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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.

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I. Aelteste Zeit bis zu den Kreuzzügen.
ganzen nördlichen Niederlande. Ihr Ruf, der sich durch das Mit-
telalter erhielt, war so bedeutend, daß sie sich unter den Geschen-
ken befanden, welche Karl der Große an Harun al Raschid
schickte als Vergeltung für die schönen und feinen sarazenischen
Stoffe. Auch sonst kommen sie in der Geschichte vor, und der
Name hat sich beim dicken, langhaarigen Wollstoff noch bis auf
den heutigen Tag erhalten. Man hatte sie von allen Farben. --
Im Verkehr mit den Galliern aber, die mit den Franken im Heere
gemischt waren, so erzählt der Mönch weiter, "ließen sie aus
Freude am Neuen von der alten Sitte ab und fingen an jene
nachzuahmen, die mit purpurnen Kriegsmänteln glänzten. Der
strenge Kaiser ließ das einstweilen geschehen, weil ihm jene Klei-
dung für den Krieg zweckmäßiger erschien. Als er aber bemerkte,
daß die Friesen, diese Nachsicht mißbrauchend, jene kurzen Män-
tel zu demselben Preise verkauften wie früher die ganz großen, da
befahl er, daß niemand von ihnen etwas anderes kaufen solle als
jene ganz großen, überaus langen und weiten Mäntel und fügte
noch hinzu: ""Wozu sind diese Lappen gut? Im Bett kann ich
mich nicht mit ihnen zudecken, zu Pferde kann ich mich nicht ge-
gen Wind und Regen schützen, und wenn mich ein Bedürfniß
der Natur ankommt, verfrieren mir die Beine.""

Das kurze gallische Mäntelchen war nicht das Einzige, worin
die tapfern Krieger Karls ihre Nachahmungssucht und ihre Eitel-
keit zeigten. In Italien hatten sie ganz andere Dinge kennen
lernen und nicht ermangelt, sich damit zu schmücken, während der
einfache Kaiser sich immer treu blieb. Unser geschwätzige Mönch
weiß davon eine gar hübsche Geschichte zu erzählen: "Als einst
Karl, der rüstigste unter den rüstigen Franken, in einer Gegend
des nördlichen Italiens wegen der Einsetzung eines Bischofs län-
gere Zeit verweilte, da sagte er an einem Festtage nach der Feier
der Messe zu den Kriegern: ""Um nicht in Müssiggang hinlebend
der Trägheit zu verfallen, laßt uns auf die Jagd gehen, bis wir
etwas erbeuten, und laßt uns alle in der Kleidung ausziehen,
die wir jetzt anhaben."" Es war aber ein kalter Regentag, und

I. Aelteſte Zeit bis zu den Kreuzzügen.
ganzen nördlichen Niederlande. Ihr Ruf, der ſich durch das Mit-
telalter erhielt, war ſo bedeutend, daß ſie ſich unter den Geſchen-
ken befanden, welche Karl der Große an Harun al Raſchid
ſchickte als Vergeltung für die ſchönen und feinen ſarazeniſchen
Stoffe. Auch ſonſt kommen ſie in der Geſchichte vor, und der
Name hat ſich beim dicken, langhaarigen Wollſtoff noch bis auf
den heutigen Tag erhalten. Man hatte ſie von allen Farben. —
Im Verkehr mit den Galliern aber, die mit den Franken im Heere
gemiſcht waren, ſo erzählt der Mönch weiter, „ließen ſie aus
Freude am Neuen von der alten Sitte ab und fingen an jene
nachzuahmen, die mit purpurnen Kriegsmänteln glänzten. Der
ſtrenge Kaiſer ließ das einſtweilen geſchehen, weil ihm jene Klei-
dung für den Krieg zweckmäßiger erſchien. Als er aber bemerkte,
daß die Frieſen, dieſe Nachſicht mißbrauchend, jene kurzen Män-
tel zu demſelben Preiſe verkauften wie früher die ganz großen, da
befahl er, daß niemand von ihnen etwas anderes kaufen ſolle als
jene ganz großen, überaus langen und weiten Mäntel und fügte
noch hinzu: „„Wozu ſind dieſe Lappen gut? Im Bett kann ich
mich nicht mit ihnen zudecken, zu Pferde kann ich mich nicht ge-
gen Wind und Regen ſchützen, und wenn mich ein Bedürfniß
der Natur ankommt, verfrieren mir die Beine.““

