Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.

Bild:
<< vorherige Seite

II. Das Mittelalter.
und Perlen. Waren nun gar die Glieder aus edlem Metall, so
bildete ein solcher Gürtel den reichsten nur denkbaren Schmuck.
Daher unterwarfen ihn auch gleich die ersten Luxusgesetze ihren
beschränkenden Bestimmungen. Die Limburger Chronik bezeichnet
ihn mit dem Worte Dupfing; wenn dasselbe von dupfen, mit
der Nadel sticken, abgeleitet werden soll, so muß es schon eine
ältere Art des Gürtels bezeichnet haben, denn die damalige war
von Metall.

Als herrschende Form des Beinkleids in den nobeln
Ständen ist für diese Periode die zu betrachten, welche als ein
Stück die ganze untere Hälfte des Mannes deckt, von den Füßen
an, die mit umschlossen sind, bis zur Hüfte herauf. Hier war die
Hose durch Nesteln, Schnüre oder Schleifen befestigt. Obwohl
nur in den seltneren Fällen aus Leder bestehend und gewöhnlich
aus Wollstoff gemacht, schloß sie sich in geschicktem Schnitt in
allen Theilen aufs vollkommenste eng an, daß die Männer hart
gespannt gingen und, wie wir oben gesehen haben, bei rascher
und plötzlicher Bewegung nicht selten die Nesteln sprengten. Es
findet sich für die Art des Beinkleides öfter die Bezeichnung
"ganze Hosen" im Gegensatz zu den in den niedern Ständen ge-
bräuchlichen langen Strümpfen. Auch diese wurden wohl noch
fortgetragen, doch nur selten, denn es berichtet die Limburger
Chronik zum Jahr 1362, daß damals die "großen, weiten Plo-
derhosen" vergangen seien, worunter nichts anderes verstanden sein
kann als jene alten weiten, leinenen Beinkleider, welche Bürger
und alle Leute niedern Standes in der Art trugen, daß sie diesel-
ben von oben her in die langen Strümpfe hineinsteckten. Wir
kennen sie von den Bildern der Herrad von Landsberg und haben
sie oben näher beschrieben. "Lange Ledersen" nennt auch die Lim-
burger Chronik wegen des Stoffes die ganzen Hosen und sagt
von ihnen, sie hätten lange Schnäbel gehabt und Krabben, eine
bei der andern von der großen Zehe bis oben hinaus, und seien
hinten aufgenestelt gewesen halb bis auf den Rücken. Die jeden-
falls vorübergehende Mode des Besatzes mit "Krabben" -- ein
Name, der ohne Zweifel von dem bekannten gothischen Ornament

II. Das Mittelalter.
und Perlen. Waren nun gar die Glieder aus edlem Metall, ſo
bildete ein ſolcher Gürtel den reichſten nur denkbaren Schmuck.
Daher unterwarfen ihn auch gleich die erſten Luxusgeſetze ihren
beſchränkenden Beſtimmungen. Die Limburger Chronik bezeichnet
ihn mit dem Worte Dupfing; wenn daſſelbe von dupfen, mit
der Nadel ſticken, abgeleitet werden ſoll, ſo muß es ſchon eine
ältere Art des Gürtels bezeichnet haben, denn die damalige war
von Metall.

