todten Frau zu Schaden deiner Seelen? Zu Paris war eine große Procession, da ward ein Aff ledig, der that niemand nichts, denn einer Frauen sprang er auf das Haupt und zog ihr den Schleier ab und die Hauben. Da sahe jedermann, daß sie kahl war, und kein Haar auf dem Haupt hatte, die hatt Todtenhaar aufgemacht und trieb Hoffart damit: das geschah von rechtem Urtheil Gottes."
Eine außerordentlich luxuriöse Anwendung wurde vom Schmuck gemacht. In der Fülle desselben weicht diese entartete und verweichlichte Zeit kaum jener frühern Periode, als noch die bloße Lust am Golde, die Freude an dem Glanz des edlen Me- talls die noch einfachen Seelen der Menschen erfüllte. Ueber den ganzen Körper vom Kopf bis zum Fuß verbreitete sich der Schmuck. Die Herren trugen ihn am Hut, an der Mütze oder im Haar, sie trugen große Ketten um den Hals und Ringe an den Händen. Die Damen besäten, wo es ihnen nicht verboten war, alle Klei- der mit Edelsteinen und Perlen; wer das Recht dazu hatte, trug eine reiche Krone über dem Haar oder auf der Haube; um die Wulsthauben flochten sie goldne Schnüre und Perlenreihen und umwanden die Haarflechten damit und steckten Nadeln und an- dern reicheren Schmuck hinein. Reiche Heftel (Brochen) wurden auf der Brust getragen, vielfach umschlang noch ein reicher Gür- tel die Hüften; um den freien Hals und die nackten Schultern lagen oft sechs- und siebenfach die vielgestalteten goldenen Ketten oder Korallenschnüre mit Amuletten und kleinen geweihten Hei- ligthümern daran und die reichverzierten Rosenkränze. Die Arm- bänder waren wieder in Gebrauch gekommen, und Ringe trug man am ersten und zweiten Glied der Finger in übertriebener Zahl. Oft hatte freilich die Obrigkeit darin ein Maß vorgeschrie- ben, wie die von Bologna, nach Ständen unterscheidend, den Damen vom alten Adel sechs Ringe erlaubt hatte, denen vom jungen vier, und den Frauen und Töchtern der Künstler und Handwerker nur zwei. Die von Hannover aber hatte Ringe zu tragen erlaubt, soviel die Frauen wollten. Des Herrn Georg Winter Ehgemahlin in Nürnberg hinterließ bei ihrem Tode (1485)
II. Das Mittelalter.
todten Frau zu Schaden deiner Seelen? Zu Paris war eine große Proceſſion, da ward ein Aff ledig, der that niemand nichts, denn einer Frauen ſprang er auf das Haupt und zog ihr den Schleier ab und die Hauben. Da ſahe jedermann, daß ſie kahl war, und kein Haar auf dem Haupt hatte, die hatt Todtenhaar aufgemacht und trieb Hoffart damit: das geſchah von rechtem Urtheil Gottes.“
Eine außerordentlich luxuriöſe Anwendung wurde vom Schmuck gemacht. In der Fülle deſſelben weicht dieſe entartete und verweichlichte Zeit kaum jener frühern Periode, als noch die bloße Luſt am Golde, die Freude an dem Glanz des edlen Me- talls die noch einfachen Seelen der Menſchen erfüllte. Ueber den ganzen Körper vom Kopf bis zum Fuß verbreitete ſich der Schmuck. Die Herren trugen ihn am Hut, an der Mütze oder im Haar, ſie trugen große Ketten um den Hals und Ringe an den Händen. Die Damen beſäten, wo es ihnen nicht verboten war, alle Klei- der mit Edelſteinen und Perlen; wer das Recht dazu hatte, trug eine reiche Krone über dem Haar oder auf der Haube; um die Wulſthauben flochten ſie goldne Schnüre und Perlenreihen und umwanden die Haarflechten damit und ſteckten Nadeln und