Falke, Jakob von: Die deutsche Trachten- und Modenwelt. Ein Beitrag zur deutschen Culturgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1858.2. Die Zeit des Luxus und der Entartung. gestattet. Seidene Borten waren bis 6 Gulden erlaubt, dieSchleppen aber auf 1/4 Elle beschränkt. Was den Ulmerinnen bei diesen Bestimmungen übrig blieb, war immer noch ein sehr Be- deutendes und ist ein Beweis von dem damaligen Reichthum der Ulmer, der mit dem bekannten Vers: "Ulmer Geld geht durch alle Welt," sprichwörtlich geworden war. Was eine Dame an sich tragen durfte und auch gewiß an sich trug, konnte immer noch einen Werth von 100 Gulden und darüber nach damaligem Gelde haben, 500 nach heutigem. Fast lächerlich kommen uns dabei die Strafen vor, welche auf den Uebertretungsfall ausge- setzt waren: die Geschlechterin hatte 2 Gulden zu zahlen, die Handwerksfrau nur einen. Mit Recht fand daher der Rath in diesen Strafbestimmungen keine Gewähr und er machte deßhalb die Schuster und Schneider verantwortlich. Beide mußten die Ordnung beschwören und bei einer Strafe von 5 Gulden und vierteljähriger Verbannung sich verpflichten, kein Stück zu ma- chen, welches der Ordnung zuwiderlief. Die Münchner Verordnung vom Jahr 1405, welche stren- Das funfzehnte Jahrhundert war vorzugsweise reich an 2. Die Zeit des Luxus und der Entartung. geſtattet. Seidene Borten waren bis 6 Gulden erlaubt, dieSchleppen aber auf ¼ Elle beſchränkt. Was den Ulmerinnen bei dieſen Beſtimmungen übrig blieb, war immer noch ein ſehr Be- deutendes und iſt ein Beweis von dem damaligen Reichthum der Ulmer, der mit dem bekannten Vers: „Ulmer Geld geht durch alle Welt,“ ſprichwörtlich geworden war. Was eine Dame an ſich tragen durfte und auch gewiß an ſich trug, konnte immer noch einen Werth von 100 Gulden und darüber nach damaligem Gelde haben, 500 nach heutigem. Faſt lächerlich kommen uns dabei die Strafen vor, welche auf den Uebertretungsfall ausge- ſetzt waren: die Geſchlechterin hatte 2 Gulden zu zahlen, die Handwerksfrau nur einen. Mit Recht fand daher der Rath in dieſen Strafbeſtimmungen keine Gewähr und er machte deßhalb die Schuſter und Schneider verantwortlich. Beide mußten die Ordnung beſchwören und bei einer Strafe von 5 Gulden und vierteljähriger Verbannung ſich verpflichten, kein Stück zu ma- chen, welches der Ordnung zuwiderlief. Die Münchner Verordnung vom Jahr 1405, welche ſtren- Das funfzehnte Jahrhundert war vorzugsweiſe reich an <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0205" n="187"/><fw place="top" type="header">2. Die Zeit des Luxus und der Entartung.</fw><lb/> geſtattet. Seidene Borten waren bis 6 Gulden erlaubt, die<lb/> Schleppen aber auf ¼ Elle beſchränkt. Was den Ulmerinnen bei<lb/> dieſen Beſtimmungen übrig blieb, war immer noch ein ſehr Be-<lb/> deutendes und iſt ein Beweis von dem damaligen Reichthum der<lb/> Ulmer, der mit dem bekannten Vers: „Ulmer Geld geht durch<lb/> alle Welt,“ ſprichwörtlich geworden war. Was eine Dame an<lb/> ſich tragen durfte und auch gewiß an ſich trug, konnte immer<lb/> noch einen Werth von 100 Gulden und darüber nach damaligem<lb/> Gelde haben, 500 nach heutigem. Faſt lächerlich kommen uns<lb/> dabei die Strafen vor, welche auf den Uebertretungsfall ausge-<lb/> ſetzt waren: die Geſchlechterin hatte 2 Gulden zu zahlen, die<lb/> Handwerksfrau nur einen. Mit Recht fand daher der Rath in<lb/> dieſen Strafbeſtimmungen keine Gewähr und er machte deßhalb<lb/> die Schuſter und Schneider verantwortlich. Beide mußten die<lb/> Ordnung beſchwören und bei einer Strafe von 5 Gulden und<lb/> vierteljähriger Verbannung ſich verpflichten, kein Stück zu ma-<lb/> chen, welches der Ordnung zuwiderlief.