Mal in einem Lübecker Testament vom Jahr 1369 vor und dann öfter in andern Testamenten dieser Stadt. Hier ist es allemal der Name eines silbernen Gürtels, ohne daß der Schellen dabei je- mals Erwähnung geschieht. Im Jahr 1474 wird der Gebrauch des Dusings den Lübecker Frauen von Rathswegen verboten, doch ist er nicht näher beschrieben; schwerlich aber hatte er damals noch Schellen.
Schon im vierzehnten Jahrhundert wurde die Form der Schellen eine sehr mannigfache; wir finden sie einfach rund wie heute, oder birnenförmig, oder schneckenhausartig gewunden, oder statt ihrer auch kleinere oder größere offene Glocken gebraucht. Oft waren sie aus edlem Metall gefertigt, weil sie zugleich als Schmuck dienten. Ebenso war auch die Art und Weise sie zu tragen eine sehr verschiedene. Uns liegt die Abbildung eines höchst interessanten Teppichs im germanischen Museum vom Schluß des vierzehnten Jahrhunderts vor, worauf sich eine zahlreiche Gesell- schaft der vornehmen Welt befindet, beschäftigt im Freien mit einem allegorischen Spiel im Geschmack der Zeit. Die meisten Herren wie Damen tragen Schellen. Die Königin Minne selbst, die auf dem Throne sitzend dem Spiel präsidirt, hat in Form eines Wehrgehenks ein breites Band über die Schulter hängen, dessen Ränder ringsum mit Schellen besetzt sind; andere von größerer Gestalt hängen ihr am hochsitzenden Gürtel. Noch an- dere Damen tragen ein solches Gehenk, Hornfessel genannt, ursprünglich der Name für die Kuppel, an welcher das Hifthorn hing; andere wieder ein Halsband mit einer großen Glocke, in der Art, wie man sie den Kühen anhängt. Herren haben den Dupfing mit Glocken besetzt oder Schellen mit Kettchen rundum am engen Gürtel oder an einem um die Schultern liegenden Band befestigt. -- Was hier vereinzelt erscheint, zeigt ein anderer etwa zehn bis zwanzig Jahr jüngerer Teppich, welcher Scenen aus dem Wille- halm darstellt, vereinigt. Da findet sich ein Ritter zu Roß, der hat den untern Saum seines Rockes mit Glocken behängt und dicht darüber noch eine zweite Reihe; am Gürtel hat er zwar nur eine einzige große Glocke hinten im Rücken, aber um Schultern
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2. Die Zeit des Luxus und der Entartung.
Mal in einem Lübecker Teſtament vom Jahr 1369 vor und dann öfter in andern Teſtamenten dieſer Stadt. Hier iſt es allemal der Name eines ſilbernen Gürtels, ohne daß der Schellen dabei je- mals Erwähnung geſchieht. Im Jahr 1474 wird der Gebrauch des Duſings den Lübecker Frauen von Rathswegen verboten, doch iſt er nicht näher beſchrieben; ſchwerlich aber hatte er damals noch Schellen.
