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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.

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2. Schwankungen zwischen den nationalen und antiken Elementen.
in solcher Gestalt von den Zeitgenossen gegenüber der römisch-
italischen und besonders der griechischen als eine nationale in
Anspruch genommen. Sie war es aber nicht mehr völlig, denn
in dem kurzen Haupthaar, in der Beinbekleidung, vielleicht auch
im Schnitt des Mantels sind römische Einflüsse nicht mehr zu
verkennen, sodaß der Hauptunterschied wohl nur noch in der
Enge und Weite, Länge und Kürze der Tunica bestand. Es hatte
sich bis ins vorige Jahrhundert in Rom ein Mosaikbild Karls
des Großen erhalten, welches für gleichzeitig gilt und das Ge-
sagte bestätigen dürfte. Hier trägt er einen Rock, der sich wenig
von der römischen Tunica unterscheidet: nur an den Aermeln ist
er eng, am Körper weit und faltig und über den Hüften in der
Art gegürtet, daß ein kleiner Bausch über den Gürtel herabfällt;
er reicht nicht völlig bis zum Knie. Der Mantel ist weit und
fließend, auf der rechten Schulter durch eine Agraffe befestigt,
daß die goldbesäumten Seiten senkrecht vorn und hinten herab-
fallen würden, wenn er nicht nach gewöhnlicher Sitte über dem
linken Arm in die Höhe genommen wäre. Um die Schultern legt
sich eine breite Kette, bestehend aus quadratischen, mit Edelstei-
nen besetzten Goldplatten, die wie Glieder an einander gesetzt
sind; gleiche, doch feinere Ketten umspannen die Beine unter dem
Knie; die Waden sind mit Binden umwunden. Der Charakter
der Beinbekleidung und der Schuhe ist nicht zu bestimmen. Auf
dem kurzgeschnittenen Haar trägt er eine breite, etwas spitz in die
Höhe gehende Mütze, ungefähr in der Form der ältesten Mitra.
Wangen und Kinn sind glatt, der Schnurrbart aber stark. An
der Seite trägt er ein breites Schwert. -- Nur zwei Mal soll er
nach Einhards Versicherung, und zwar in Rom auf Bitten der
Päpste, die fremdländische Kleidung, d. h. wohl den griechischen
Kaiserornat, angelegt haben.

Im Winter legte der Kaiser über den Rock noch einen an-
dern kürzeren an, der aus Seehunds- und Marderfell zusammen-
genäht war und Schultern und Brust vor Kälte schützte. Des
Morgens pflegte er in einem langen und schleppenden Gewande,
noch im Neglige, zur Messe zu gehen, deren Feier alles zum Hofe

2. Schwankungen zwiſchen den nationalen und antiken Elementen.
in ſolcher Geſtalt von den Zeitgenoſſen gegenüber der römiſch-
italiſchen und beſonders der griechiſchen als eine nationale in
Anſpruch genommen. Sie war es aber nicht mehr völlig, denn
in dem kurzen Haupthaar, in der Beinbekleidung, vielleicht auch
im Schnitt des Mantels ſind römiſche Einflüſſe nicht mehr zu
verkennen, ſodaß der Hauptunterſchied wohl nur noch in der
Enge und Weite, Länge und Kürze der Tunica beſtand. Es hatte
ſich bis ins vorige Jahrhundert in Rom ein Moſaikbild Karls
des Großen erhalten, welches für gleichzeitig gilt und das Ge-
ſagte beſtätigen dürfte. Hier trägt er einen Rock, der ſich wenig
von der römiſchen Tunica unterſcheidet: nur an den Aermeln iſt
er eng, am Körper weit und faltig und über den Hüften in der
Art gegürtet, daß ein kleiner Bauſch über den Gürtel herabfällt;
er reicht nicht völlig bis zum Knie. Der Mantel iſt weit und
fließend, auf der rechten Schulter durch eine Agraffe befeſtigt,
daß die goldbeſäumten Seiten ſenkrecht vorn und hinten herab-
fallen würden, wenn er nicht nach gewöhnlicher Sitte über dem
linken Arm in die Höhe genommen wäre. Um die Schultern legt
ſich eine breite Kette, beſtehend aus quadratiſchen, mit Edelſtei-
nen beſetzten Goldplatten, die wie Glieder an einander geſetzt
ſind; gleiche, doch feinere Ketten umſpannen die Beine unter dem
Knie; die Waden ſind mit Binden umwunden. Der Charakter
der Beinbekleidung und der Schuhe iſt nicht zu beſtimmen. Auf
dem kurzgeſchnittenen Haar trägt er eine breite, etwas ſpitz in die
Höhe gehende Mütze, ungefähr in der Form der älteſten Mitra.
Wangen und Kinn ſind glatt, der Schnurrbart aber ſtark. An
der Seite trägt er ein breites Schwert. — Nur zwei Mal ſoll er
nach Einhards Verſicherung, und zwar in Rom auf Bitten der
Päpſte, die fremdländiſche Kleidung, d. h. wohl den griechiſchen
Kaiſerornat, angelegt haben.