</p><lb/> <p>Die Münchner Verordnung vom Jahr 1405, welche ſtren-<lb/> ger in ihren Beſtimmungen war, macht wieder die Väter und die<lb/> Männer für die Uebertretungen der Töchter und Frauen verant-<lb/> wortlich. Der Rath zu München ſchrieb auch den Schneidern eine<lb/> Taxordnung vor, worin für jedes Kleidungsſtück ein beſtimmter<lb/> Machlohn feſtgeſetzt war. Es ſcheint, ſie haben den allgemeinen<lb/> Kleiderluxus zu ſtark zu eigenem Vortheil ausgebeutet. Die<lb/> Preiſe, zu welchen ſie berechtigt wurden, ſind im Verhältniß nicht<lb/> gering, was bei der künſtlichen, bunten Zuſammenſetzung der<lb/> Kleider, den vielen Nähten und dem reichen Beſatz nicht anders<lb/> möglich war.</p><lb/> <p>Das funfzehnte Jahrhundert war vorzugsweiſe reich an<lb/> Kleiderordnungen und beſonders die zweite Hälfte deſſelben, in<lb/> welcher neben der Verſchwendung und den barocken Moden als<lb/> Hauptgeſichtspunkt die Schamloſigkeit in den Vordergrund tritt.<lb/> Ein Geſetz folgt dem andern in derſelben Stadt und beweiſet ſo<lb/> durch die That die Fruchtloſigkeit des früheren. Es iſt daſſelbe in<lb/> allen Städten, in Augsburg, Nürnberg, Bern, Breslau, Lübeck,<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [187/0205]
2. Die Zeit des Luxus und der Entartung.
geſtattet. Seidene Borten waren bis 6 Gulden erlaubt, die
Schleppen aber auf ¼ Elle beſchränkt. Was den Ulmerinnen bei
dieſen Beſtimmungen übrig blieb, war immer noch ein ſehr Be-
deutendes und iſt ein Beweis von dem damaligen Reichthum der
Ulmer, der mit dem bekannten Vers: „Ulmer Geld geht durch
alle Welt,“ ſprichwörtlich geworden war. Was eine Dame an
ſich tragen durfte und auch gewiß an ſich trug, konnte immer
noch einen Werth von 100 Gulden und darüber nach damaligem
Gelde haben, 500 nach heutigem. Faſt lächerlich kommen uns
dabei die Strafen vor, welche auf den Uebertretungsfall ausge-
ſetzt waren: die Geſchlechterin hatte 2 Gulden zu zahlen, die
Handwerksfrau nur einen. Mit Recht fand daher der Rath in
dieſen Strafbeſtimmungen keine Gewähr und er machte deßhalb
die Schuſter und Schneider verantwortlich. Beide mußten die
Ordnung beſchwören und bei einer Strafe von 5 Gulden und
vierteljähriger Verbannung ſich verpflichten, kein Stück zu ma-
chen, welches der Ordnung zuwiderlief.
Die Münchner Verordnung vom Jahr 1405, welche ſtren-
ger in ihren Beſtimmungen war, macht wieder die Väter und die
Männer für die Uebertretungen der Töchter und Frauen verant-
wortlich. Der Rath zu München ſchrieb auch den Schneidern eine
Taxordnung vor, worin für jedes Kleidungsſtück ein beſtimmter
Machlohn feſtgeſetzt war. Es ſcheint, ſie haben den allgemeinen
Kleiderluxus zu ſtark zu eigenem Vortheil ausgebeutet. Die
Preiſe, zu welchen ſie berechtigt wurden, ſind im Verhältniß nicht
gering, was bei der künſtlichen, bunten Zuſammenſetzung der
Kleider, den vielen Nähten und dem reichen Beſatz nicht anders
möglich war.
Das funfzehnte Jahrhundert war vorzugsweiſe reich an
Kleiderordnungen und beſonders die zweite Hälfte deſſelben, in
welcher neben der Verſchwendung und den barocken Moden als
Hauptgeſichtspunkt die Schamloſigkeit in den Vordergrund tritt.
Ein Geſetz folgt dem andern in derſelben Stadt und beweiſet ſo
durch die That die Fruchtloſigkeit des früheren. Es iſt daſſelbe in
allen Städten, in Augsburg, Nürnberg, Bern, Breslau, Lübeck,
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