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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.

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II. Das Mittelalter.
worten von keiner Dame gut spreche; er liebe den Wein gut und
viel; gehe spät zu Bett und stehe Mittags mit schwerem Kopfe
auf. Dagegen hebt die Stete des ihrigen Tugenden hervor, seine
Züchtigkeit in Worten, seine Mäßigkeit, Wachsamkeit, Frömmig-
keit, Treue und Tapferkeit. Der solle ins Kloster gehen, meint
die Bunte; ihr Liebster diene hundert Frauen; wie der Wolf
den Schafen, so stelle er ihrer Ehre nach; beim Turnier sei er wie
eine kranke Frau; seinen Speer werfe er weg, aber er komme heil
nach Hause, noch nie habe er eine Wunde erhalten, auch in der
Schlacht nicht, denn er sei immer der letzte, immer hinten an;
aber niemals käme er müde zur Liebe. Endlich merkt die Blaue,
daß die andere wohl nicht ganz aufrichtig spreche. Sie hebt ihr
die bunten Kleider auf, Mantel und Rock, und sieht darunter
rothe Kleider, die Farbe der Frau Minne. Da freute sich die
Stetigkeit und Venus mit ihr, daß sie in der Prüfung bestanden
und es noch treue Liebe gäbe in der zuchtlosen Zeit. --

Es giebt ein längeres Gedicht in dem Liederbuch der Clara
Hätzlerin "von der Auslegung der sechs Farben", welches zeigt,
daß mit ihrer Bedeutung mancherlei Mißbrauch getrieben sein
muß, und sie andrerseits auch Opposition fand in dem Gedan-
ken, daß man die Liebe nicht zur Schau tragen solle. Eine Frau
läßt sich vom Dichter die Farben auslegen und antwortet ihm in
diesem Sinne, indem sie den alten Standpunkt der Minnezeit,
das Geheimniß, festhält.

"Sie heißen wohl Lästerer,
Die mit Röcken lassen sehn,
Was ihnen Gutes ist geschehn." --

Und am Schluß sagt sie:

... "der Sitte trag ich Haß.
Er sollt es verschweigen baß,
So ein minnigliches Weib
Ihr Herz und ihren Leib
Ihrem Diener giebt zu eigen,
Das soll er Niemand zeigen,
Und soll das in seines Herzens Grund
Senken, daß es nimmer kund

II. Das Mittelalter.
worten von keiner Dame gut ſpreche; er liebe den Wein gut und
viel; gehe ſpät zu Bett und ſtehe Mittags mit ſchwerem Kopfe
auf. Dagegen hebt die Stete des ihrigen Tugenden hervor, ſeine
Züchtigkeit in Worten, ſeine Mäßigkeit, Wachſamkeit, Frömmig-
keit, Treue und Tapferkeit. Der ſolle ins Kloſter gehen, meint
die Bunte; ihr Liebſter diene hundert Frauen; wie der Wolf
den Schafen, ſo ſtelle er ihrer Ehre nach; beim Turnier ſei er wie
eine kranke Frau; ſeinen Speer werfe er weg, aber er komme heil
nach Hauſe, noch nie habe er eine Wunde erhalten, auch in der
Schlacht nicht, denn er ſei immer der letzte, immer hinten an;
aber niemals käme er müde zur Liebe. Endlich merkt die Blaue,
daß die andere wohl nicht ganz aufrichtig ſpreche. Sie hebt ihr
die bunten Kleider auf, Mantel und Rock, und ſieht darunter
rothe Kleider, die Farbe der Frau Minne. Da freute ſich die
Stetigkeit und Venus mit ihr, daß ſie in der Prüfung beſtanden
und es noch treue Liebe gäbe in der zuchtloſen Zeit. —

Es giebt ein längeres Gedicht in dem Liederbuch der Clara
Hätzlerin „von der Auslegung der ſechs Farben“, welches zeigt,
daß mit ihrer Bedeutung mancherlei Mißbrauch getrieben ſein
muß, und ſie andrerſeits auch Oppoſition fand in dem Gedan-
ken, daß man die Liebe nicht zur Schau tragen ſolle. Eine Frau
läßt ſich vom Dichter die Farben auslegen und antwortet ihm in
dieſem Sinne, indem ſie den alten Standpunkt der Minnezeit,
das Geheimniß, feſthält.

„Sie heißen wohl Läſterer,
Die mit Röcken laſſen ſehn,
Was ihnen Gutes iſt geſchehn.“ —

Und am Schluß ſagt ſie:

… „der Sitte trag ich Haß.
Er ſollt es verſchweigen baß,
So ein minnigliches Weib
Ihr Herz und ihren Leib
Ihrem Diener giebt zu eigen,
Das ſoll er Niemand zeigen,
Und ſoll das in ſeines Herzens Grund
Senken, daß es nimmer kund
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[258/0276] II. Das Mittelalter. worten von keiner Dame gut ſpreche; er liebe den Wein gut und viel; gehe ſpät zu Bett und ſtehe Mittags mit ſchwerem Kopfe auf. Dagegen hebt die Stete des ihrigen Tugenden hervor, ſeine Züchtigkeit in Worten, ſeine Mäßigkeit, Wachſamkeit, Frömmig- keit, Treue und Tapferkeit. Der ſolle ins Kloſter gehen, meint die Bunte; ihr Liebſter diene hundert Frauen; wie der Wolf den Schafen, ſo ſtelle er ihrer Ehre nach; beim Turnier ſei er wie eine kranke Frau; ſeinen Speer werfe er weg, aber er komme heil nach Hauſe, noch nie habe er eine Wunde erhalten, auch in der Schlacht nicht, denn er ſei immer der letzte, immer hinten an; aber niemals käme er müde zur Liebe. Endlich merkt die Blaue, daß die andere wohl nicht ganz aufrichtig ſpreche. Sie hebt ihr die bunten Kleider auf, Mantel und Rock, und ſieht darunter rothe Kleider, die Farbe der Frau Minne. Da freute ſich die Stetigkeit und Venus mit ihr, daß ſie in der Prüfung beſtanden und es noch treue Liebe gäbe in der zuchtloſen Zeit. — Es giebt ein längeres Gedicht in dem Liederbuch der Clara Hätzlerin „von der Auslegung der ſechs Farben“, welches zeigt, daß mit ihrer Bedeutung mancherlei Mißbrauch getrieben ſein muß, und ſie andrerſeits auch Oppoſition fand in dem Gedan- ken, daß man die Liebe nicht zur Schau tragen ſolle. Eine Frau läßt ſich vom Dichter die Farben auslegen und antwortet ihm in dieſem Sinne, indem ſie den alten Standpunkt der Minnezeit, das Geheimniß, feſthält. „Sie heißen wohl Läſterer, Die mit Röcken laſſen ſehn, Was ihnen Gutes iſt geſchehn.“ — Und am Schluß ſagt ſie: … „der Sitte trag ich Haß. Er ſollt es verſchweigen baß, So ein minnigliches Weib Ihr Herz und ihren Leib Ihrem Diener giebt zu eigen, Das ſoll er Niemand zeigen, Und ſoll das in ſeines Herzens Grund Senken, daß es nimmer kund

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Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/276>, abgerufen am 22.11.2024.