Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.I. Aelteste Zeit bis zu den Kreuzzügen. wurden, nun ihre Schatzkammern mit Gold füllten, goldene Ge-fäße in Massen auf die Tische setzten, während sie, den üppigen Römer nachahmend, mit Rosen Tafel und Gemach bestreuten und mit Epheu die Wände bedeckten. Und unter all diesen Zeichen eines weichlichen, schwelgerischen, erschlafften Lebens ließen sie in ungebändigter Kraft ihre barbarischen Leidenschaften toben. Diese gewaltigen Frauen, die mit ihrer unbezähmbaren Rachsucht, mit ihrem Haß, ihrer Sinnlichkeit und ihrer unmenschlichen Grau- samkeit so mächtig in die Geschichte eingreifen, sie tragen in ihrem Aeußern das Bewußtsein ihrer glanzvollen Stellung; sie prahlen mit ihrem Stolz; sie prunken mit ihrem Reichthum; sie schmücken sich und überladen sich mit ihren Schätzen; sie sind eitel, aber nie in kleinlicher Weise. So zieht die Gemahlin eines fränkischen Großen über die Straße, wenn sie geht in der Kirche die Messe zu hören: "hoch zu Roß, mit prächtigem Geschmeide und kostba- ren Edelsteinen geziert und bedeckt mit schimmerndem Golde, und vor ihr her gehen etliche ihrer Diener und andere folgen ihr." Als Rigunthe, die Tochter König Chilperichs und Fredegundens, zu ihrem Verlobten, dem Westgothenkönig, geschickt wurde, gab ihr die Mutter allein aus ihren eigenen Schätzen eine ungeheure Menge Gold, Silber und Kleider mit; auch die übrigen Franken brachten Geschenke dar, einige Gold, andere Silber, manche Pferde, sehr viele auch Kleider; jeder gab nach seinem Vermögen eine Gabe. Die Menge der Sachen war so groß, daß es funfzig Lastwagen bedurfte, um alles fortzuschaffen. Als sie sich nun mit ihrem Gefolge der gothischen Gränze näherte, wurde Halt ge- macht, nicht bloß um von der Reise auszuruhen, sondern es stell- ten ihr auch die Ihrigen vor, daß die Kleider schmutzig seien, die Schuhe abgerissen, der Schmuck für die Pferde und die Wagen noch auf den Packwagen und nicht zur Stelle; man müsse erst das alles in Ordnung bringen, um die Reise fortsetzen und mit geziemender Eleganz vor ihrem künftigen Gemahl erscheinen zu können, denn wenn sie in so abgerissenem Zustande bei den Go- then ankämen, würden sie von denselben verhöhnt werden. Aber diese Mühe war umsonst. Wie es in jenen habsüchtigen Zeiten I. Aelteſte Zeit bis zu den Kreuzzügen. wurden, nun ihre Schatzkammern mit Gold füllten, goldene Ge-fäße in Maſſen auf die Tiſche ſetzten, während ſie, den üppigen Römer nachahmend, mit Roſen Tafel und Gemach beſtreuten und mit Epheu die Wände bedeckten. Und unter all dieſen Zeichen eines weichlichen, ſchwelgeriſchen, erſchlafften Lebens ließen ſie in ungebändigter Kraft ihre barbariſchen Leidenſchaften toben. Dieſe gewaltigen Frauen, die mit ihrer unbezähmbaren Rachſucht, mit ihrem Haß, ihrer Sinnlichkeit und ihrer unmenſchlichen Grau- ſamkeit ſo mächtig in die Geſchichte eingreifen, ſie tragen in ihrem Aeußern das Bewußtſein ihrer glanzvollen Stellung; ſie prahlen mit ihrem Stolz; ſie prunken mit ihrem Reichthum; ſie ſchmücken ſich und überladen ſich mit ihren Schätzen; ſie ſind eitel, aber nie in kleinlicher Weiſe. So zieht die Gemahlin eines fränkiſchen Großen über die Straße, wenn ſie geht in der Kirche die Meſſe zu hören: „hoch zu Roß, mit prächtigem Geſchmeide und koſtba- ren Edelſteinen geziert und bedeckt mit ſchimmerndem Golde, und vor ihr her gehen etliche ihrer Diener und andere folgen ihr.