Schon im vierzehnten Jahrhundert wurde die Form der Schellen eine ſehr mannigfache; wir finden ſie einfach rund wie heute, oder birnenförmig, oder ſchneckenhausartig gewunden, oder ſtatt ihrer auch kleinere oder größere offene Glocken gebraucht. Oft waren ſie aus edlem Metall gefertigt, weil ſie zugleich als Schmuck dienten. Ebenſo war auch die Art und Weiſe ſie zu tragen eine ſehr verſchiedene. Uns liegt die Abbildung eines höchſt intereſſanten Teppichs im germaniſchen Muſeum vom Schluß des vierzehnten Jahrhunderts vor, worauf ſich eine zahlreiche Geſell- ſchaft der vornehmen Welt befindet, beſchäftigt im Freien mit einem allegoriſchen Spiel im Geſchmack der Zeit. Die meiſten Herren wie Damen tragen Schellen. Die Königin Minne ſelbſt, die auf dem Throne ſitzend dem Spiel präſidirt, hat in Form eines Wehrgehenks ein breites Band über die Schulter hängen, deſſen Ränder ringsum mit Schellen beſetzt ſind; andere von größerer Geſtalt hängen ihr am hochſitzenden Gürtel. Noch an- dere Damen tragen ein ſolches Gehenk, Hornfeſſel genannt, urſprünglich der Name für die Kuppel, an welcher das Hifthorn hing; andere wieder ein Halsband mit einer großen Glocke, in der Art, wie man ſie den Kühen anhängt. Herren haben den Dupfing mit Glocken beſetzt oder Schellen mit Kettchen rundum am engen Gürtel oder an einem um die Schultern liegenden Band befeſtigt. — Was hier vereinzelt erſcheint, zeigt ein anderer etwa zehn bis zwanzig Jahr jüngerer Teppich, welcher Scenen aus dem Wille- halm darſtellt, vereinigt. Da findet ſich ein Ritter zu Roß, der hat den untern Saum ſeines Rockes mit Glocken behängt und dicht darüber noch eine zweite Reihe; am Gürtel hat er zwar nur eine einzige große Glocke hinten im Rücken, aber um Schultern
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2. Die Zeit des Luxus und der Entartung.
Mal in einem Lübecker Teſtament vom Jahr 1369 vor und dann
öfter in andern Teſtamenten dieſer Stadt. Hier iſt es allemal der
Name eines ſilbernen Gürtels, ohne daß der Schellen dabei je-
mals Erwähnung geſchieht. Im Jahr 1474 wird der Gebrauch
des Duſings den Lübecker Frauen von Rathswegen verboten,
doch iſt er nicht näher beſchrieben; ſchwerlich aber hatte er damals
noch Schellen.
Schon im vierzehnten Jahrhundert wurde die Form der
Schellen eine ſehr mannigfache; wir finden ſie einfach rund wie
heute, oder birnenförmig, oder ſchneckenhausartig gewunden, oder
ſtatt ihrer auch kleinere oder größere offene Glocken gebraucht.
Oft waren ſie aus edlem Metall gefertigt, weil ſie zugleich als
Schmuck dienten. Ebenſo war auch die Art und Weiſe ſie zu
tragen eine ſehr verſchiedene. Uns liegt die Abbildung eines höchſt
intereſſanten Teppichs im germaniſchen Muſeum vom Schluß des
vierzehnten Jahrhunderts vor, worauf ſich eine zahlreiche Geſell-
ſchaft der vornehmen Welt befindet, beſchäftigt im Freien mit
einem allegoriſchen Spiel im Geſchmack der Zeit. Die meiſten
Herren wie Damen tragen Schellen. Die Königin Minne ſelbſt,
die auf dem Throne ſitzend dem Spiel präſidirt, hat in Form
eines Wehrgehenks ein breites Band über die Schulter hängen,
deſſen Ränder ringsum mit Schellen beſetzt ſind; andere von
größerer Geſtalt hängen ihr am hochſitzenden Gürtel. Noch an-
dere Damen tragen ein ſolches Gehenk, Hornfeſſel genannt,
urſprünglich der Name für die Kuppel, an welcher das Hifthorn
hing; andere wieder ein Halsband mit einer großen Glocke, in der
Art, wie man ſie den Kühen anhängt. Herren haben den Dupfing
mit Glocken beſetzt oder Schellen mit Kettchen rundum am engen
Gürtel oder an einem um die Schultern liegenden Band befeſtigt.
— Was hier vereinzelt erſcheint, zeigt ein anderer etwa zehn bis
zwanzig Jahr jüngerer Teppich, welcher Scenen aus dem Wille-
halm darſtellt, vereinigt. Da findet ſich ein Ritter zu Roß, der
hat den untern Saum ſeines Rockes mit Glocken behängt und
dicht darüber noch eine zweite Reihe; am Gürtel hat er zwar nur
eine einzige große Glocke hinten im Rücken, aber um Schultern
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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/261>, abgerufen am 16.02.2025.
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