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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.

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2. Die Zeit des Luxus und der Entartung.
Wird einem Mann oder Weib.
Wann ihn Glückes Scheib
Trüg' auf der Selden Bahn,
Das soll er allein ha'n,
Und sollt' das fest verhehlen,
Als ein Dieb, der da will stehlen.
Das war vor Alters recht.
Es wär Ritter oder Knecht,
Er sollt seiner Minne
Niemand bringen inne,
Denn daß er's wüßt' allein.
Dieselbe Sitte, die war rein!"

Und gewiß hat sie auch für die Zeit des Dichters recht, wenn sie
auf das Zurschautragen von Roth und Blau, der brennenden
Liebe und der Treue, erwidert, sie kenne manchen, der sich in
Roth sehen lasse, und sei ihm doch von Liebe selten weder kalt
noch heiß geschehen; manchen auch säh man Blau tragen, wenn
aber der Rock die Wahrheit sagen könne, er würde ganz andere
Mähre erzählen.

Aehnlich spricht sich Peter Suchenwirt aus, dessen Gedichte
immer eine directe Beziehung auf seine Zeit haben. In dem Ge-
dicht, welches die Ueberschrift führt: "Eine Rede von der Minne",
findet er, spazieren gehend, drei Frauen zusammen, die Minne,
die Stete und die Gerechtigkeit. Frau Stete klagt den beiden an-
dern ihre Noth über die falsche Liebe, die überall herrsche, und
setzt dann hinzu:

"Noch eines mehr, das muß ich klagen,
Daß manche Blau durch Stete tragen,
Davon sie meinen stet zu sein,
Wenn sie in blauer Farbe Schein
Erzeigen sich den Frauen gut.
Mich dünket das in meinem Muth:
Und wär die Farb' also man gicht,
Es wär' ein' Ell' vergolten nicht
Mit hundert Gulden und baß.
Stet' wohnt im Herzen; wisset das,
Daß sie nicht von der Farbe kommt,
Daß manchem also wenig frommt,
Der sich von Unstet läßt besiegen,
Des er von Frauen wird geziehen." --
17*
2. Die Zeit des Luxus und der Entartung.
Wird einem Mann oder Weib.
Wann ihn Glückes Scheib
Trüg’ auf der Selden Bahn,
Das ſoll er allein ha’n,
Und ſollt’ das feſt verhehlen,
Als ein Dieb, der da will ſtehlen.
Das war vor Alters recht.
Es wär Ritter oder Knecht,
Er ſollt ſeiner Minne
Niemand bringen inne,
Denn daß er’s wüßt’ allein.
Dieſelbe Sitte, die war rein!“

Und gewiß hat ſie auch für die Zeit des Dichters recht, wenn ſie
auf das Zurſchautragen von Roth und Blau, der brennenden
Liebe und der Treue, erwidert, ſie kenne manchen, der ſich in
Roth ſehen laſſe, und ſei ihm doch von Liebe ſelten weder kalt
noch heiß geſchehen; manchen auch ſäh man Blau tragen, wenn
aber der Rock die Wahrheit ſagen könne, er würde ganz andere
Mähre erzählen.

Aehnlich ſpricht ſich Peter Suchenwirt aus, deſſen Gedichte
immer eine directe Beziehung auf ſeine Zeit haben. In dem Ge-
dicht, welches die Ueberſchrift führt: „Eine Rede von der Minne“,
findet er, ſpazieren gehend, drei Frauen zuſammen, die Minne,
die Stete und die Gerechtigkeit. Frau Stete klagt den beiden an-
dern ihre Noth über die falſche Liebe, die überall herrſche, und
ſetzt dann hinzu:

„Noch eines mehr, das muß ich klagen,
Daß manche Blau durch Stete tragen,
Davon ſie meinen ſtet zu ſein,
Wenn ſie in blauer Farbe Schein
Erzeigen ſich den Frauen gut.
Mich dünket das in meinem Muth:
Und wär die Farb’ alſo man gicht,
Es wär’ ein’ Ell’ vergolten nicht
Mit hundert Gulden und baß.
Stet’ wohnt im Herzen; wiſſet das,
Daß ſie nicht von der Farbe kommt,
Daß manchem alſo wenig frommt,
Der ſich von Unſtet läßt beſiegen,
Des er von Frauen wird geziehen.“ —
17*
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[259/0277] 2. Die Zeit des Luxus und der Entartung. Wird einem Mann oder Weib. Wann ihn Glückes Scheib Trüg’ auf der Selden Bahn, Das ſoll er allein ha’n, Und ſollt’ das feſt verhehlen, Als ein Dieb, der da will ſtehlen. Das war vor Alters recht. Es wär Ritter oder Knecht, Er ſollt ſeiner Minne Niemand bringen inne, Denn daß er’s wüßt’ allein. Dieſelbe Sitte, die war rein!“ Und gewiß hat ſie auch für die Zeit des Dichters recht, wenn ſie auf das Zurſchautragen von Roth und Blau, der brennenden Liebe und der Treue, erwidert, ſie kenne manchen, der ſich in Roth ſehen laſſe, und ſei ihm doch von Liebe ſelten weder kalt noch heiß geſchehen; manchen auch ſäh man Blau tragen, wenn aber der Rock die Wahrheit ſagen könne, er würde ganz andere Mähre erzählen. Aehnlich ſpricht ſich Peter Suchenwirt aus, deſſen Gedichte immer eine directe Beziehung auf ſeine Zeit haben. In dem Ge- dicht, welches die Ueberſchrift führt: „Eine Rede von der Minne“, findet er, ſpazieren gehend, drei Frauen zuſammen, die Minne, die Stete und die Gerechtigkeit. Frau Stete klagt den beiden an- dern ihre Noth über die falſche Liebe, die überall herrſche, und ſetzt dann hinzu: „Noch eines mehr, das muß ich klagen, Daß manche Blau durch Stete tragen, Davon ſie meinen ſtet zu ſein, Wenn ſie in blauer Farbe Schein Erzeigen ſich den Frauen gut. Mich dünket das in meinem Muth: Und wär die Farb’ alſo man gicht, Es wär’ ein’ Ell’ vergolten nicht Mit hundert Gulden und baß. Stet’ wohnt im Herzen; wiſſet das, Daß ſie nicht von der Farbe kommt, Daß manchem alſo wenig frommt, Der ſich von Unſtet läßt beſiegen, Des er von Frauen wird geziehen.“ — 17*

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/277>, abgerufen am 22.11.2024.