“ Als Rigunthe, die Tochter König Chilperichs und Fredegundens, zu ihrem Verlobten, dem Weſtgothenkönig, geſchickt wurde, gab ihr die Mutter allein aus ihren eigenen Schätzen eine ungeheure Menge Gold, Silber und Kleider mit; auch die übrigen Franken brachten Geſchenke dar, einige Gold, andere Silber, manche Pferde, ſehr viele auch Kleider; jeder gab nach ſeinem Vermögen eine Gabe. Die Menge der Sachen war ſo groß, daß es funfzig Laſtwagen bedurfte, um alles fortzuſchaffen. Als ſie ſich nun mit ihrem Gefolge der gothiſchen Gränze näherte, wurde Halt ge- macht, nicht bloß um von der Reiſe auszuruhen, ſondern es ſtell- ten ihr auch die Ihrigen vor, daß die Kleider ſchmutzig ſeien, die Schuhe abgeriſſen, der Schmuck für die Pferde und die Wagen noch auf den Packwagen und nicht zur Stelle; man müſſe erſt das alles in Ordnung bringen, um die Reiſe fortſetzen und mit geziemender Eleganz vor ihrem künftigen Gemahl erſcheinen zu können, denn wenn ſie in ſo abgeriſſenem Zuſtande bei den Go- then ankämen, würden ſie von denſelben verhöhnt werden. Aber dieſe Mühe war umſonſt. 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I. Aelteſte Zeit bis zu den Kreuzzügen.
wurden, nun ihre Schatzkammern mit Gold füllten, goldene Ge-
fäße in Maſſen auf die Tiſche ſetzten, während ſie, den üppigen
Römer nachahmend, mit Roſen Tafel und Gemach beſtreuten und
mit Epheu die Wände bedeckten. Und unter all dieſen Zeichen
eines weichlichen, ſchwelgeriſchen, erſchlafften Lebens ließen ſie in
ungebändigter Kraft ihre barbariſchen Leidenſchaften toben. Dieſe
gewaltigen Frauen, die mit ihrer unbezähmbaren Rachſucht, mit
ihrem Haß, ihrer Sinnlichkeit und ihrer unmenſchlichen Grau-
ſamkeit ſo mächtig in die Geſchichte eingreifen, ſie tragen in ihrem
Aeußern das Bewußtſein ihrer glanzvollen Stellung; ſie prahlen
mit ihrem Stolz; ſie prunken mit ihrem Reichthum; ſie ſchmücken
ſich und überladen ſich mit ihren Schätzen; ſie ſind eitel, aber nie
in kleinlicher Weiſe. So zieht die Gemahlin eines fränkiſchen
Großen über die Straße, wenn ſie geht in der Kirche die Meſſe
zu hören: „hoch zu Roß, mit prächtigem Geſchmeide und koſtba-
ren Edelſteinen geziert und bedeckt mit ſchimmerndem Golde, und
vor ihr her gehen etliche ihrer Diener und andere folgen ihr.“
Als Rigunthe, die Tochter König Chilperichs und Fredegundens,
zu ihrem Verlobten, dem Weſtgothenkönig, geſchickt wurde, gab
ihr die Mutter allein aus ihren eigenen Schätzen eine ungeheure
Menge Gold, Silber und Kleider mit; auch die übrigen Franken
brachten Geſchenke dar, einige Gold, andere Silber, manche
Pferde, ſehr viele auch Kleider; jeder gab nach ſeinem Vermögen
eine Gabe. Die Menge der Sachen war ſo groß, daß es funfzig
Laſtwagen bedurfte, um alles fortzuſchaffen. Als ſie ſich nun mit
ihrem Gefolge der gothiſchen Gränze näherte, wurde Halt ge-
macht, nicht bloß um von der Reiſe auszuruhen, ſondern es ſtell-
ten ihr auch die Ihrigen vor, daß die Kleider ſchmutzig ſeien, die
Schuhe abgeriſſen, der Schmuck für die Pferde und die Wagen
noch auf den Packwagen und nicht zur Stelle; man müſſe erſt
das alles in Ordnung bringen, um die Reiſe fortſetzen und mit
geziemender Eleganz vor ihrem künftigen Gemahl erſcheinen zu
können, denn wenn ſie in ſo abgeriſſenem Zuſtande bei den Go-
then ankämen, würden ſie von denſelben verhöhnt werden. Aber
dieſe Mühe war umſonſt. Wie es in jenen habſüchtigen Zeiten
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