Als herrſchende Form des Beinkleids in den nobeln
Ständen iſt für dieſe Periode die zu betrachten, welche als ein
Stück die ganze untere Hälfte des Mannes deckt, von den Füßen
an, die mit umſchloſſen ſind, bis zur Hüfte herauf. Hier war die
Hoſe durch Neſteln, Schnüre oder Schleifen befeſtigt. Obwohl
nur in den ſeltneren Fällen aus Leder beſtehend und gewöhnlich
aus Wollſtoff gemacht, ſchloß ſie ſich in geſchicktem Schnitt in
allen Theilen aufs vollkommenſte eng an, daß die Männer hart
geſpannt gingen und, wie wir oben geſehen haben, bei raſcher
und plötzlicher Bewegung nicht ſelten die Neſteln ſprengten. Es
findet ſich für die Art des Beinkleides öfter die Bezeichnung
„ganze Hoſen“ im Gegenſatz zu den in den niedern Ständen ge-
bräuchlichen langen Strümpfen. Auch dieſe wurden wohl noch
fortgetragen, doch nur ſelten, denn es berichtet die Limburger
Chronik zum Jahr 1362, daß damals die „großen, weiten Plo-
derhoſen“ vergangen ſeien, worunter nichts anderes verſtanden ſein
kann als jene alten weiten, leinenen Beinkleider, welche Bürger
und alle Leute niedern Standes in der Art trugen, daß ſie dieſel-
ben von oben her in die langen Strümpfe hineinſteckten. Wir
kennen ſie von den Bildern der Herrad von Landsberg und haben
ſie oben näher beſchrieben. „Lange Lederſen“ nennt auch die Lim-
burger Chronik wegen des Stoffes die ganzen Hoſen und ſagt
von ihnen, ſie hätten lange Schnäbel gehabt und Krabben, eine
bei der andern von der großen Zehe bis oben hinaus, und ſeien
hinten aufgeneſtelt geweſen halb bis auf den Rücken. Die jeden-
falls vorübergehende Mode des Beſatzes mit „Krabben“ — ein
Name, der ohne Zweifel von dem bekannten gothiſchen Ornament

