entstanden denken, daß die Kaputze, mit Aufgebung von Schwanz und Spitze, sich eng um den Kopf anschloß. Der Rath von Speier verbot (1356), daß der Kruseler mehr als vier solcher Striche über einander haben sollte; der zu Frankfurt erlaubte ihrer sechs. Auch Fürstinnen trugen diese Hauben und Kronen darüber, auch mehr in Art eines in Krausen eingebrannten Schleiers.
In besonders hoher Gunst stand der Schleier, sei es, daß er für sich allein den Kopf umhüllt, oder mit Haube und Kinn- tuch in Verbindung steht. Auf Feinheit und Güte des Stoffs wurde ein großer Werth gelegt. Ob er von Seide oder Baum- wolle war, ob von so oder soviel Fäden in der Breite, ob sein Endbesatz lang und zart, oder kurz und dick gewirkt war -- das konnte die Geschlechterin von der Handwerksfrau unterscheiden.
Neben den langen Hängeärmeln, die einfach gezattelt auf den Boden fielen, neben den spitzen Schuhen und andern Din- gen konnte die Eitelkeit einer Dame noch Befriedigung finden an dem nun in reichlichem Maße wieder auflebenden Schmuck. Was in alten Zeiten ein Zeichen einer niedern, noch ringenden Civilisation gewesen war, das kann jetzt als Merkmal der Ueber- feinerung, eines verbildeten Geschmacks betrachtet werden. Den Schmuck faßten die Kleiderordnungen zuerst ins Auge, weil die bürgerliche Existenz, der Vermögensstand des Einzelnen dadurch am ersten gefährdet werden konnte. Ueberall auch, am Körper wie an der Kleidung, wußten die Frauen Schmuck anzubringen. Perlenkränze schlangen sie nicht bloß durch das Haar, sie um- wanden selbst die ungestalteten Gugeln damit, deren weiterer Schmuck aus edlem Metall, Juwelen, silbernen und goldenen Schnüren bestand. Der freie Hals mit der Brust wurde ein Fa- voritplatz für Perlen und Metallbänder; golden und silbern waren auch die Schnürsenkel; Ringe trug man in großer Zahl, freilich auch oft nur soviel die Obrigkeit erlaubte. Die langen Aermel, die Kleider wurden ober- und unterhalb des Gürtels, dessen wir als kostbarsten Schmuck schon oben gedachten, mit Perlen und Juwelen, deren Aechtheit freilich vielfach Zweifeln
II. Das Mittelalter.
entſtanden denken, daß die Kaputze, mit Aufgebung von Schwanz und Spitze, ſich eng um den Kopf anſchloß. Der Rath von Speier verbot (1356), daß der Kruſeler mehr als vier ſolcher Striche über einander haben ſollte; der zu Frankfurt erlaubte ihrer ſechs. Auch Fürſtinnen trugen dieſe Hauben und Kronen darüber, auch mehr in Art eines in Krauſen eingebrannten Schleiers.
In beſonders hoher Gunſt ſtand der Schleier, ſei es, daß er für ſich allein den Kopf umhüllt, oder mit Haube und Kinn- tuch in Verbindung ſteht. Auf Feinheit und Güte des Stoffs wurde ein großer Werth gelegt. Ob er von Seide oder Baum- wolle war, ob von ſo oder ſoviel Fäden in der Breite, ob ſein Endbeſatz lang und zart, oder kurz und dick gewirkt war — das konnte die Geſchlechterin von der Handwerksfrau unterſcheiden.
Neben den langen Hängeärmeln, die einfach gezattelt auf den Boden fielen, neben den ſpitzen Schuhen und andern Din- gen konnte die Eitelkeit einer Dame noch Befriedigung finden an dem nun in reichlichem Maße wieder auflebenden Schmuck. Was in alten Zeiten ein Zeichen einer niedern, noch ringenden Civiliſation geweſen war, das kann jetzt als Merkmal der Ueber- feinerung, eines verbildeten Geſchmacks betrachtet werden. Den Schmuck faßten die Kleiderordnungen zuerſt ins Auge, weil die bürgerliche Exiſtenz, der Vermögensſtand des Einzelnen dadurch am erſten gefährdet werden konnte. Ueberall auch, am Körper wie an der Kleidung, wußten die Frauen Schmuck anzubringen. Perlenkränze ſchlangen ſie nicht bloß durch das Haar, ſie um- wanden ſelbſt die ungeſtalteten Gugeln damit, deren weiterer Schmuck aus edlem Metall, Juwelen, ſilbernen und goldenen Schnüren beſtand. Der freie Hals mit der Bruſt wurde ein Fa- voritplatz für Perlen und Metallbänder; golden und ſilbern waren auch die Schnürſenkel; Ringe trug man in großer Zahl, freilich auch oft nur ſoviel die Obrigkeit erlaubte. Die langen Aermel, die Kleider wurden ober- und unterhalb des Gürtels, deſſen wir als koſtbarſten Schmuck ſchon oben gedachten, mit Perlen und Juwelen, deren Aechtheit freilich vielfach Zweifeln
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0234"n="216"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#aq">II.</hi> Das Mittelalter.</fw><lb/>
entſtanden denken, daß die Kaputze, mit Aufgebung von Schwanz<lb/>
und Spitze, ſich eng um den Kopf anſchloß. Der Rath von<lb/>
