unterlag, übernäht und mit edlen Metallen geschmückt. Auch die zahlreichen Knöpfe waren nicht immer gemeinen Stoffes und dienten ebenso zum Schmuck wie zur Einengung.
Die sonstige, außer dem reichen Pelzwerk zum Futter und zur Verbrämung oft weniger kostbare Verzierung der Kleider ver- räth schon mehr den sich an Seltsamkeiten erfreuenden Modesinn. Die großgemusterten Stoffe beginnen in Aufnahme zu kommen; man stickte mit Seide oder mit Gold die Muster hinein, Vögel und andere Thiere, auch Buchstaben mit bestimmtem Sinn, z. B. in vielfacher Wiederholung das beliebte Wort amor. Wir wer- den auch diese Liebhaberei später gesteigert wieder antreffen.
Im Gebrauch der Schönheitsmittel stand diese Pe- riode nicht hinter der vorhergehenden zurück. Die oben mitge- theilte Erzählung des Ritters de la Tour-Landry giebt das Nähere darüber. Aus Peter Suchenwirt wissen wir, daß auch die jungen Herren es damals machten wie die Damen. --
Um den ganzen Zustand des Modewesens, wie er sich in Deutschland etwa seit der Mitte des vierzehnten Jahrhunderts bis gegen das Jahr 1380 mit seiner bunten Mannigfaltigkeit, auch mit seinen Thorheiten herausgebildet hatte, in einem Ge- sammtbilde zusammenzufassen, theilen wir ein paar gleichzeitige Schilderungen mit. Die ältere derselben hat das glückliche Wien und seine Umgegend vor Augen, wo schon ein Jahrhundert früher der Bauernstand in seltsamer Geckenhaftigkeit einherstolzirt war. Die Stelle lautet: "Jeder kleidete sich nach seinem Eigendünkel; einige trugen Röcke von zweierlei Tuch. Bei andern war der linke Arm weiter als der rechte, ja sogar bei manchen weiter als der ganze Rock lang war. Andere hatten beide Aermel von solcher Weite, und wieder manche zierten den linken Aermel auf ver- schiedene Weise, theils mit Bändern von allerlei Farben, theils mit silbernen Röhrlein an seidenen Schnüren. Dann trugen einige auf der Brust einen Tuchfleck von verschiedener Farbe, mit silbernen und seidenen Buchstaben geziert. Wieder andere trugen verschiedene Bildnisse auf der linken Seite der Brust, und endlich wickelten sich andere ganz mit seidenen Ringen um die Brust ein.
2. Die Zeit des Luxus und der Entartung.
unterlag, übernäht und mit edlen Metallen geſchmückt. Auch die zahlreichen Knöpfe waren nicht immer gemeinen Stoffes und dienten ebenſo zum Schmuck wie zur Einengung.
Die ſonſtige, außer dem reichen Pelzwerk zum Futter und zur Verbrämung oft weniger koſtbare Verzierung der Kleider ver- räth ſchon mehr den ſich an Seltſamkeiten erfreuenden Modeſinn. Die großgemuſterten Stoffe beginnen in Aufnahme zu kommen; man ſtickte mit Seide oder mit Gold die Muſter hinein, Vögel und andere Thiere, auch Buchſtaben mit beſtimmtem Sinn, z. B. in vielfacher Wiederholung das beliebte Wort amor. Wir wer- den auch dieſe Liebhaberei ſpäter geſteigert wieder antreffen.
