Weidenzweigen, an welchen sie die Rinde in Streifen theilweise lösen und ringeln, behängen ihn mit Flitter und Schellen, schüt- teln ihn und singen dazu:
"Palmen, Palmen-Buschen, Laat den Kukuk ruschen, Laat de Vögelein singen, Laat de Glöcklein klingen." --
Es ist höchst bemerkenswerth, daß die Schelle als Narren- zeichen fast grade so früh vorkommt, wie als Auszeichnung der höchsten Stände. Es ist, als ob den Leuten die eigene Thorheit ins Bewußtsein gekommen wäre. Im Jahr 1381, also in einer Zeit, wo diese Tracht kaum in Blüthe stand, stiftete Graf Adolf zu Cleve die Geckengesellschaft. Jedes Mitglied mußte bei den feierlichen Zusammenkünften mit einer Gugel von gelber und rother Farbe erscheinen, an welcher wie auch am Aermel viele Schellen hingen, und mußte auf dem Ordenskleide einen von Silber gestickten Narren mit Schellen tragen. Schon in der ersten Hälfte des funfzehnten Jahrhunderts gehören sie zu den Narren- festen fast nothwendig. In Dijon trugen die Mitglieder der Ge- sellschaft der Narrenmutter Mützen von grüner, rother und gelber Farbe, mit zwei Spitzen oder Eselsohren und an jedem derselben eine Schelle. Auch die Narren bei Turnieren trugen damals die Schellen, nachdem dieselben kurz zuvor oder vielleicht noch gleich- zeitig die Ritter und die edlen Damen geziert hatten. Bald kam das Sprichwort auf: Je größer der Narr, je größer die Schelle.
Bei der ältesten Art die Schellen zu tragen hingen sie an kleinen Ketten beweglich am Gürtel, an dem sowohl, welcher die Taille umschloß und Dolch, Schwert und die Tasche zu tragen hatte, wie an dem weiten, hängenden, dem Dupfing. Die mit Schellen und Glocken behängten Gürtel aber nannte man Du- sing. Man leitet das Wort vom alten duz, dos, thus, dus ab, welches mit dem Worte tosen, Getöse dasselbe ist, wonach die Sache also von dem Klange den Namen erhalten hätte. Das Wort Dusing dürfte vor der Entstehung des Schellengürtels kaum aufzuweisen sein. Soviel mir bekannt, kommt es zum ersten
II. Das Mittelalter.
Weidenzweigen, an welchen ſie die Rinde in Streifen theilweiſe löſen und ringeln, behängen ihn mit Flitter und Schellen, ſchüt- teln ihn und ſingen dazu:
„Palmen, Palmen-Buſchen, Laat den Kukuk ruſchen, Laat de Vögelein ſingen, Laat de Glöcklein klingen.“ —
Es iſt höchſt bemerkenswerth, daß die Schelle als Narren- zeichen faſt grade ſo früh vorkommt, wie als Auszeichnung der höchſten Stände. Es iſt, als ob den Leuten die eigene Thorheit ins Bewußtſein gekommen wäre. Im Jahr 1381, alſo in einer Zeit, wo dieſe Tracht kaum in Blüthe ſtand, ſtiftete Graf Adolf zu Cleve die Geckengeſellſchaft. Jedes Mitglied mußte bei den feierlichen Zuſammenkünften mit einer Gugel von gelber und rother Farbe erſcheinen, an welcher wie auch am Aermel viele Schellen hingen, und mußte auf dem Ordenskleide einen von Silber geſtickten Narren mit Schellen tragen. Schon in der erſten Hälfte des funfzehnten Jahrhunderts gehören ſie zu den Narren- feſten faſt nothwendig. In Dijon trugen die Mitglieder der Ge- ſellſchaft der Narrenmutter Mützen von grüner, rother und gelber Farbe, mit zwei Spitzen oder Eſelsohren und an jedem derſelben eine Schelle. Auch die Narren bei Turnieren trugen damals die Schellen, nachdem dieſelben kurz zuvor oder vielleicht noch gleich- zeitig die Ritter und die edlen Damen geziert hatten. Bald kam das Sprichwort auf: Je größer der Narr, je größer die Schelle.
Bei der älteſten Art die Schellen zu tragen hingen ſie an kleinen Ketten beweglich am Gürtel, an dem ſowohl, welcher die Taille umſchloß und Dolch, Schwert und die Taſche zu tragen hatte, wie an dem weiten, hängenden, dem Dupfing. Die mit Schellen und Glocken behängten Gürtel aber nannte man Du- ſing. Man leitet das Wort vom alten duz, dos, thus, dus ab, welches mit dem Worte toſen, Getöſe daſſelbe iſt, wonach die Sache alſo von dem Klange den Namen erhalten hätte. Das Wort Duſing dürfte vor der Entſtehung des Schellengürtels kaum aufzuweiſen ſein. Soviel mir bekannt, kommt es zum erſten
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II. Das Mittelalter.
Weidenzweigen, an welchen ſie die Rinde in Streifen theilweiſe
löſen und ringeln, behängen ihn mit Flitter und Schellen, ſchüt-
teln ihn und ſingen dazu:
„Palmen, Palmen-Buſchen,
Laat den Kukuk ruſchen,
Laat de Vögelein ſingen,
Laat de Glöcklein klingen.“ —
Es iſt höchſt bemerkenswerth, daß die Schelle als Narren-
zeichen faſt grade ſo früh vorkommt, wie als Auszeichnung der
höchſten Stände. Es iſt, als ob den Leuten die eigene Thorheit
ins Bewußtſein gekommen wäre. Im Jahr 1381, alſo in einer
Zeit, wo dieſe Tracht kaum in Blüthe ſtand, ſtiftete Graf Adolf
zu Cleve die Geckengeſellſchaft. Jedes Mitglied mußte bei den
feierlichen Zuſammenkünften mit einer Gugel von gelber und
rother Farbe erſcheinen, an welcher wie auch am Aermel viele
Schellen hingen, und mußte auf dem Ordenskleide einen von
Silber geſtickten Narren mit Schellen tragen. Schon in der erſten
Hälfte des funfzehnten Jahrhunderts gehören ſie zu den Narren-
feſten faſt nothwendig. In Dijon trugen die Mitglieder der Ge-
ſellſchaft der Narrenmutter Mützen von grüner, rother und gelber
Farbe, mit zwei Spitzen oder Eſelsohren und an jedem derſelben
eine Schelle. Auch die Narren bei Turnieren trugen damals die
Schellen, nachdem dieſelben kurz zuvor oder vielleicht noch gleich-
zeitig die Ritter und die edlen Damen geziert hatten. Bald kam
das Sprichwort auf: Je größer der Narr, je größer die Schelle.
Bei der älteſten Art die Schellen zu tragen hingen ſie an
kleinen Ketten beweglich am Gürtel, an dem ſowohl, welcher die
Taille umſchloß und Dolch, Schwert und die Taſche zu tragen
hatte, wie an dem weiten, hängenden, dem Dupfing. Die mit
Schellen und Glocken behängten Gürtel aber nannte man Du-
ſing. Man leitet das Wort vom alten duz, dos, thus, dus
ab, welches mit dem Worte toſen, Getöſe daſſelbe iſt, wonach die
Sache alſo von dem Klange den Namen erhalten hätte. Das
Wort Duſing dürfte vor der Entſtehung des Schellengürtels
kaum aufzuweiſen ſein. Soviel mir bekannt, kommt es zum erſten
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Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/260>, abgerufen am 16.02.2025.
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