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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.

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II. Das Mittelalter.

So vielgestaltet nun auch diese Kopftracht war und soviel
dabei von der besondern Laune und dem Geschmack erfinderischer
Damen abhing, so lassen sich doch drei Grundformen herausfin-
den, welche sich am burgundischen Hofe festgestellt hatten. Freilich
wird es ein vergebliches Beginnen sein, durch Worte ein Bild
davon geben zu wollen, und wir müssen deßhalb auf die mancher-
lei Abbildungen verweisen. Die erste und vielleicht älteste Form
ist die, welche wir so eben bei der Königin Isabella beschrieben
haben. Der untere Theil pflegt einfacher oder gemusterter Gold-
stoff zu sein, der obere Wulst ist farbig. Er senkt sich in der
Mitte bald mehr, bald minder tief. Sehr häufig wird er durch
einen runden Pelzstreif von Buntwerk ersetzt, welcher mehrere
Mal auf- und abläuft. Oft fällt auch ein Schleier tief herab oder
ist als Sendelbinde lose um die Schultern gelegt. Ueber dieser
Haube, welche die Länge des Gesichts doppelt übertreffen kann,
trägt die Fürstin bei feierlichen Gelegenheiten eine Krone, die sich
nach ihrer Form richten muß und daher nicht selten schief ist.

Die zweite Form erscheint einfacher und leichter, übertrifft
aber die erste bei weitem an Ausdehnung. Ueber dem Kopf er-
hebt sich ein hohes Drahtgestell, mit einer tiefen Einsenkung in
der Mitte, welches mit einem farbigen, leichten Stoffe luftig um-
spannt ist. Seine Gestalt, immer grotesk, ist sehr verschieden.
Noch barocker erscheint die dritte Haube, die wohl als die belieb-
teste bezeichnet werden kann. Am Scheitel ist ein kegelförmiger,
sehr spitz zulaufender Aufsatz befestigt; ein breiter Schleier windet
sich darum und fällt schlaff und lose oder in voller, gesteifter
Breite hinten bis auf den Boden herunter. Die Haare über der
Stirn, welche nicht von dem Aufsatz eingeschlossen sind, bedeckt
ein breites, schlichtes Band, welches zu beiden Seiten sich auf die
Schultern legt. Die Länge der kegelförmigen Spitze ist verschie-
den bis zu einer Elle, wonach sich die Breite des Schleiers richtet.
Das Ganze ist farbig, das breite Band wie die Spitze, wenn sie
nicht von Goldstoff ist, und auch der gestickte und mit Spitzen be-
setzte Schleier in verschiedenen Absätzen.

Diese drei Formen, die freilich mancherlei Modificationen

II. Das Mittelalter.

So vielgeſtaltet nun auch dieſe Kopftracht war und ſoviel
dabei von der beſondern Laune und dem Geſchmack erfinderiſcher
Damen abhing, ſo laſſen ſich doch drei Grundformen herausfin-
den, welche ſich am burgundiſchen Hofe feſtgeſtellt hatten. Freilich
wird es ein vergebliches Beginnen ſein, durch Worte ein Bild
davon geben zu wollen, und wir müſſen deßhalb auf die mancher-
lei Abbildungen verweiſen. Die erſte und vielleicht älteſte Form
iſt die, welche wir ſo eben bei der Königin Iſabella beſchrieben
haben. Der untere Theil pflegt einfacher oder gemuſterter Gold-
ſtoff zu ſein, der obere Wulſt iſt farbig. Er ſenkt ſich in der
Mitte bald mehr, bald minder tief. Sehr häufig wird er durch
einen runden Pelzſtreif von Buntwerk erſetzt, welcher mehrere
Mal auf- und abläuft. Oft fällt auch ein Schleier tief herab oder
iſt als Sendelbinde loſe um die Schultern gelegt. Ueber dieſer
Haube, welche die Länge des Geſichts doppelt übertreffen kann,
trägt die Fürſtin bei feierlichen Gelegenheiten eine Krone, die ſich
nach ihrer Form richten muß und daher nicht ſelten ſchief iſt.

