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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.

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2. Die Zeit des Luxus und der Entartung.
die des Trapperts und der Schaube; jener war nach der
alten Weise vorn geschlossen und mußte über den Kopf angezogen
werden, während diese die senkrechte Oeffnung von oben bis un-
ten hatte. Beide waren gewöhnlich mit Pelz gefüttert oder ver-
brämt. Der Trappert, als die ältere Mode, stieg herab zu den
Bürgern und den Handwerkern der Städte, wo er sich am läng-
sten hielt und auch wohl noch das neue Jahrhundert erlebte. Auf
den Miniaturen des Hamburger Stadtrechts von 1497 ist er noch
sehr häufig in verschiedener Gestalt, oft an den Schultern mit
weitausgezacktem Kragen versehen. Auch der Lübecker Bürgermei-
ster Johannes Lüneborch trägt ihn noch auf seiner Grabplatte
von 1493 in fast mittelalterlicher Gestalt, fast bis zu den Füßen
herabreichend, reich mit Pelz verbrämt und von schwerem, groß-
gemustertem Damaststoff, gegürtet um die Hüften. Aber die
Schaube (Joppe, Juppe) verdrängte ihn völlig. Sie war be-
quemer anzuziehen, und mit breit ausgelegtem Pelzkragen und
den weit über einander geschlagenen Seiten gab sie ein viel statt-
licheres Ansehen. Die höchsten Stände trugen sie daher zuerst,
und die Fürsten in einer Länge bis zu den Füßen; aber sie stieg
auch bald zum Bürger herab, doch pflegte sie bei diesem nur etwa
das Knie zu erreichen. Der vornehme städtische Patrizier liebte
sie von dunkler Farbe, schwarz und braun, und giebt damit zu
erkennen, daß nun ein soliderer Geschmack einzutreten beginnt.
Es war das aber schon auf der Scheide der beiden Perioden um
das Jahr 1500. Die Schaube hatte in dieser Zeit entweder nur
Löcher an den Schultern, durch welche die Arme gesteckt wurden,
oder lange und weite Aermel mit der gewöhnlichen Oeffnung
unten und einem Schlitz an der Seite, welche beide benutzt
wurden.

Aehnlich verhielten sich die Gelehrten weltlichen Stan-
des, die Aerzte, Doctoren, Schriftsteller und Rechtsgelehrten.
Sie stehen immer in Opposition gegen die kurze und bunte Klei-
dung: ein langer und weiter, bis auf die Füße herabreichender
Talar, offen wie die Schaube oder geschlossen gleich dem Trap-
vert, gegürtet oder ungegürtet, meist dunkelfarbig oder auch roth,

2. Die Zeit des Luxus und der Entartung.
die des Trapperts und der Schaube; jener war nach der
alten Weiſe vorn geſchloſſen und mußte über den Kopf angezogen
werden, während dieſe die ſenkrechte Oeffnung von oben bis un-
ten hatte. Beide waren gewöhnlich mit Pelz gefüttert oder ver-
brämt. Der Trappert, als die ältere Mode, ſtieg herab zu den
Bürgern und den Handwerkern der Städte, wo er ſich am läng-
ſten hielt und auch wohl noch das neue Jahrhundert erlebte. Auf
den Miniaturen des Hamburger Stadtrechts von 1497 iſt er noch
ſehr häufig in verſchiedener Geſtalt, oft an den Schultern mit
weitausgezacktem Kragen verſehen. Auch der Lübecker Bürgermei-
ſter Johannes Lüneborch trägt ihn noch auf ſeiner Grabplatte
von 1493 in faſt mittelalterlicher Geſtalt, faſt bis zu den Füßen
herabreichend, reich mit Pelz verbrämt und von ſchwerem, groß-
gemuſtertem Damaſtſtoff, gegürtet um die Hüften. Aber die
Schaube (Joppe, Juppe) verdrängte ihn völlig. Sie war be-
quemer anzuziehen, und mit breit ausgelegtem Pelzkragen und
den weit über einander geſchlagenen Seiten gab ſie ein viel ſtatt-
licheres Anſehen. Die höchſten Stände trugen ſie daher zuerſt,
und die Fürſten in einer Länge bis zu den Füßen; aber ſie ſtieg
auch bald zum Bürger herab, doch pflegte ſie bei dieſem nur etwa
das Knie zu erreichen. Der vornehme ſtädtiſche Patrizier liebte
ſie von dunkler Farbe, ſchwarz und braun, und giebt damit zu
erkennen, daß nun ein ſoliderer Geſchmack einzutreten beginnt.
Es war das aber ſchon auf der Scheide der beiden Perioden um
das Jahr 1500. Die Schaube hatte in dieſer Zeit entweder nur
Löcher an den Schultern, durch welche die Arme geſteckt wurden,
oder lange und weite Aermel mit der gewöhnlichen Oeffnung
unten und einem Schlitz an der Seite, welche beide benutzt
wurden.