Im Gebrauch der Schönheitsmittel ſtand dieſe Pe- riode nicht hinter der vorhergehenden zurück. Die oben mitge- theilte Erzählung des Ritters de la Tour-Landry giebt das Nähere darüber. Aus Peter Suchenwirt wiſſen wir, daß auch die jungen Herren es damals machten wie die Damen. —
Um den ganzen Zuſtand des Modeweſens, wie er ſich in Deutſchland etwa ſeit der Mitte des vierzehnten Jahrhunderts bis gegen das Jahr 1380 mit ſeiner bunten Mannigfaltigkeit, auch mit ſeinen Thorheiten herausgebildet hatte, in einem Ge- ſammtbilde zuſammenzufaſſen, theilen wir ein paar gleichzeitige Schilderungen mit. Die ältere derſelben hat das glückliche Wien und ſeine Umgegend vor Augen, wo ſchon ein Jahrhundert früher der Bauernſtand in ſeltſamer Geckenhaftigkeit einherſtolzirt war. Die Stelle lautet: „Jeder kleidete ſich nach ſeinem Eigendünkel; einige trugen Röcke von zweierlei Tuch. Bei andern war der linke Arm weiter als der rechte, ja ſogar bei manchen weiter als der ganze Rock lang war. Andere hatten beide Aermel von ſolcher Weite, und wieder manche zierten den linken Aermel auf ver- ſchiedene Weiſe, theils mit Bändern von allerlei Farben, theils mit ſilbernen Röhrlein an ſeidenen Schnüren. Dann trugen einige auf der Bruſt einen Tuchfleck von verſchiedener Farbe, mit ſilbernen und ſeidenen Buchſtaben geziert. Wieder andere trugen verſchiedene Bildniſſe auf der linken Seite der Bruſt, und endlich wickelten ſich andere ganz mit ſeidenen Ringen um die Bruſt ein.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0235"n="217"/><fwplace="top"type="header">2. Die Zeit des Luxus und der Entartung.</fw><lb/>
unterlag, übernäht und mit edlen Metallen geſchmückt. Auch die<lb/>
zahlreichen Knöpfe waren nicht immer gemeinen Stoffes und<lb/>
dienten ebenſo zum Schmuck wie zur Einengung.</p><lb/><p>Die ſonſtige, außer dem reichen Pelzwerk zum Futter und<lb/>
zur Verbrämung oft weniger koſtbare Verzierung der Kleider ver-<lb/>
räth ſchon mehr den ſich an Seltſamkeiten erfreuenden Modeſinn.<lb/>
Die großgemuſterten Stoffe beginnen in Aufnahme zu kommen;<lb/>
man ſtickte mit Seide oder mit Gold die Muſter hinein, Vögel<lb/>
und andere Thiere, auch Buchſtaben mit beſtimmtem Sinn, z. B.<lb/>
in vielfacher Wiederholung das beliebte Wort <hirendition="#aq">amor.</hi> Wir wer-<lb/>
den auch dieſe Liebhaberei ſpäter geſteigert wieder antreffen.</p><lb/><p>Im Gebrauch der <hirendition="#g">Schönheitsmittel</hi>ſtand dieſe Pe-<lb/>
riode nicht hinter der vorhergehenden zurück. Die oben mitge-<lb/>
theilte Erzählung des Ritters de la Tour-Landry giebt das Nähere<lb/>
darüber. Aus Peter Suchenwirt wiſſen wir, daß auch die jungen<lb/>
Herren es damals machten wie die Damen. —</p><lb/><p>Um den ganzen Zuſtand des Modeweſens, wie er ſich in<lb/>
Deutſchland etwa ſeit der Mitte des vierzehnten Jahrhunderts<lb/>
bis gegen das Jahr 1380 mit ſeiner bunten Mannigfaltigkeit,<lb/>
auch mit ſeinen Thorheiten herausgebildet hatte, in einem Ge-<lb/>ſammtbilde zuſammenzufaſſen, theilen wir ein paar gleichzeitige<lb/>
Schilderungen mit. Die ältere derſelben hat das glückliche Wien<lb/>
und ſeine Umgegend vor Augen, wo ſchon ein Jahrhundert früher<lb/>
der Bauernſtand in ſeltſamer Geckenhaftigkeit einherſtolzirt war.<lb/>
Die Stelle lautet: „Jeder kleidete ſich nach ſeinem Eigendünkel;<lb/>
einige trugen Röcke von zweierlei Tuch. Bei andern war der<lb/>
linke Arm weiter als der rechte, ja ſogar bei manchen weiter als<lb/>
der ganze Rock lang war. Andere hatten beide Aermel von ſolcher<lb/>
Weite, und wieder manche zierten den linken Aermel auf ver-<lb/>ſchiedene Weiſe, theils mit Bändern von allerlei Farben, theils<lb/>
mit ſilbernen Röhrlein an ſeidenen Schnüren. Dann trugen<lb/>
einige auf der Bruſt einen Tuchfleck von verſchiedener Farbe, mit<lb/>ſilbernen und ſeidenen Buchſtaben geziert. Wieder andere trugen<lb/>
verſchiedene Bildniſſe auf der linken Seite der Bruſt, und endlich<lb/>
wickelten ſich andere ganz mit ſeidenen Ringen um die Bruſt ein.<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[217/0235]
