſt an dem blanken Metall iſt auch in die altdeut- ſche Sagenwelt eingedrungen, die ja grade in dieſer Periode der Merovinger und Karolinger ihre Wurzeln treibt. Die Gedanken aber, die ſich hier damit verknüpfen, haben ſich mythiſch vertieft. Nicht die Habſucht iſt es, welche wirkt, nicht der Beſitz allein reizt und treibt zu Kampf und ſchwerem Mord, ein dämoniſcher, tod- bringender Zauber iſt mit ihm verbunden. So heißt es im Vo- luspalied: „Da wurde Mord in der Welt zuerſt, Da ſie mit Gabeln die Goldkraft ſtießen.“ Von den unheimlichen, unterirdiſchen Mächten iſt es heraufge- ſandt an das Licht der Sonne, ein unheilvolles Geſchenk, und wieder nieder muß es, woher es gekommen; in weſſen Beſitz es aber gelangt, der iſt umſtrickt und mit ihm den Geiſtern der Un- terwelt, dem Tode geweiht. Dieſe Rolle ſpielt auch der Nibelun- genhort. „Das gellende Gold, der glutrothe Schatz, Dieſe Ringe verderben dich.“ Drei verſchiedenen Beſitzern, erſt Schilbung und Nibelung und dann Siegfried, bringt der Schatz den Tod, und als ihn Hagen und die Burgundenkönige, die dritten Beſitzer, hinunter ſchleu- dern in die Fluten des Rheins zurück, woher er gekommen, da zieht er auch dieſe nach ſich ins Verderben. Bei dieſer Luſt an dem puren Glanze des Metalls iſt es na- türlich, daß die Art der Anwendung nach Form und Verzierung von roher, barbariſcher Art war. Reichthum erſetzt den feinen Geſchmack und der blendende Glanz des Stoffes die gefällige Form. Es war die Zeit, als nach Beruhigung der tobenden Wellen der Völkerwanderung die entſetzlichen Leidenſchaften in den Bruder- und Bürgerkriegen der Merovinger ſich ausgetobt hatten, und nun die ungefüge Natur der Franken von der Civi-

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/62>, abgerufen am 28.11.2024.