Aehnlich verhielten ſich die Gelehrten weltlichen Stan-
des, die Aerzte, Doctoren, Schriftſteller und Rechtsgelehrten.
Sie ſtehen immer in Oppoſition gegen die kurze und bunte Klei-
dung: ein langer und weiter, bis auf die Füße herabreichender
Talar, offen wie die Schaube oder geſchloſſen gleich dem Trap-
vert, gegürtet oder ungegürtet, meiſt dunkelfarbig oder auch roth,

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[301/0319] 2. Die Zeit des Luxus und der Entartung. die des Trapperts und der Schaube; jener war nach der alten Weiſe vorn geſchloſſen und mußte über den Kopf angezogen werden, während dieſe die ſenkrechte Oeffnung von oben bis un- ten hatte. Beide waren gewöhnlich mit Pelz gefüttert oder ver- brämt. Der Trappert, als die ältere Mode, ſtieg herab zu den Bürgern und den Handwerkern der Städte, wo er ſich am läng- ſten hielt und auch wohl noch das neue Jahrhundert erlebte. Auf den Miniaturen des Hamburger Stadtrechts von 1497 iſt er noch ſehr häufig in verſchiedener Geſtalt, oft an den Schultern mit weitausgezacktem Kragen verſehen. Auch der Lübecker Bürgermei- ſter Johannes Lüneborch trägt ihn noch auf ſeiner Grabplatte von 1493 in faſt mittelalterlicher Geſtalt, faſt bis zu den Füßen herabreichend, reich mit Pelz verbrämt und von ſchwerem, groß- gemuſtertem Damaſtſtoff, gegürtet um die Hüften. Aber die Schaube (Joppe, Juppe) verdrängte ihn völlig. Sie war be- quemer anzuziehen, und mit breit ausgelegtem Pelzkragen und den weit über einander geſchlagenen Seiten gab ſie ein viel ſtatt- licheres Anſehen. Die höchſten Stände trugen ſie daher zuerſt, und die Fürſten in einer Länge bis zu den Füßen; aber ſie ſtieg auch bald zum Bürger herab, doch pflegte ſie bei dieſem nur etwa das Knie zu erreichen. Der vornehme ſtädtiſche Patrizier liebte ſie von dunkler Farbe, ſchwarz und braun, und giebt damit zu erkennen, daß nun ein ſoliderer Geſchmack einzutreten beginnt. Es war das aber ſchon auf der Scheide der beiden Perioden um das Jahr 1500. Die Schaube hatte in dieſer Zeit entweder nur Löcher an den Schultern, durch welche die Arme geſteckt wurden, oder lange und weite Aermel mit der gewöhnlichen Oeffnung unten und einem Schlitz an der Seite, welche beide benutzt wurden. Aehnlich verhielten ſich die Gelehrten weltlichen Stan- des, die Aerzte, Doctoren, Schriftſteller und Rechtsgelehrten. Sie ſtehen immer in Oppoſition gegen die kurze und bunte Klei- dung: ein langer und weiter, bis auf die Füße herabreichender Talar, offen wie die Schaube oder geſchloſſen gleich dem Trap- vert, gegürtet oder ungegürtet, meiſt dunkelfarbig oder auch roth,

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/319>, abgerufen am 25.11.2024.