2. Die Zeit des Luxus und der Entartung.
unterlag, übernäht und mit edlen Metallen geſchmückt. Auch die
zahlreichen Knöpfe waren nicht immer gemeinen Stoffes und
dienten ebenſo zum Schmuck wie zur Einengung.
Die ſonſtige, außer dem reichen Pelzwerk zum Futter und
zur Verbrämung oft weniger koſtbare Verzierung der Kleider ver-
räth ſchon mehr den ſich an Seltſamkeiten erfreuenden Modeſinn.
Die großgemuſterten Stoffe beginnen in Aufnahme zu kommen;
man ſtickte mit Seide oder mit Gold die Muſter hinein, Vögel
und andere Thiere, auch Buchſtaben mit beſtimmtem Sinn, z. B.
in vielfacher Wiederholung das beliebte Wort amor. Wir wer-
den auch dieſe Liebhaberei ſpäter geſteigert wieder antreffen.
Im Gebrauch der Schönheitsmittel ſtand dieſe Pe-
riode nicht hinter der vorhergehenden zurück. Die oben mitge-
theilte Erzählung des Ritters de la Tour-Landry giebt das Nähere
darüber. Aus Peter Suchenwirt wiſſen wir, daß auch die jungen
Herren es damals machten wie die Damen. —
Um den ganzen Zuſtand des Modeweſens, wie er ſich in
Deutſchland etwa ſeit der Mitte des vierzehnten Jahrhunderts
bis gegen das Jahr 1380 mit ſeiner bunten Mannigfaltigkeit,
auch mit ſeinen Thorheiten herausgebildet hatte, in einem Ge-
ſammtbilde zuſammenzufaſſen, theilen wir ein paar gleichzeitige
Schilderungen mit. Die ältere derſelben hat das glückliche Wien
und ſeine Umgegend vor Augen, wo ſchon ein Jahrhundert früher
der Bauernſtand in ſeltſamer Geckenhaftigkeit einherſtolzirt war.
Die Stelle lautet: „Jeder kleidete ſich nach ſeinem Eigendünkel;
einige trugen Röcke von zweierlei Tuch. Bei andern war der
linke Arm weiter als der rechte, ja ſogar bei manchen weiter als
der ganze Rock lang war. Andere hatten beide Aermel von ſolcher
Weite, und wieder manche zierten den linken Aermel auf ver-
ſchiedene Weiſe, theils mit Bändern von allerlei Farben, theils
mit ſilbernen Röhrlein an ſeidenen Schnüren. Dann trugen
einige auf der Bruſt einen Tuchfleck von verſchiedener Farbe, mit
ſilbernen und ſeidenen Buchſtaben geziert. Wieder andere trugen
verſchiedene Bildniſſe auf der linken Seite der Bruſt, und endlich
wickelten ſich andere ganz mit ſeidenen Ringen um die Bruſt ein.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/235>, abgerufen am 08.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.