Speier verbot (1356), daß der Kruſeler mehr als vier ſolcher<lb/>
Striche über einander haben ſollte; der zu Frankfurt erlaubte<lb/>
ihrer ſechs. Auch Fürſtinnen trugen dieſe Hauben und Kronen<lb/>
darüber, auch mehr in Art eines in Krauſen eingebrannten<lb/>
Schleiers.</p><lb/><p>In beſonders hoher Gunſt ſtand der <hirendition="#g">Schleier</hi>, ſei es, daß<lb/>
er für ſich allein den Kopf umhüllt, oder mit Haube und Kinn-<lb/>
tuch in Verbindung ſteht. Auf Feinheit und Güte des Stoffs<lb/>
wurde ein großer Werth gelegt. Ob er von Seide oder Baum-<lb/>
wolle war, ob von ſo oder ſoviel Fäden in der Breite, ob ſein<lb/>
Endbeſatz lang und zart, oder kurz und dick gewirkt war — das<lb/>
konnte die Geſchlechterin von der Handwerksfrau unterſcheiden.</p><lb/><p>Neben den langen Hängeärmeln, die einfach gezattelt auf<lb/>
den Boden fielen, neben den ſpitzen Schuhen und andern Din-<lb/>
gen konnte die Eitelkeit einer Dame noch Befriedigung finden an<lb/>
dem nun in reichlichem Maße wieder auflebenden <hirendition="#g">Schmuck</hi>.<lb/>
Was in alten Zeiten ein Zeichen einer niedern, noch ringenden<lb/>
Civiliſation geweſen war, das kann jetzt als Merkmal der Ueber-<lb/>
feinerung, eines verbildeten Geſchmacks betrachtet werden. Den<lb/>
Schmuck faßten die Kleiderordnungen zuerſt ins Auge, weil die<lb/>
bürgerliche Exiſtenz, der Vermögensſtand des Einzelnen dadurch<lb/>
am erſten gefährdet werden konnte. Ueberall auch, am Körper<lb/>
wie an der Kleidung, wußten die Frauen Schmuck anzubringen.<lb/>
Perlenkränze ſchlangen ſie nicht bloß durch das Haar, ſie um-<lb/>
wanden ſelbſt die ungeſtalteten Gugeln damit, deren weiterer<lb/>
Schmuck aus edlem Metall, Juwelen, ſilbernen und goldenen<lb/>
Schnüren beſtand. Der freie Hals mit der Bruſt wurde ein Fa-<lb/>
voritplatz für Perlen und Metallbänder; golden und ſilbern<lb/>
waren auch die Schnürſenkel; Ringe trug man in großer Zahl,<lb/>
freilich auch oft nur ſoviel die Obrigkeit erlaubte. Die langen<lb/>
Aermel, die Kleider wurden ober- und unterhalb des Gürtels,<lb/>
deſſen wir als koſtbarſten Schmuck ſchon oben gedachten, mit<lb/>
Perlen und Juwelen, deren Aechtheit freilich vielfach Zweifeln<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[216/0234]
II. Das Mittelalter.
entſtanden denken, daß die Kaputze, mit Aufgebung von Schwanz
und Spitze, ſich eng um den Kopf anſchloß. Der Rath von
Speier verbot (1356), daß der Kruſeler mehr als vier ſolcher
Striche über einander haben ſollte; der zu Frankfurt erlaubte
ihrer ſechs. Auch Fürſtinnen trugen dieſe Hauben und Kronen
darüber, auch mehr in Art eines in Krauſen eingebrannten
Schleiers.
In beſonders hoher Gunſt ſtand der Schleier, ſei es, daß
er für ſich allein den Kopf umhüllt, oder mit Haube und Kinn-
tuch in Verbindung ſteht. Auf Feinheit und Güte des Stoffs
wurde ein großer Werth gelegt. Ob er von Seide oder Baum-
wolle war, ob von ſo oder ſoviel Fäden in der Breite, ob ſein
Endbeſatz lang und zart, oder kurz und dick gewirkt war — das
konnte die Geſchlechterin von der Handwerksfrau unterſcheiden.
Neben den langen Hängeärmeln, die einfach gezattelt auf
den Boden fielen, neben den ſpitzen Schuhen und andern Din-
gen konnte die Eitelkeit einer Dame noch Befriedigung finden an
dem nun in reichlichem Maße wieder auflebenden Schmuck.
Was in alten Zeiten ein Zeichen einer niedern, noch ringenden
Civiliſation geweſen war, das kann jetzt als Merkmal der Ueber-
feinerung, eines verbildeten Geſchmacks betrachtet werden. Den
Schmuck faßten die Kleiderordnungen zuerſt ins Auge, weil die
bürgerliche Exiſtenz, der Vermögensſtand des Einzelnen dadurch
am erſten gefährdet werden konnte. Ueberall auch, am Körper
wie an der Kleidung, wußten die Frauen Schmuck anzubringen.
Perlenkränze ſchlangen ſie nicht bloß durch das Haar, ſie um-
wanden ſelbſt die ungeſtalteten Gugeln damit, deren weiterer
Schmuck aus edlem Metall, Juwelen, ſilbernen und goldenen
Schnüren beſtand. Der freie Hals mit der Bruſt wurde ein Fa-
voritplatz für Perlen und Metallbänder; golden und ſilbern
waren auch die Schnürſenkel; Ringe trug man in großer Zahl,
freilich auch oft nur ſoviel die Obrigkeit erlaubte. Die langen
Aermel, die Kleider wurden ober- und unterhalb des Gürtels,
deſſen wir als koſtbarſten Schmuck ſchon oben gedachten, mit
Perlen und Juwelen, deren Aechtheit freilich vielfach Zweifeln
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/234>, abgerufen am 08.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.