Im Winter legte der Kaiſer über den Rock noch einen an-
dern kürzeren an, der aus Seehunds- und Marderfell zuſammen-
genäht war und Schultern und Bruſt vor Kälte ſchützte. Des
Morgens pflegte er in einem langen und ſchleppenden Gewande,
noch im Negligé, zur Meſſe zu gehen, deren Feier alles zum Hofe

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[31/0049] 2. Schwankungen zwiſchen den nationalen und antiken Elementen. in ſolcher Geſtalt von den Zeitgenoſſen gegenüber der römiſch- italiſchen und beſonders der griechiſchen als eine nationale in Anſpruch genommen. Sie war es aber nicht mehr völlig, denn in dem kurzen Haupthaar, in der Beinbekleidung, vielleicht auch im Schnitt des Mantels ſind römiſche Einflüſſe nicht mehr zu verkennen, ſodaß der Hauptunterſchied wohl nur noch in der Enge und Weite, Länge und Kürze der Tunica beſtand. Es hatte ſich bis ins vorige Jahrhundert in Rom ein Moſaikbild Karls des Großen erhalten, welches für gleichzeitig gilt und das Ge- ſagte beſtätigen dürfte. Hier trägt er einen Rock, der ſich wenig von der römiſchen Tunica unterſcheidet: nur an den Aermeln iſt er eng, am Körper weit und faltig und über den Hüften in der Art gegürtet, daß ein kleiner Bauſch über den Gürtel herabfällt; er reicht nicht völlig bis zum Knie. Der Mantel iſt weit und fließend, auf der rechten Schulter durch eine Agraffe befeſtigt, daß die goldbeſäumten Seiten ſenkrecht vorn und hinten herab- fallen würden, wenn er nicht nach gewöhnlicher Sitte über dem linken Arm in die Höhe genommen wäre. Um die Schultern legt ſich eine breite Kette, beſtehend aus quadratiſchen, mit Edelſtei- nen beſetzten Goldplatten, die wie Glieder an einander geſetzt ſind; gleiche, doch feinere Ketten umſpannen die Beine unter dem Knie; die Waden ſind mit Binden umwunden. Der Charakter der Beinbekleidung und der Schuhe iſt nicht zu beſtimmen. Auf dem kurzgeſchnittenen Haar trägt er eine breite, etwas ſpitz in die Höhe gehende Mütze, ungefähr in der Form der älteſten Mitra. Wangen und Kinn ſind glatt, der Schnurrbart aber ſtark. An der Seite trägt er ein breites Schwert. — Nur zwei Mal ſoll er nach Einhards Verſicherung, und zwar in Rom auf Bitten der Päpſte, die fremdländiſche Kleidung, d. h. wohl den griechiſchen Kaiſerornat, angelegt haben. Im Winter legte der Kaiſer über den Rock noch einen an- dern kürzeren an, der aus Seehunds- und Marderfell zuſammen- genäht war und Schultern und Bruſt vor Kälte ſchützte. Des Morgens pflegte er in einem langen und ſchleppenden Gewande, noch im Negligé, zur Meſſe zu gehen, deren Feier alles zum Hofe

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/49>, abgerufen am 28.11.2024.