Das kurze galliſche Mäntelchen war nicht das Einzige, worin
die tapfern Krieger Karls ihre Nachahmungsſucht und ihre Eitel-
keit zeigten. In Italien hatten ſie ganz andere Dinge kennen
lernen und nicht ermangelt, ſich damit zu ſchmücken, während der
einfache Kaiſer ſich immer treu blieb. Unſer geſchwätzige Mönch
weiß davon eine gar hübſche Geſchichte zu erzählen: „Als einſt
Karl, der rüſtigſte unter den rüſtigen Franken, in einer Gegend
des nördlichen Italiens wegen der Einſetzung eines Biſchofs län-
gere Zeit verweilte, da ſagte er an einem Feſttage nach der Feier
der Meſſe zu den Kriegern: „„Um nicht in Müſſiggang hinlebend
der Trägheit zu verfallen, laßt uns auf die Jagd gehen, bis wir
etwas erbeuten, und laßt uns alle in der Kleidung ausziehen,
die wir jetzt anhaben.““ Es war aber ein kalter Regentag, und

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[38/0056] I. Aelteſte Zeit bis zu den Kreuzzügen. ganzen nördlichen Niederlande. Ihr Ruf, der ſich durch das Mit- telalter erhielt, war ſo bedeutend, daß ſie ſich unter den Geſchen- ken befanden, welche Karl der Große an Harun al Raſchid ſchickte als Vergeltung für die ſchönen und feinen ſarazeniſchen Stoffe. Auch ſonſt kommen ſie in der Geſchichte vor, und der Name hat ſich beim dicken, langhaarigen Wollſtoff noch bis auf den heutigen Tag erhalten. Man hatte ſie von allen Farben. — Im Verkehr mit den Galliern aber, die mit den Franken im Heere gemiſcht waren, ſo erzählt der Mönch weiter, „ließen ſie aus Freude am Neuen von der alten Sitte ab und fingen an jene nachzuahmen, die mit purpurnen Kriegsmänteln glänzten. Der ſtrenge Kaiſer ließ das einſtweilen geſchehen, weil ihm jene Klei- dung für den Krieg zweckmäßiger erſchien. Als er aber bemerkte, daß die Frieſen, dieſe Nachſicht mißbrauchend, jene kurzen Män- tel zu demſelben Preiſe verkauften wie früher die ganz großen, da befahl er, daß niemand von ihnen etwas anderes kaufen ſolle als jene ganz großen, überaus langen und weiten Mäntel und fügte noch hinzu: „„Wozu ſind dieſe Lappen gut? Im Bett kann ich mich nicht mit ihnen zudecken, zu Pferde kann ich mich nicht ge- gen Wind und Regen ſchützen, und wenn mich ein Bedürfniß der Natur ankommt, verfrieren mir die Beine.““ Das kurze galliſche Mäntelchen war nicht das Einzige, worin die tapfern Krieger Karls ihre Nachahmungsſucht und ihre Eitel- keit zeigten. In Italien hatten ſie ganz andere Dinge kennen lernen und nicht ermangelt, ſich damit zu ſchmücken, während der einfache Kaiſer ſich immer treu blieb. Unſer geſchwätzige Mönch weiß davon eine gar hübſche Geſchichte zu erzählen: „Als einſt Karl, der rüſtigſte unter den rüſtigen Franken, in einer Gegend des nördlichen Italiens wegen der Einſetzung eines Biſchofs län- gere Zeit verweilte, da ſagte er an einem Feſttage nach der Feier der Meſſe zu den Kriegern: „„Um nicht in Müſſiggang hinlebend der Trägheit zu verfallen, laßt uns auf die Jagd gehen, bis wir etwas erbeuten, und laßt uns alle in der Kleidung ausziehen, die wir jetzt anhaben.““ Es war aber ein kalter Regentag, und

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/56>, abgerufen am 28.11.2024.