Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.2. Die Zeit des Luxus und der Entartung. fußbreit ist, bildet die Säume. Denken wir uns auch mit Her-melin oder anderem edelen Rauchwerk, Zobel oder Veh oder Kleinspalt, den goldbrokatnen Stoff unterfüttert, den Hals von Perlschnüren umwunden, und andere sich durch das Haar schlin- gen -- dann haben wir in einer solchen Dame ein Musterbild, das an Reichthum und nobler Eleganz eine würdige Vertreterin des höchsten Standes ist, und eine Tracht, die an wahrer Schön- heit nicht leicht zu übertreffen ist. Noch reicher und doch ohne eine Spur von Ueberladung Aber angesehene Geschlechterinnen der deutschen Städte hul- *) S. Kunst und Leben, Heft 2. Bl. 1.
2. Die Zeit des Luxus und der Entartung. fußbreit iſt, bildet die Säume. Denken wir uns auch mit Her-melin oder anderem edelen Rauchwerk, Zobel oder Veh oder Kleinſpalt, den goldbrokatnen Stoff unterfüttert, den Hals von Perlſchnüren umwunden, und andere ſich durch das Haar ſchlin- gen — dann haben wir in einer ſolchen Dame ein Muſterbild, das an Reichthum und nobler Eleganz eine würdige Vertreterin des höchſten Standes iſt, und eine Tracht, die an wahrer Schön- heit nicht leicht zu übertreffen iſt. Noch reicher und doch ohne eine Spur von Ueberladung Aber angeſehene Geſchlechterinnen der deutſchen Städte hul- *) S. Kunſt und Leben, Heft 2. Bl. 1.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0239" n="221"/><fw place="top" type="header">2. Die Zeit des Luxus und der Entartung.</fw><lb/> fußbreit iſt, bildet die Säume. Denken wir uns auch mit Her-<lb/> melin oder anderem edelen Rauchwerk, Zobel oder Veh oder<lb/> Kleinſpalt, den goldbrokatnen Stoff unterfüttert, den Hals von<lb/> Perlſchnüren umwunden, und andere ſich durch das Haar ſchlin-<lb/> gen — dann haben wir in einer ſolchen Dame ein Muſterbild,<lb/> das an Reichthum und nobler Eleganz eine würdige Vertreterin<lb/> des höchſten Standes iſt, und eine Tracht, die an wahrer Schön-<lb/> heit nicht leicht zu übertreffen iſt.</p><lb/> <p>Noch reicher und doch ohne eine Spur von Ueberladung<lb/> wußten damals die engliſchen und franzöſiſchen Damen dieſen<lb/> Anzug zu machen, indem ſie über dem Kleid noch ein koſtbares<lb/> Leibchen trugen, welches, halb hängend, halb anſchmiegend, ge-<lb/> eignet war die Schönheit des Wuchſes zu heben, indem es in<lb/> gleicher Weiſe zeigte und errathen ließ. Dieſes Leibchen, das<lb/> nicht höher zum Halſe hinaufging als das Kleid und eben über<lb/> die Hüften ſich herabſenkte, war gewöhnlich ohne Aermel und<lb/> meiſt an den Seiten unter den Achſeln tief ausgeſchnitten. Häufig<lb/> beſtand es ganz aus Hermelin, oder aus Gold- und Silberſtoff,<lb/> an allen ſchön geſchweiften Säumen von Hermelin umzogen. Oft<lb/> ſcheint es nur das Gerippe eines Kleidungsſtückes zu ſein, indem<lb/> dieſe Pelzſtreifen allein daſſelbe bilden, welche, auf der Bruſt mit<lb/> einander befeſtigt, von den Schultern herab um die Hüften und<lb/> wieder aufwärts zum Rücken laufen. In Deutſchland erſcheint<lb/> dieſes Leibchen ohne Vergleich ſeltner, und kaum je im Bürger-<lb/> ſtande.</p><lb/> <p>Aber angeſehene Geſchlechterinnen der deutſchen Städte hul-<lb/> digen ähnlichem Geſchmack, und vermeiden die Uebertreibungen,<lb/> ohne der Mode zu entſagen. So die Gudela von Holzhauſen,<lb/> eine vornehme Frankfurterin <note place="foot" n="*)">S. Kunſt und Leben, Heft 2. Bl. 1.</note>, die auf ihrem Grabſtein gleich<lb/> einfach und natürlich mit Mantel und Rock bekleidet iſt, von de-<lb/> nen ſich der letztere ohne ſteifmachende Einengung dem Oberkör-<lb/> per anlegt. Ihr Gemahl repräſentirt den vornehmen Städter in<lb/> gleichem Sinne. Er trägt den anliegenden Rock, der von oben<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [221/0239]
2. Die Zeit des Luxus und der Entartung.
fußbreit iſt, bildet die Säume. Denken wir uns auch mit Her-
melin oder anderem edelen Rauchwerk, Zobel oder Veh oder
Kleinſpalt, den goldbrokatnen Stoff unterfüttert, den Hals von
Perlſchnüren umwunden, und andere ſich durch das Haar ſchlin-
gen — dann haben wir in einer ſolchen Dame ein Muſterbild,
das an Reichthum und nobler Eleganz eine würdige Vertreterin
des höchſten Standes iſt, und eine Tracht, die an wahrer Schön-
heit nicht leicht zu übertreffen iſt.
Noch reicher und doch ohne eine Spur von Ueberladung
wußten damals die engliſchen und franzöſiſchen Damen dieſen
Anzug zu machen, indem ſie über dem Kleid noch ein koſtbares
Leibchen trugen, welches, halb hängend, halb anſchmiegend, ge-
eignet war die Schönheit des Wuchſes zu heben, indem es in
gleicher Weiſe zeigte und errathen ließ. Dieſes Leibchen, das
nicht höher zum Halſe hinaufging als das Kleid und eben über
die Hüften ſich herabſenkte, war gewöhnlich ohne Aermel und
meiſt an den Seiten unter den Achſeln tief ausgeſchnitten. Häufig
beſtand es ganz aus Hermelin, oder aus Gold- und Silberſtoff,
an allen ſchön geſchweiften Säumen von Hermelin umzogen. Oft
ſcheint es nur das Gerippe eines Kleidungsſtückes zu ſein, indem
dieſe Pelzſtreifen allein daſſelbe bilden, welche, auf der Bruſt mit
einander befeſtigt, von den Schultern herab um die Hüften und
wieder aufwärts zum Rücken laufen. In Deutſchland erſcheint
dieſes Leibchen ohne Vergleich ſeltner, und kaum je im Bürger-
ſtande.
Aber angeſehene Geſchlechterinnen der deutſchen Städte hul-
digen ähnlichem Geſchmack, und vermeiden die Uebertreibungen,
ohne der Mode zu entſagen. So die Gudela von Holzhauſen,
eine vornehme Frankfurterin *), die auf ihrem Grabſtein gleich
einfach und natürlich mit Mantel und Rock bekleidet iſt, von de-
nen ſich der letztere ohne ſteifmachende Einengung dem Oberkör-
per anlegt. Ihr Gemahl repräſentirt den vornehmen Städter in
gleichem Sinne. Er trägt den anliegenden Rock, der von oben
*) S. Kunſt und Leben, Heft 2. Bl. 1.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |