Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.2. Die Zeit des Luxus und der Entartung. öffentlich, oder ging sie zum Besuch, zum Tanz, zum Turnier oderzu einem andern Fest, so saß auch das in diesem Fall nothwen- dige Oberkleid in gleicher Enge um den Körper, mit Ausnahme der Aermel, welche weit geöffnet sind und, mit Zatteln versehen, tief herunterfallen. Diese Enge konnte schon durch den bloßen Schnitt des Kleides hergestellt werden, wodurch freilich das An- ziehen eine schwierige und unbequeme Sache wurde; es wird ver- sichert, daß eine Dame allein nicht dazu im Stande gewesen sei: sie bedurfte der Hülfe, was im ähnlichen Fall auch von den Män- nern gilt. Um dieser Unbequemlichkeit auszuweichen, war der Knopfbesatz erfunden worden. Die Frauen bedienten sich dessel- ben in ausgedehntem Maße. Sie schnitten die Aermel des untern Kleides bis zum Ellbogen auf und engten sie mit Knöpfen wieder ein; sie schlitzten das Kleid vorn von oben an bis tief herunter auf den Leib und setzten längs des Ausschnittes Knopf an Knopf. Das allein schien nicht zu genügen, und man nahm die schon bekannten Schnürsenkel zu Hülfe, oder ersetzte die Knöpfe ganz dadurch. Vorzugsweise aber wurden sie an den Seiten angewen- det, und weder das untere noch das obere Kleid noch das Hemd waren davon ausgenommen. Ja es scheinen bereits besondere Leibchen, gleich der spätern Schnürbrust, zu diesem Zweck in Ge- brauch gewesen zu sein. "Hinfüro soll sich keine Frau mehr schürzen mit ihren Brüsten, weder mit Hemden noch gebrisen (geschnürten) Röcken, noch mit irgend einem andern Gefängniß," so schreibt der Rath zu Straßburg vor (1370). Die Ulmer Ordnung von 1426 verbietet sammtene oder seidene "Preise" (von brisen, schnüren). Diese Einengung der Kleider hatte für den Frauengürtel Die gleiche Sorge wie die Einengung des Körpers machte 2. Die Zeit des Luxus und der Entartung. öffentlich, oder ging ſie zum Beſuch, zum Tanz, zum Turnier oderzu einem andern Feſt, ſo ſaß auch das in dieſem Fall nothwen- dige Oberkleid in gleicher Enge um den Körper, mit Ausnahme der Aermel, welche weit geöffnet ſind und, mit Zatteln verſehen, tief herunterfallen. Dieſe Enge konnte ſchon durch den bloßen Schnitt des Kleides hergeſtellt werden, wodurch freilich das An- ziehen eine ſchwierige und unbequeme Sache wurde; es wird ver- ſichert, daß eine Dame allein nicht dazu im Stande geweſen ſei: ſie bedurfte der Hülfe, was im ähnlichen Fall auch von den Män- nern gilt. Um dieſer Unbequemlichkeit auszuweichen, war der Knopfbeſatz erfunden worden. Die Frauen bedienten ſich deſſel- ben in ausgedehntem Maße. Sie ſchnitten die Aermel des untern Kleides bis zum Ellbogen auf und engten ſie mit Knöpfen wieder ein; ſie ſchlitzten das Kleid vorn von oben an bis tief herunter auf den Leib und ſetzten längs des Ausſchnittes Knopf an Knopf. Das allein ſchien nicht zu genügen, und man nahm die ſchon bekannten Schnürſenkel zu Hülfe, oder erſetzte die Knöpfe ganz dadurch. Vorzugsweiſe aber wurden ſie an den Seiten angewen- det, und weder das untere noch das obere Kleid noch das Hemd waren davon ausgenommen. Ja es ſcheinen bereits beſondere Leibchen, gleich der ſpätern Schnürbruſt, zu dieſem Zweck in Ge- brauch geweſen zu ſein. „Hinfüro ſoll ſich keine Frau mehr ſchürzen mit ihren Brüſten, weder mit Hemden noch gebriſen (geſchnürten) Röcken, noch mit irgend einem andern Gefängniß,“ ſo ſchreibt der Rath zu Straßburg vor (1370). Die Ulmer Ordnung von 1426 verbietet ſammtene oder ſeidene „Preiſe“ (von briſen, ſchnüren). 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2. Die Zeit des Luxus und der Entartung.
öffentlich, oder ging ſie zum Beſuch, zum Tanz, zum Turnier oder
zu einem andern Feſt, ſo ſaß auch das in dieſem Fall nothwen-
dige Oberkleid in gleicher Enge um den Körper, mit Ausnahme
der Aermel, welche weit geöffnet ſind und, mit Zatteln verſehen,
tief herunterfallen. Dieſe Enge konnte ſchon durch den bloßen
Schnitt des Kleides hergeſtellt werden, wodurch freilich das An-
ziehen eine ſchwierige und unbequeme Sache wurde; es wird ver-
ſichert, daß eine Dame allein nicht dazu im Stande geweſen ſei:
ſie bedurfte der Hülfe, was im ähnlichen Fall auch von den Män-
nern gilt. Um dieſer Unbequemlichkeit auszuweichen, war der
Knopfbeſatz erfunden worden. Die Frauen bedienten ſich deſſel-
ben in ausgedehntem Maße. Sie ſchnitten die Aermel des untern
Kleides bis zum Ellbogen auf und engten ſie mit Knöpfen wieder
ein; ſie ſchlitzten das Kleid vorn von oben an bis tief herunter
auf den Leib und ſetzten längs des Ausſchnittes Knopf an Knopf.
Das allein ſchien nicht zu genügen, und man nahm die ſchon
bekannten Schnürſenkel zu Hülfe, oder erſetzte die Knöpfe ganz
dadurch. Vorzugsweiſe aber wurden ſie an den Seiten angewen-
det, und weder das untere noch das obere Kleid noch das Hemd
waren davon ausgenommen. Ja es ſcheinen bereits beſondere
Leibchen, gleich der ſpätern Schnürbruſt, zu dieſem Zweck in Ge-
brauch geweſen zu ſein. „Hinfüro ſoll ſich keine Frau mehr ſchürzen
mit ihren Brüſten, weder mit Hemden noch gebriſen (geſchnürten)
Röcken, noch mit irgend einem andern Gefängniß,“ ſo ſchreibt
der Rath zu Straßburg vor (1370). Die Ulmer Ordnung von 1426
verbietet ſammtene oder ſeidene „Preiſe“ (von briſen, ſchnüren).
Dieſe Einengung der Kleider hatte für den Frauengürtel
dieſelbe Folge, wie für den der Männer: er wurde überflüſſig und
dann als ein über die Hüften herabhängender Schmuck getragen
in derſelben Weiſe, wie wir oben bei den Männern den Dupfing
beſchrieben haben. Dieſen Namen führte er auch bei den Frauen.
Die gleiche Sorge wie die Einengung des Körpers machte
den Geſetzgebern die immer ſtärker werdende Decolletirung. Das
ganze Mittelalter hindurch hatten die Frauenkleider Bruſt und
Schultern verhüllt und nur den Hals unbedeckt gelaſſen; mit
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