Die zweite Form erſcheint einfacher und leichter, übertrifft
aber die erſte bei weitem an Ausdehnung. Ueber dem Kopf er-
hebt ſich ein hohes Drahtgeſtell, mit einer tiefen Einſenkung in
der Mitte, welches mit einem farbigen, leichten Stoffe luftig um-
ſpannt iſt. Seine Geſtalt, immer grotesk, iſt ſehr verſchieden.
Noch barocker erſcheint die dritte Haube, die wohl als die belieb-
teſte bezeichnet werden kann. Am Scheitel iſt ein kegelförmiger,
ſehr ſpitz zulaufender Aufſatz befeſtigt; ein breiter Schleier windet
ſich darum und fällt ſchlaff und loſe oder in voller, geſteifter
Breite hinten bis auf den Boden herunter. Die Haare über der
Stirn, welche nicht von dem Aufſatz eingeſchloſſen ſind, bedeckt
ein breites, ſchlichtes Band, welches zu beiden Seiten ſich auf die
Schultern legt. Die Länge der kegelförmigen Spitze iſt verſchie-
den bis zu einer Elle, wonach ſich die Breite des Schleiers richtet.
Das Ganze iſt farbig, das breite Band wie die Spitze, wenn ſie
nicht von Goldſtoff iſt, und auch der geſtickte und mit Spitzen be-
ſetzte Schleier in verſchiedenen Abſätzen.

Dieſe drei Formen, die freilich mancherlei Modificationen

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[276/0294] II. Das Mittelalter. So vielgeſtaltet nun auch dieſe Kopftracht war und ſoviel dabei von der beſondern Laune und dem Geſchmack erfinderiſcher Damen abhing, ſo laſſen ſich doch drei Grundformen herausfin- den, welche ſich am burgundiſchen Hofe feſtgeſtellt hatten. Freilich wird es ein vergebliches Beginnen ſein, durch Worte ein Bild davon geben zu wollen, und wir müſſen deßhalb auf die mancher- lei Abbildungen verweiſen. Die erſte und vielleicht älteſte Form iſt die, welche wir ſo eben bei der Königin Iſabella beſchrieben haben. Der untere Theil pflegt einfacher oder gemuſterter Gold- ſtoff zu ſein, der obere Wulſt iſt farbig. Er ſenkt ſich in der Mitte bald mehr, bald minder tief. Sehr häufig wird er durch einen runden Pelzſtreif von Buntwerk erſetzt, welcher mehrere Mal auf- und abläuft. Oft fällt auch ein Schleier tief herab oder iſt als Sendelbinde loſe um die Schultern gelegt. Ueber dieſer Haube, welche die Länge des Geſichts doppelt übertreffen kann, trägt die Fürſtin bei feierlichen Gelegenheiten eine Krone, die ſich nach ihrer Form richten muß und daher nicht ſelten ſchief iſt. Die zweite Form erſcheint einfacher und leichter, übertrifft aber die erſte bei weitem an Ausdehnung. Ueber dem Kopf er- hebt ſich ein hohes Drahtgeſtell, mit einer tiefen Einſenkung in der Mitte, welches mit einem farbigen, leichten Stoffe luftig um- ſpannt iſt. Seine Geſtalt, immer grotesk, iſt ſehr verſchieden. Noch barocker erſcheint die dritte Haube, die wohl als die belieb- teſte bezeichnet werden kann. Am Scheitel iſt ein kegelförmiger, ſehr ſpitz zulaufender Aufſatz befeſtigt; ein breiter Schleier windet ſich darum und fällt ſchlaff und loſe oder in voller, geſteifter Breite hinten bis auf den Boden herunter. Die Haare über der Stirn, welche nicht von dem Aufſatz eingeſchloſſen ſind, bedeckt ein breites, ſchlichtes Band, welches zu beiden Seiten ſich auf die Schultern legt. Die Länge der kegelförmigen Spitze iſt verſchie- den bis zu einer Elle, wonach ſich die Breite des Schleiers richtet. Das Ganze iſt farbig, das breite Band wie die Spitze, wenn ſie nicht von Goldſtoff iſt, und auch der geſtickte und mit Spitzen be- ſetzte Schleier in verſchiedenen Abſätzen. Dieſe drei Formen, die freilich mancherlei Modificationen

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/294>, abgerufen am 25.11.2024.