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0220" n="202"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">II.</hi> Das Mittelalter.</fw><lb/>
und Perlen. Waren nun gar die Glieder aus edlem Metall, &#x017F;o<lb/>
bildete ein &#x017F;olcher Gürtel den reich&#x017F;ten nur denkbaren Schmuck.<lb/>
Daher unterwarfen ihn auch gleich die er&#x017F;ten Luxusge&#x017F;etze ihren<lb/>
be&#x017F;chränkenden Be&#x017F;timmungen. Die Limburger Chronik bezeichnet<lb/>
ihn mit dem Worte <hi rendition="#g">Dupfing</hi>; wenn da&#x017F;&#x017F;elbe von dupfen, mit<lb/>
der Nadel &#x017F;ticken, abgeleitet werden &#x017F;oll, &#x017F;o muß es &#x017F;chon eine<lb/>
ältere Art des Gürtels bezeichnet haben, denn die damalige war<lb/>
von Metall.</p><lb/>
              <p>Als herr&#x017F;chende Form des <hi rendition="#g">Beinkleids</hi> in den nobeln<lb/>
Ständen i&#x017F;t für die&#x017F;e Periode <hi rendition="#g">die</hi> zu betrachten, welche als <hi rendition="#g">ein</hi><lb/>
Stück die ganze untere Hälfte des Mannes deckt, von den Füßen<lb/>
an, die mit um&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ind, bis zur Hüfte herauf. Hier war die<lb/>
Ho&#x017F;e durch Ne&#x017F;teln, Schnüre oder Schleifen befe&#x017F;tigt. Obwohl<lb/>
nur in den &#x017F;eltneren Fällen aus Leder be&#x017F;tehend und gewöhnlich<lb/>
aus Woll&#x017F;toff gemacht, &#x017F;chloß &#x017F;ie &#x017F;ich in ge&#x017F;chicktem Schnitt in<lb/>
allen Theilen aufs vollkommen&#x017F;te eng an, daß die Männer hart<lb/>
ge&#x017F;pannt gingen und, wie wir oben ge&#x017F;ehen haben, bei ra&#x017F;cher<lb/>
und plötzlicher Bewegung nicht &#x017F;elten die Ne&#x017F;teln &#x017F;prengten. Es<lb/>
findet &#x017F;ich für die Art des Beinkleides öfter die Bezeichnung<lb/>
&#x201E;ganze Ho&#x017F;en&#x201C; im Gegen&#x017F;atz zu den in den niedern Ständen ge-<lb/>
bräuchlichen langen Strümpfen. Auch die&#x017F;e wurden wohl noch<lb/>
fortgetragen, doch nur &#x017F;elten, denn es berichtet die Limburger<lb/>
Chronik zum Jahr 1362, daß damals die &#x201E;großen, weiten Plo-<lb/>
derho&#x017F;en&#x201C; vergangen &#x017F;eien, worunter nichts anderes ver&#x017F;tanden &#x017F;ein<lb/>
kann als jene alten weiten, leinenen Beinkleider, welche Bürger<lb/>
und alle Leute niedern Standes in der Art trugen, daß &#x017F;ie die&#x017F;el-<lb/>
ben von oben her in die langen Strümpfe hinein&#x017F;teckten. Wir<lb/>
kennen &#x017F;ie von den Bildern der Herrad von Landsberg und haben<lb/>
&#x017F;ie oben näher be&#x017F;chrieben. &#x201E;Lange Leder&#x017F;en&#x201C; nennt auch die Lim-<lb/>
burger Chronik wegen des Stoffes die ganzen Ho&#x017F;en und &#x017F;agt<lb/>
von ihnen, &#x017F;ie hätten lange Schnäbel gehabt und Krabben, eine<lb/>
bei der andern von der großen Zehe bis oben hinaus, und &#x017F;eien<lb/>
hinten aufgene&#x017F;telt gewe&#x017F;en halb bis auf den Rücken. Die jeden-<lb/>
falls vorübergehende Mode des Be&#x017F;atzes mit &#x201E;Krabben&#x201C; &#x2014; ein<lb/>
Name, der ohne Zweifel von dem bekannten gothi&#x017F;chen Ornament<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[202/0220] II. Das Mittelalter. und Perlen. Waren nun gar die Glieder aus edlem Metall, ſo bildete ein ſolcher Gürtel den reichſten nur denkbaren Schmuck. Daher unterwarfen ihn auch gleich die erſten Luxusgeſetze ihren beſchränkenden Beſtimmungen. Die Limburger Chronik bezeichnet ihn mit dem Worte Dupfing; wenn daſſelbe von dupfen, mit der Nadel ſticken, abgeleitet werden ſoll, ſo muß es ſchon eine ältere Art des Gürtels bezeichnet haben, denn die damalige war von Metall. Als herrſchende Form des Beinkleids in den nobeln Ständen iſt für dieſe Periode die zu betrachten, welche als ein Stück die ganze untere Hälfte des Mannes deckt, von den Füßen an, die mit umſchloſſen ſind, bis zur Hüfte herauf. Hier war die Hoſe durch Neſteln, Schnüre oder Schleifen befeſtigt. Obwohl nur in den ſeltneren Fällen aus Leder beſtehend und gewöhnlich aus Wollſtoff gemacht, ſchloß ſie ſich in geſchicktem Schnitt in allen Theilen aufs vollkommenſte eng an, daß die Männer hart geſpannt gingen und, wie wir oben geſehen haben, bei raſcher und plötzlicher Bewegung nicht ſelten die Neſteln ſprengten. Es findet ſich für die Art des Beinkleides öfter die Bezeichnung „ganze Hoſen“ im Gegenſatz zu den in den niedern Ständen ge- bräuchlichen langen Strümpfen. Auch dieſe wurden wohl noch fortgetragen, doch nur ſelten, denn es berichtet die Limburger Chronik zum Jahr 1362, daß damals die „großen, weiten Plo- derhoſen“ vergangen ſeien, worunter nichts anderes verſtanden ſein kann als jene alten weiten, leinenen Beinkleider, welche Bürger und alle Leute niedern Standes in der Art trugen, daß ſie dieſel- ben von oben her in die langen Strümpfe hineinſteckten. Wir kennen ſie von den Bildern der Herrad von Landsberg und haben ſie oben näher beſchrieben. „Lange Lederſen“ nennt auch die Lim- burger Chronik wegen des Stoffes die ganzen Hoſen und ſagt von ihnen, ſie hätten lange Schnäbel gehabt und Krabben, eine bei der andern von der großen Zehe bis oben hinaus, und ſeien hinten aufgeneſtelt geweſen halb bis auf den Rücken. Die jeden- falls vorübergehende Mode des Beſatzes mit „Krabben“ — ein Name, der ohne Zweifel von dem bekannten gothiſchen Ornament

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/220
Zitationshilfe: Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/falke_trachten01_1858/220>, abgerufen am 24.11.2024.