an- dern reicheren Schmuck hinein. Reiche Heftel (Brochen) wurden auf der Bruſt getragen, vielfach umſchlang noch ein reicher Gür- tel die Hüften; um den freien Hals und die nackten Schultern lagen oft ſechs- und ſiebenfach die vielgeſtalteten goldenen Ketten oder Korallenſchnüre mit Amuletten und kleinen geweihten Hei- ligthümern daran und die reichverzierten Roſenkränze. Die Arm- bänder waren wieder in Gebrauch gekommen, und Ringe trug man am erſten und zweiten Glied der Finger in übertriebener Zahl. Oft hatte freilich die Obrigkeit darin ein Maß vorgeſchrie- ben, wie die von Bologna, nach Ständen unterſcheidend, den Damen vom alten Adel ſechs Ringe erlaubt hatte, denen vom jungen vier, und den Frauen und Töchtern der Künſtler und Handwerker nur zwei. Die von Hannover aber hatte Ringe zu tragen erlaubt, ſoviel die Frauen wollten. Des Herrn Georg Winter Ehgemahlin in Nürnberg hinterließ bei ihrem Tode (1485)
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II. Das Mittelalter.
todten Frau zu Schaden deiner Seelen? Zu Paris war eine
große Proceſſion, da ward ein Aff ledig, der that niemand nichts,
denn einer Frauen ſprang er auf das Haupt und zog ihr den
Schleier ab und die Hauben. Da ſahe jedermann, daß ſie kahl
war, und kein Haar auf dem Haupt hatte, die hatt Todtenhaar
aufgemacht und trieb Hoffart damit: das geſchah von rechtem
Urtheil Gottes.“
Eine außerordentlich luxuriöſe Anwendung wurde vom
Schmuck gemacht. In der Fülle deſſelben weicht dieſe entartete
und verweichlichte Zeit kaum jener frühern Periode, als noch die
bloße Luſt am Golde, die Freude an dem Glanz des edlen Me-
talls die noch einfachen Seelen der Menſchen erfüllte. Ueber den
ganzen Körper vom Kopf bis zum Fuß verbreitete ſich der Schmuck.
Die Herren trugen ihn am Hut, an der Mütze oder im Haar, ſie
trugen große Ketten um den Hals und Ringe an den Händen.
Die Damen beſäten, wo es ihnen nicht verboten war, alle Klei-
der mit Edelſteinen und Perlen; wer das Recht dazu hatte, trug
eine reiche Krone über dem Haar oder auf der Haube; um die
Wulſthauben flochten ſie goldne Schnüre und Perlenreihen und
umwanden die Haarflechten damit und ſteckten Nadeln und an-
dern reicheren Schmuck hinein. Reiche Heftel (Brochen) wurden
auf der Bruſt getragen, vielfach umſchlang noch ein reicher Gür-
tel die Hüften; um den freien Hals und die nackten Schultern
lagen oft ſechs- und ſiebenfach die vielgeſtalteten goldenen Ketten
oder Korallenſchnüre mit Amuletten und kleinen geweihten Hei-
ligthümern daran und die reichverzierten Roſenkränze. Die Arm-
bänder waren wieder in Gebrauch gekommen, und Ringe trug
man am erſten und zweiten Glied der Finger in übertriebener
Zahl. Oft hatte freilich die Obrigkeit darin ein Maß vorgeſchrie-
ben, wie die von Bologna, nach Ständen unterſcheidend, den
Damen vom alten Adel ſechs Ringe erlaubt hatte, denen vom
jungen vier, und den Frauen und Töchtern der Künſtler und
Handwerker nur zwei. Die von Hannover aber hatte Ringe zu
tragen erlaubt, ſoviel die Frauen wollten. Des Herrn Georg
Winter Ehgemahlin in Nürnberg hinterließ bei ihrem Tode (1485)
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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/306>, abgerufen am 16.02.2025.
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